Das unerwartet schlechte Ergebnis der PASO-Wahlen für die Regierung und ihre Koalition haben zu unterschiedlichen Reaktionen geführt. Wie üblich, ist sofort die Schuldfrage aufgekommen, die die Cristinisten auf Alberto Fernández abschieben, und dessen Anhänger auf Cristina Kirchner. Allein, eine Intensivierung der internen Auseinandersetzung der Regierungskoalition schwächt die Regierung noch mehr. Der marxistische Philosoph José Pablo Feinmann, der Néstor Kirchner nahestand und gelegentlich inspirierte, erklärte, man müsse sich jetzt darum kümmern, dass bei den Novemberwahlen ein besseres Ergebnis für die Regierung erreicht wird. Er erinnerte daran, dass Mauricio Macri bei den PASO-Wahlen vom August 2019 mit 15 Prozentpunkten Abstand gegenüber der Kirchner-Koalition verloren hatte, aber sich dann bemühte, diese Distanz zu verringern, und dabei erfolgreich war, denn im Oktober 2019 ging der Vorsprung auf nur 7 Punkte zurück.
Sofort kam die Lesart auf, Cristina und ihre Anhänger forderten einen allgemeinen Kabinettswechsel, angefangen mit dem Rücktritt von Kabinettschef Santiago Cafiero (den Cristina nicht ausstehen kann), aber auch mit dem von Wirtschaftsminister Martín Guzmán und Produktionsminister Matías Kulfas, und vielen anderen, wenn nicht allen, Ministern. Doch Präsident Alberto Fernández ist offensichtlich nicht bereit, diesem Druck nachzugeben. In der Tat wäre dies ein Schwächezeichen für die Regierung, die, im Gegenteil, besonders jetzt eine starke Stellung zeigen muss. Es ist jedoch nicht entschieden, ob es nicht einige Rücktritte geben wird. Ist sich der Präsident bewusst, dass er dies auf keinen Fall zulassen sollte?
Die zweite Reaktion auf die Wahlschlappe besteht in zusätzlichen Staatsausgaben, einmal für allerlei soziale Zwecke, und dann für Staatsinvestitionen in Infrastruktur. Das erste was der Präsident ankündigte, war die unmittelbare Inangriffnahme von 25 neuen staatlichen Investitionsprojekten. Und dann kommen Erhöhungen beim Kindergeld, bei Mindestpensionen und bei allerlei sozialen Subventionen hinzu. Es war auch die Rede davon, das IFE-Programm von 2020 wieder in Kraft zu setzten, das in der Vergabe von $ 10.000 an zahlreiche arme Familien bestand. Doch das wurde angeblich sofort beiseitegelassen. Doch der Gedanke einer expansive monetären Politik, bei gleichzeitig zunehmenden Preiskontrollen und einer strengeren Devisenbewirtschaftung, bleibt.
Das Defizit der Staatsfinanzen ist schon gefährlich hoch, mit steigender Tendenz (siehe Wirtschaftsübersicht) und es wird grundsätzlich mit Geldschöpfung finanziert. Wenn es jetzt weiter erhöht wird, nimmt einmal der direkte inflationäre Druck zu, aber gleichzeitig nimmt auch die Dollarnachfrage auf dem schwarzen Devisenmarkt und auch auf dem offiziellen zu, mit der Gefahr, dass sich die Erschöpfung der ZB-Reserven beschleunigt, und unmittelbar eine extrem kritische Lage eintritt. Wenn dies vor Mitte November eintritt, dann dürften die Novemberwahlen für die Regierung noch schlechter als die PASO-Wahlen ausfallen. Demagogie mit guter Konjunktur und voller Kasse ist eine Sache, aber in Krisenzeiten mit leeres Kasse etwas anderes. Das dürften die Ökonomen des Präsidenten, Guzmán, Kulfas und auch Cecilia Todesca u.a. ihm klarmachen. Wie der Präsident schließlich auf den Druck von Cristina auf der einen Seite, und seiner Wirtschaftsfachleute auf der anderen reagiert, lässt sich nicht sagen. Zunächst hat er den falschen Weg eingeschlagen. Die öffentlichen Investitionen müssen ohnehin schon verringert werden, weil die finanziellen Mittel fehlen.
Beiläufig sei bemerkt, dass das guter Ergebnis für die Oppositionskoalition JxC (Zusammen für den Wechsel) sich positiv auf den Finanzmarkt ausgewirkt hat, mit einer Hausse bei argentinischen Staatstiteln und Aktien. Hingegen hatte bei den PASO-Wahlen vom August 2019 der überwältigende Sieg des Kirchnerismus eine sehr negative Wirkung, mit Druck auf die Wertpapiermärkte und Sperre von neuen Auslandskrediten, was die Regierung schwer belastete. Wenn die Regierung dieses Zeichen verstünde, dann müsste sie sich bemühen, einen Weg einzuschlagen, dem auch die Opposition zumindest teilweise zustimmen kann. Die Gesellschaft hat den kirchneristischen Phantasien eine Absage erteilt, und das sollte an erster Stelle Präsident Fernández wahrnehmen. (jea)
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