Von Juan E. Alemann
Die Gefängnisse beherbergen allgemein viel mehr Menschen als die Zahl, für die sie errichtet wurden. In der Provinz Buenos Aires sind es gemäß jüngsten Zahlen 48.827 Häftlinge, bei einer Kapazität von 25.000, also fast doppelt so viele wie es sein sollten. Die Philosophin Diana Cohen Agrest weist in einem Artikel in der Zeitung “La Nación” (30.01.20) darauf hin, dass der allergrößte Teil der Angeklagten, von denen fast alle effektiv ein Verbrechen begangen haben, nicht verurteilt wird. Z.B wurden 2014 in der Provinz 93.241 Verbrechen angezeigt, aber nur 13.604 Fälle endeten mit einer Haftstrafe. 2018 gab es 79.983 Gerichtsverfahren, aber nur 19.920 Verhaftete. Wenn die Prozesse besser und schneller liefen, müssten die Gefängnisse somit noch viel überfüllter sein.
Frau Cohen Agrest setzt sich für den Bau von Gefängnissen oder die Erweiterung der bestehenden ein, und viele Menschen würden ihr bestimmt zustimmen. Dabei stellt sich jedoch die Frage, dass der Staat dann weniger Mittel für andere Zwecke hätte, also besonders für den Bau oder die Erneuerung von Schulen, Hospitälern, Straßen, und Systemen der Wasserver- und -entsorgung. Das erscheint gewiss nicht sinnvoll.
Unlängst ist die Initiative aufgekommen, Häftlinge vorzeitig zu entlassen, Frau Cohen Agrest und wohl viele andere sind dagegen, weil dies einer notorischen Milderung der Strafe entspricht. Indessen sollte man das Problem anders sehen. Diejenigen Häftlinge, die ungefährlich sind, könnten ohne weiteres ihre Haft zu Hause absitzen, mit oder ohne Hausarrest. Das betrifft an erster Stelle die meisten Militärs, die wegen Menschenrechtsverletzungen prozessiert oder verurteilt wurden. Sie haben ohnehin nicht die geringste Möglichkeit, die Terroristenjagd weiter auszuüben. Auch viele andere sind ungefährlich. Wo man jedoch vorsichtig sein muss, ist bei den Vergewaltigern. Denn diese Menschen haben einen starken sexuellen Trieb, und gleichzeitig sind sie nicht in der Lage eine normale Beziehung mit dem weiblichen Geschlecht herzustellen. Somit werden sie meistens rückfällig. Ihre Freilassung müsste an eine chemische Kastration gebunden sein.
In einigen Fällen könnte man den Häftlingen anbieten, dass sie freigelassen werden, aber einen Sozialdienst leisten. Das ist jedoch nicht so einfach, weil sie zunächst arbeiten müssen, um zu überleben. Der Sozialdienst, etwa in einem Hospital, in dem Arbeitskräfte fehlen, müsste somit bezahlt werden. Doch dann hätten Verbrecher Vorrang vor anderen. Was bezahlte Arbeit im allgemeinen betrifft, so besteht ein Problem, weil ein ehemaliger Häftling bei Besetzung eines freien Arbeitsplatzes von vorne herein ausgeschlossen wird. Auch für dies müsste eine Lösung gefunden werden.
Grundsätzlich sollte man sich bei der Frage der vorzeitigen Freilassung an die Verfassung halten, die besagt, dass die Haft nicht als Strafe gedacht ist, sondern als Sicherheit für die Bevölkerung. Somit stünde einer Verkürzung der Haftzeiten, wenn keine Gefahr neuer Verbrechen besteht, nichts im Weg. Doch wenn der von dieser Vergünstigung Betroffene wieder ein Verbrechen begeht, dann muss die Strafe viel härter als das erste Mal sein, weil er dadurch gezeigt hat, dass er die Gesellschaft verunsichert, was laut Verfassung nicht sein soll.
Das Problem, das wir hier behandeln, wird allgemein unter den Teppich gefegt. Die jeweils Regierenden, die Politiker im allgemeinen und auch andere, die meinungnsbildend sind, weichen dem Thema aus. Es ist höchste Zeit, dass man es gründlich diskutiert. Der Umstand, dass Präsident Alberto Fernández Professor für Strafrecht ist, und somit das Problem kennt, könnte dazu führen, dass sich diese Regierung mit dem Thema befasst.
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