Von Juan E. Alemann
Es gibt in Argentinien viele Menschen, die sich der Politik widmen und sich dabei bemühen, als Kandidaten für Deputierten, Senatoren oder sonstwas aufgestellt und dann gewählt zu werden, oder auf Grund der politischen Zugehörigkeit ein Amt in der Staatsverwaltung zu erhalten. Viele tun dies aus Berufung, und andere, um auf diese Weise ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Und oft handelt es sich um beides und gelegentlich auch, um Beziehungen mit Regierenden aufzubauen, die nützlich sein können. Die Politiker sind sehr viele und bilden eine Art Kaste, die ihre Privilegien verteidigt.
Theoretisch kann es nur Politiker geben, wenn es auch politische Parteien gibt. In früheren Zeiten gab es auch in Argentinien echte Parteien, mit eingetragenen Mitgliedern, die einen Beitrag zahlten und einen Ausweis hatten. Das gehört jedoch seit Langem der Vergangenheit an. Um den Parteiführern, die angeben, Parteien mit enorm vielen Mitglieder zu haben, die Blamage zu ersparen, dass bei internen Parteiwahlen, nur die wenigen wählen, die einen Ausweis haben, hat die Regierung von Cristina Kirchner das PASO-System erfunden, bei dem jeder eingetragene Wähler bei einer der Parteien an deren Vorwahlen teilnehmen muss. Besonders bei der justizialistischen Partei, im Volksmund als Peronismus benannt, wurde dadurch vermieden, dass die Legende von den Millionen Mitgliedern platzt. Im Grunde ist der Peronismus keine Partei, sondern eine “Bewegung”, also eine diffuse Zugehörigkeit zur Ideologie von Juan Domingo Perón, von der man heute auch nicht weiß, in was sie konkret besteht.
Die Parteien sind heute im Wesen kleine Gruppen von Personen, die die Führungsposten besetzen, meistens ohne gewählt worden zu sein, oder wenn, nur von einer geringen Gruppe von eingetragenen Parteimitgliedern. Wenn jemand diese Führung beanstandet, eben weil sie nicht oder nur von wenigen gewählt wurde, hat er geringe Chancen auf Erfolg. Auch wenn der Fall einem Wahlrichter vorgelegt wird.
Die Parteien vertraten früher Ideologien oder doktrinäre Stellungnahmen. Es gab prinzipiell zwei Gruppen: Konservative Parteien, die sich im Prinzip für die Erhaltung der bestehenden Gesellschaft, für Privateigentum und freien Markt einsetzen, und sozialistische Parteien, die die soziale Problematik in den Vordergrund stellen und das Privateigentum einschränken wollen.
Doch im gegenwärtigen Argentinien ist diese Unterscheidung komplizierter geworden. Das bestehende Wirtschaftssystem ist auf der einen Seite kapitalistisch und auf der anderen Seite sozialistisch, und die Mischung verträgt sich schlecht. Keine große Partei oder Koalition beanstandet dies prinzipiell. Es geht dabei eigentlich für alle darum, dass der Kapitalismus oder Marktwirtschaft, wie immer man dies nennen will, die sozialen Leistungen des Systems finanzieren kann, und dass der Sozialismus die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft nicht abwürgt. Die Diskussion dreht sich dabei um konkrete Aspekte, auch um Effizienz und Rationalität. Aber es ist nicht mehr eine zwischen Adam Smith und Karl Marx.
Diese Konstellation erklärt, dass Politiker so leicht von einer Partei auf eine andere übergehen. Von der Macri-Mannschaft waren Frigerio u.a. schon unter Menem hohe Beamte, und Patricia Bullrich war zunächst Peronistin und unter De la Rúa Ministerin. Die Liste ist sehr lang. Pichetto hat mit Menem und danach mit den Kirchners mitgemacht, und ist jetzt auf Macri übergegangen. Er hat dabei keinen ideologischen Konflikt, denn im Wesen war er immer ein vernünftiger Pragmatiker und nicht ein Ideologe. Auch andere dürften ihm folgen.
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