Von Juan E. Alemann
Nach dem Ergebnis der PASO-Wahlen, bei denen Alberto Fernández einen unerwarteten Vorsprung von 16 Prozentpunkten gegenüber Mauricio Macri erreichte, ist dieser zusammengebrochen. Er selber sprach von einem Schlag auf den Kopf, und war in diesem Sinn wie betäubt. Doch danach beschloss er den Kampf bis zur letzten Minute nicht aufzugeben. Macri kümmerte sich als Präsident um die Staatsverwaltung. Als Politiker muss er jetzt eine Wahl gewinnen, oder zumindest als starker Leiter der Opposition verbleiben. Jetzt hat er sich von dieser Seite gezeigt, und dabei einen bisher weniger bekannten Aspekt seiner Persönlichkeit hervorgehoben. Er ist ein guter Barrikadenredner, was bei einem Menschen, der nicht aus der Politik kommt, nicht selbstverständlich ist.
Er organisierte 30 Massenkundgebungen im ganzen Land, die erste an der Bahnstation Belgrano C in der Bundeshauptstadt, dann viele in einzelnen Städten des Landes und die letzte am Samstag am Obelisken. Immer gab es dabei große Menschenmengen, und am Samstag waren es auf der “9 de Julio” und anrainenden Straßen zwar keine Million, wie es offiziell hieß, doch bestimmt weit über 700.000. Visuell mussten es gut ebenso viele gewesen sein, wie sie Alfonsín 1983 dort zusammenbrachte, kurz bevor er die Wahl gewann. Unterschwellig erinnerte die Kundgebung vom Samstag an dies.
Macri zählt immer noch auf die Unterstützung sehr vieler Menschen, sei es, weil sie seine Grundideen teilen, oder weil sie auf alle Fälle keine Rückkehr des korrupten linkslastigen und in seinem Wesen totalitären Kirchnerismus, mit seinem Amigo-Kapitalismus, wollen.
Präsidenten zeigen erst in schwierigen Krisenmomenten ihr Format. Raúl Alfonsín wusste nach der Hyperinflation von Februar-März 1989 nicht, was er tun sollte. Nachdem er die Wahl gegen Menem verlor, trat er vorzeitig zurück. Fernando de la Rúa trat auch zurück, zwei Jahre vor Beendigung seiner Amtszeit, nachdem eine tiefe Krise aufgetreten war, und die Peronisten einen großen Krawall auf der Plaza de Mayo organisiert hatten. Carlos Menem hingegen, reagierte anders, als die Hyperinflation im März 1990 wieder auftrat. Er verhärtete den Kurs, übte starken Druck auf die verängstigten Deputierten und Senatoren seiner Partei aus, und erreichte, dass sie die Gesetze über Privatisierung und Staatsreform verabschiedeten, die wesentlich für seine Privatisierungspolitik waren. Mauricio Macri hat sich jetzt mit Menem eingereiht und kämpft für seine Überzeugungen. Bravo!
Das politische Leben ist für einen Politiker in einer Demokratie eben so, dass er einmal oben und einmal unten ist. Aber ein echter Politiker darf dabei nie aufgeben. Macri geht es jetzt darum, dass es zu einer zweiten Wahlrunde kommt, in der er eventuell ein ungünstiges Ergebnis umkehren kann. Allein, auch wenn Macri schließlich verliert, wird seine Koalition eine bedeutende parlamentarische Vertretung haben, und Macri wäre dann der mächtige Leiter der Opposition, eine Rolle, die ihm wohl niemand streitig machen kann. Und 2023 könnte er dann wieder Präsident werden. Er wäre dann erst 65 Jahre alt.
Gewinnt Alberto Fernández, wie es allgemein vorweggenommen wird, wird er wohl oft Macri um Hilfe bitten müssen. Denn seine eigene Mannschaft, die “Front für alle”, enthält zwei gegensätzliche Gruppen, nämlich den traditionellen Peronismus, der im Wesen eine Art kreolische Sozialdemokratie ist, und den Kirchnerismus, der die Montonero-Ideologie aufnimmt, mit Kuba und Venezuela als Vorbild, und ursprünglich mit dem des jugoslawischen Kommunismus, der nicht so extrem wie der sowjetische war. Macri würde gewissermaßen auch mitregieren. Im Grunde sind eben er und AF dialogbereite Pragmatiker.
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