Von Stefan Kuhn
War es eine kluge Entscheidung, General Ghassem Soleimani, den Chef der iranischen Al-Kuds-Brigaden, mit einer Rakete ins Jenseits zu schießen? Natürlich nicht. Sie kann gar nicht gut gewesen sein, denn sie wurde von US-Präsident Donald Trump getroffen.
Allerdings kann man nicht davon ausgehen, dass Trump schon länger Kenntnis von der Existenz Soleimanis hatte. Jemand muss ihm in einfachen Worten eine Horrorstory über den General erzählt haben. Vergessen hat er dabei vermutlich, dass Soleimani in den letzten Jahren ein Verbündeter der USA im Kampf gegen die Terrorgruppe Islamischer Staat war. Verbündeter von Trump zu sein, ist eine gefährliche Angelegenheit. Die Kurden, die jahrelang die Hauptlast im Kampf gegen den IS geleistet haben, hat er durch den Abzug von US-Truppen den Türken ausgeliefert. Das heißt natürlich nicht, dass Soleimani auch ein treuer Vasall war, der schändlich verraten wurde. Es heißt, dass sich die USA bei der Suche nach Bündnispartnern nicht unbedingt nach ethischen Grundsätzen richten.
Mit Ghassem Soleimani wurde sicher kein Unschuldiger getroffen, aber strafrechtlich gesehen war der Anschlag Mord und ein Verstoß gegen das Völkerrecht. Dass sich der General selbst in der Regel nicht an solche Regeln hielt, spielt dabei keine Rolle. Terror kann nicht mit Terror vergolten werden. Ein freier Staat darf niemals die Methoden von Terroristen kopieren. Doch diese Regel gilt für die USA seit dem Anschlag auf das World Trade Center und das Pentagon vom 11. September 2001 nicht mehr. Trump hat im Prinzip nichts anderes gemacht als seine Vorgänger Barack Obama, George W. Bush und Bill Clinton. Der große Unterschied ist: Indem er einen der höchsten Militärs eines Landes töten lässt, mit dem er nicht im Krieg steht, überschreitet er sämtliche Grenzen.
Zunächst schien der Schaden übergroß. Kritik an der Aktion, Drohungen und Kopfschütteln bei den Nato-Partnern. Die irakische Regierung fordert alle ausländischen Truppen auf, das Land zu verlassen. Im Iran gibt es plötzlich keine Opposition mehr, zum einen wegen des Affronts, zum anderen, weil Soleimani über die Parteigrenzen hinaus beliebt war. Viele rechneten mit einer Eskalation im Mittleren und Nahen Osten. Trump drohte gar, iranische Kulturgüter zu zerstören. Das hat er sich wohl vom IS abgeschaut.
Dann kam die Reaktion des Iran. Raketen auf irakische Stützpunkte, die auch von US-Truppen genutzt werden. Es gab wohl weder Tote noch Verletzte. Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn sprach von „Deeskalation“, einem „Zeichen der Entspannung“. Der erfahrene Diplomat hat wohl Recht. Bisher gab es keine US-Gegenreaktion. Die iranische Führung will keinen Krieg. Sie schluckt die Demütigung und begnügt sich damit zu zeigen, dass das Militär in der Lage ist, US-Stützpunkte anzugreifen. Insofern hat Trump einen Punktsieg errungen. Er hat den Iran eingeschüchtert. Die Kriegsgefahr scheint vorerst gebannt.
Dazu hat er noch gewaltig Wahlkampfmunition. Neben dem IS-Führer Abu Bakr al-Baghdadi hat er jetzt einen weiteren Terror-Fürsten töten lassen. Das wird ihm ungeheuer wichtig sein. Sein ihm verhasster Vorgänger Barack Obama kann nur Osama bin Laden vorweisen. Man mag darüber den Kopf schütteln, aber Trump wird in diesem Jahr bei unzähligen Wahlveranstaltungen mit den Köpfen von al-Baghdadi und Soleimani prahlen.
Genau gesehen ist der Anschlag auf Soleimani ein weiteres Kapitel im unaufhaltsamen Abstieg der USA. Trumps Vorgänger Obama versuchte diesen zu stoppen. Es gelang ihm nur teilweise, nach acht Jahren sinnlosen Bush-Kriegen wieder Vertrauen aufzubauen. Aber zumindest die Verbündeten standen wieder hinter ihm. Trump hat alles in drei Jahren zerstört. Er kündigt Verträge auf und brüskiert enge Verbündete. Die USA sind nicht mehr das große freiheitlich-demokratische Vorbild, sondern einfach nur ein unzuverlässiger Partner auf der außenpolitischen Bühne.
Trumps Außenpolitik ist ein globales Desaster. Natürlich wünscht man sich manchmal ein klares Wort oder eine harte Kante. Immer diese diplomatischen Verrenkungen, die doch zu nichts führen. Viele bewundern Trump dafür, aber er scheitert mit allem, was er anfängt. Sein außenpolitisches Rezept ist äußerst simpel: maximaler Druck und Drohungen, dann Verhandlungsangebot und letztlich ein „guter Deal“. Geklappt hat das bisher nicht. Nordkorea wollte er in die Steinzeit bomben, dann schloss er eine persönliche Freundschaft mit dessen Diktator Kim Jong Un und dann herrschte Funkstille. Ein „Deal“, der Nordkorea davon abhält, die Bombe zu bauen, ist in weiter Ferne.
So wird es wohl auch auf der Baustelle Iran ablaufen. Teheran kuscht derzeit, wird sich aber kaum auf Washington zubewegen. Die US-Sanktionen treffen die Bevölkerung hart, aber der Mord an Soleimani dürfte deren Leidensbereitschaft erhöht haben. Die Gefahr eines Krieges zwischen den USA und dem Iran ist trotz der moderaten Reaktion Teherans noch nicht gebannt. Niemand weiß, was schiitische Milizen wie die Hisbollah, die jemenitischen Huthis oder Soleimanis Al-Kuds-Brigaden noch anrichten können. Und Trump ist in dieser Hinsicht auch unberechenbar: Wer wählt schon einen Präsidenten ab, der Krieg führt.
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