Urlaub im Schweizer Feriendorf
Von Geraldine Friedrich
Das auf Familien ausgerichtete Reka-Feriendorf Bergün liegt an der Rhätischen Bahn und inmitten des Naturparks Ela. Auch möglich: ein Abstecher in Heidis Bergwelt.
Bergün - Sie heißt Flurina und erobert Tims Herz im Sturm. Beide treffen sich erstmals vor dem Stall: Er streichelt, sie schnuppert, beide stellen fest: "Passt."
"Sie" ist eine Ziege, oder eine Geiß, wie die Schweizer sagen. Noch kurz zuvor hatte der 12-Jährige befürchtet, dass es sich bei dem Geißen-Spaziergang um langweiligen Babykram handeln könnte.
Junior und Eltern haben allerdings eher mit niedlichen Zicklein gerechnet, wie man sie aus dem Streichelzoo kennt - und nicht mit ausgewachsenen Tieren, die bis zu 70 Kilogramm wiegen.
Zum plötzlichen Stimmungswandel bei Tim trägt bei, dass Flurina nicht irgendeine Geiß ist, sondern die "Leitgeiß", wie Esther Raffainer betont, die Kinderbetreuerin im Reka-Feriendorf Bergün.
Damit ist die neun Jahre alte Ziege Chefin über fünf weitere Kolleginnen und einen Kollegen mit den schönen Namen Tulpe, Alma, Charlie, Carlotta und Tobi. Dass Raiffainer nun ausgerechnet Tim die Chefin anvertraut, beflügelt ihn in seiner Begeisterung.
Auf Familien eingestellt
Der Geißen-Spaziergang ist nur einer von vielen familientauglichen Freizeitvergnügen, die das Feriendorf der Schweizer Reisekasse (Reka) hier in den Bergen von Graubünden anbietet.
Bei der Organisation Reka handelt es sich um eine nicht gewinnorientierte Genossenschaft, der in der Schweiz rund ein Dutzend Feriendörfer in besten touristischen Lagen gehören und die auch einige familienfreundliche Hotels betreibt.
Das Besondere ist die familienfreundliche Logistik: Es gibt stundenweise Kinderbetreuung zu festen Uhrzeiten. Die ist im Unterkunftspreis enthalten. Bei der Buchung können Familien mit kleineren Kindern angeben, ob sie Dinge wie Flaschenwärmer und Buggy benötigen. Das spart Gepäck.
Und: Jedes Reka-Dorf hat ein Hallenbad. Ausnahme ist das Reka-Dorf Albonago im Tessin, welches nach einer grundlegenden Renovierung Mitte Juni wieder eröffnet. Dort gibt es aufgrund der warmen Temperaturen, oft bis in den November hinein, ein Freibad.
Alles im Zeichen der Bahn
Das Feriendorf in Bergün zählt mit seinen 33 Wohnungen eher zu den kleinen Anlagen und hat wie jedes Feriendorf ein eigenes Thema. Hier ist es die Rhätische Bahn, an der die Gemeinde Bergün Filisur direkt liegt. Sie wird deshalb auch als "Bahndorf" vermarktet.
Für die jungen Passagiere fährt eine Miniaturausgabe des Zugs zu festen Zeiten durch den Garten des Feriendorfs.
Ziege an der langen Leine
Der rund zweistündige Spaziergang mit Ziegen hat auch einen Bezug zum Ort: Bergüner Bauern halten sie seit jeher als Nutztiere.
Die Kinder müssen dabei einige Verhaltensregeln beachten. Eine davon lautet: Sie dürfen die Leine niemals um die Hand wickeln. Denn falls die Ziege zu stark zieht, müssen sie die Leine schnell loslassen können, damit ihre Hände nicht einschnüren oder sie stürzen.
Beim Loslassen der Leine springt die Geiß zwar weg, entfernt sich aber als Herdentier nie weit von der Gruppe. "Wir holen die Geiß dann an der nächsten Himbeerhecke. Das machen wir auch hundertmal, falls es nötig ist", sagt Esther Raffainer.
An einer gemähten Wiese stoppt sie plötzlich und lässt Mensch und Tier über die Wiese laufen. Die Kinder rennen vorneweg und juchzen, die Geißen sprinten hinterher. "Unsere Geißen kennen das und finden das auch recht spaßig. Aber das machen wir nur spontan, wenn ältere Kinder dabei sind und es passt."
Durchdachtes Wegekonzept
Der Geißen-Spaziergang beginnt am Stall, wo die Ziegen leben und führt in die idyllische Umgebung. Doch auch ohne Ziegen kann man mit Kindern die umliegenden Berge entdecken. Die Lage der Feriendörfer ist stets durchdacht, da kurze Wege gerade Familien mit kleinen Kindern das Leben erleichtern.
Kinderwagentauglich ist in Bergün der Holzweg: ein Themenweg mit Rätseln und Informationen zu Bergholz, Bergwald und Natur.
Nicht mit Kinderwagen machbar, aber durchaus kindgerecht ist eine Wanderung zum Zwergli-Stein im Naturpark Ela. Das ist ein riesiger gespaltener Stein. Bei dem Stein befindet sich ein kleiner Schrein, in dem ein Buch liegt, welches die Sage zum Stein erzählt.
Auf zur Heidi-Hütte
Zu anspruchsvolleren Wanderungen kann man mit wanderfreudigen Kids (oder während der Nachwuchs in der Kinderbetreuung ist) direkt ab der Ferienwohnung starten. Wahlweise lässt sich der Startpunkt per Bahn oder Bus erreichen. Direkt vor der Haustür beginnen zum Beispiel Wanderungen zu den Terrassendörfern Stuls und Latsch.
Etwas anstrengender ist die Tour per Bus nach Stuls um von dort nach Falein zu wandern, wo die Original-Heidi-Hütte aus dem Film von 1952 steht. Das Remake 2015 mit Bruno Ganz wurde ebenfalls in der Region gedreht, mit Latsch als Heidi-Dorf. Thementafeln am Weg berichten über die Hintergründe zu den Dreharbeiten.
Auf der Wanderung auf dem Bahnerlebnisweg entlang der Rhätischen Bahn fährt man kurz mit dem Zug nach Preda, um von dort entlang der Viadukte und Gleise entspannt bergab zurück nach Bergün zu laufen.
Anreise durchs Welterbe
Nach Bergün bietet sich eine Anreise per Bahn an. Die Strecke vom Bahnhof zur Unterkunft lässt sich mit Rollkoffer in gut 15 Minuten bewältigen. Zwar kann man als Selbstversorger nur wenige Lebensmittel einpacken.
Doch ein gut sortierter Supermarkt liegt nur zwei Gehminuten vom Reka-Feriendorf entfernt.
Zwei weitere Vorteile sprechen für die Bahn: Man reist als Familie nicht nur entspannt an, sondern "erfährt" bereits bei der Anreise ein Unesco-Weltkulturerbe: die Albula-Linie der Rhätischen Bahn.
(dpa/tmn)
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