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  • Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Zwischen den Bergen, mein Paradies

Bernd Imgraben verwirklichte sich mit „El Alemán“ in der Provinz San Juan

Von Catharina Luisa Deege

Bernd Imgraben - Sonia Perla Lavín
Weinreben und Sonne pur: Bernd Imgraben und Sonia Perla Lavín im Garten von „El Alemán“. (Foto: cld)

Buenos Aires/San Juan (AT) - Nachdem wir ein wenig durch seinen Garten laufen, hält Bernd Imgraben auf einmal an. Sein Blick geht in die Weite. „Von hier aus kann man die ganze Bergkette sehen“, erklärt er mir und fängt an, die Andenriesen zu benennen. Sogar auf den höchsten Berg des amerikanischen Doppelkontinents, den fast sieben Kilometer hohen Aconcagua, hat man vom Hotelgrundstück aus Sicht. Wir befinden uns im Nirgendwo, und doch habe ich das Gefühl, gerade genau am richtigen Ort zu sein.

Mitten in Barreal, einem Anziehungspunkt für Touristen im Bezirk Calingasta, hat der 80-jährige Bernd vor 20 Jahren ein kleines Paradies geschaffen. Es ist jedoch alles andere als überschaulich: Über ganze neun Hektar erstreckt sich die komplette Hotelanlage namens „El Alemán“, auf der Bernd selbst mit seiner Lebensgefährtin Sonia Perla Lavín wohnt.

Es ist ein Zufall, dass ich von „El Alemán“ bei einer privaten Reise in die Provinz von San Juan erfahre. Der Name hat mich jedoch - aus offensichtlichen Gründen - zu dem Restaurant hingezogen, mir wurde erzählt, dass ein „echter Deutscher“ den Betrieb leite. Und so habe ich während meines kurzen Aufenthaltes in der argentinischen Wein- und Wüstenprovinz sogar Leberkäse gegessen. Die Idee für den Namen hat Bernd von einem Freund aus San Juan bekommen. Der meinte: „Ihr müsst euch keinen Namen ausdenken, es liegt doch auf der Hand.“ Und Recht hat er.

Hotel
Eine Übernachtung im Hotel kostet zwischen 6000 und 9000 Pesos. (Foto: cld)

Anfänglich besaß der Hamburger lediglich ein Restaurant in einem anderen Teil des Tals, welches zum Anziehungspunkt für viele weitere in Argentinien gestrandete Deutsche wurde. Schnell sprach sich herum, dass sich ein Deutscher mit Geschick für Gastronomie in Barreal niedergelassen hat. Perla, die unserem Gespräch beiwohnt, wenn sie nicht gerade Kaffee serviert, Anrufe annimmt oder das Gemüse für den Tag entgegennimmt, erzählt, dass schließlich auch Deutsche aus Mendoza, San Luis und La Rioja kamen. Wie eine stille Post verbreitete sich die Nachricht.

Auf große Werbung für sein Restaurant und die Unterkunft setzte Bernd dabei nie: „Ich wollte keine Kette, sondern Insiderpunkt werden.“ Viele Deutsche, die zum Beispiel als Expats nach Argentinien kamen, blieben schließlich in Barreal. Ich falle aus allen Wolken, als wir im Garten stehen und von einem Nachbarn mit „Schönen guten Tag“ begrüßt werden.

Bernd selbst kam 1983 nach Buenos Aires. In seinem privaten Haus auf dem Grundstück des Hotelressorts hängen viele Gemälde mit Meer- und Bootsmotiven. „Man sieht, dass ich mal etwas mit der Schifffahrt zu tun hatte, nicht?“, scherzt er. Als gelernter Schiffsingenieur fand er damals schnell Arbeit in der argentinischen Hauptstadt. Als ich ihn frage, warum er seine Geburtsstadt Hamburg verlassen wollte, antwortet er plump: „Mir ging das Wetter auf den Wecker.“ Die Entscheidung auszuwandern bezeichnet Bernd als „abenteuerlich“ und erzählt zu seinen Anfängen in Argentinien: „Es war eine sehr harte Zeit.“ Probleme mit den Papieren, eine fremde Sprache und die kulturellen Unterschiede gestalteten den Einstieg in das neue Leben nicht einfach.

Terrasse
Frühstück auf der Terrasse der Unterkunft. (Foto: cld)

Geblieben ist der am 18. Mai dieses Jahres 80 Jahre alt gewordene Norddeutsche trotzdem: „Ich wollte nicht als gescheiterter Auswanderer zurückkommen.“ Mitte der 90er Jahre entschied sich Bernd dazu, sein Leben noch einmal umzukrempeln. Er gab seinen Job am Hafen von Buenos Aires auf und eröffnete eine Bar im Stadtzentrum, den „Warsteiner Biergarten“. Fünf Jahre lang lernte er dort „das Gute und Schlechte“ der Menschen kennen, traf Piloten, Politiker, andere Ausgewanderte - und Perla.

Die Tierärztin aus La Pampa und Bernd entschieden sich im Jahr 2001, in das 2000-Einwohnerdorf Barreal in den Voranden zu ziehen. Der Ort war ihnen bereits vorher durch Wanderreisen bekannt. Somit verkaufte das Paar schweren Herzens das gemeinsame Haus in San Telmo und widmete sich dem sanjuaninischen Tourismusgewerbe. Seitdem ist der aus St. Pauli stammende Hotelbesitzer nicht mehr nach Deutschland zurückgereist. Gerade ist jedoch Bernds und Perlas gemeinsame Tochter Victoria bei der Familie in der Bundesrepublik zu Besuch. „Das ist meine Sonne“, bezeichnet er die 18-Jährige liebevoll.

Groß geworden ist Victoria in dem idyllischen Dorf am Río de los Patos. Nachdem ihr Vater zunächst Erfolg mit dem ersten Restaurant verzeichnete, entschloss er sich, eine großflächige Obstplantage mit spektakulärer Aussicht zu erwerben. Mit viel Blut und Schweiß entstanden dort verschiedene Bauplätze, mehrere Hotel-Apartments und ein traumhafter Garten. Es ist nicht zu übersehen, dass Bernd immer noch Fan seiner Anlage ist. Das Restaurant und die Hotelzimmer sind rustikal eingerichtet. Gemütlich, als befände man sich in einer bayrischen Almhütte; nur, dass statt der Alpen die Anden zu sehen sind.

Barreal
Barreal ist in den Voranden eingebettet. (Foto: cld)

Die Pandemie trifft den Betrieb des Deutschen jedoch hart. Nur 50 Prozent des Hotels durfte er im Sommer belegen, von den kälteren Jahreszeiten ganz zu schweigen. Das Paar musste auf Ersparnisse zurückgreifen. Ans Aufhören scheint der 80-Jährige trotzdem nicht zu denken: Noch steht er selbst in der Küche, erzählt mir sogar von neuen Projekten für die Unterkunft. Bernd Imgraben hat mit seiner Auswanderung Mut bewiesen, und das zahlt sich aus: Mit dem hanseatischen Schietwetter hat er in der sonnigen Provinz gewiss nichts mehr am Hut.



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