Endlich wieder fast normales Studentenleben
Von Elena Estrella Wollrad
Buenos Aires (AT) - Müde, aber zufrieden steige ich in Cabildo in die Buslinie 59 Richtung Constitution. Während der langen Busfahrt lese ich noch die letzten Texte und sortiere meine längst überfällige Hausarbeiten für dieses Semester. Die warmen Sonnenstrahlen dieses schwülen Sommermorgens scheinen durch die dreckigen Bus-Fenster, und mir fällt auf, dass ich mein erstes "normales" Unijahr hinter mir habe.
Das lange Warten und Hoffen hat ein Ende. Anfang dieses Jahres öffnete die Universidad de Buenos Aires wieder ihre Türen um ihre Studenten*innen willkommen zu heißen. Endlich wieder Seminare und Veranstaltungen in Präsenz. Endlich fing mein normales Studentenleben an, doch dennoch war es nicht ganz so, wie ich es mir vorgestellt habe.
Nach knapp zwei Pandemie-Jahren entschloss sich die UBA, unter Einhaltung der Maskenpflicht, die Hörsäle anfangs des Jahres fast wieder vollständig zu füllen.
Studieren hieß dann wieder gemeinsam zu lernen und zu diskutieren und nicht einsam zuhause zu sitzen. Doch ich kannte es ja kaum anders. Im März 2021 begann ich mein erstes Universitätssemester, im Pyjama und bequem vom Bett aus nahm ich an meinem ersten Uni-Kursus teil. Für uns Erstis (Erstsemesterstudenten) gehörte es damals zum Alltag, an der Vorlesung aus der Küche am Laptop teilzunehmen. Bei Vorlesungen um 7 Uhr war ich schon dankbar, meine Wohnung nicht verlassen zu müssen. Doch um 13 Uhr ist man ausgeschlafen - auch als Student. Und das Bedürfnis, die Uni zu betreten, ist noch viel größer. Komplett unmotiviert sehnten wir uns danach, den Campus unserer jeweiligen Universitäten kennenlernen zu dürfen. Und die Uni-Erfahrung zu erleben, von der man uns so oft erzählt hat.
Präsenzlehre nach zwei Jahren Onlinestudium kam mir noch ganz seltsam vor. Schließlich betrat ich das Universitätsgebäude, das ich nur vom Bildschirm kannte, zum ersten Mal.
Präsenzlehre nach zwei Jahren Onlinestudium kam mir noch ganz seltsam vor. Schließlich betrat ich das Universitätsgebäude, das ich nur vom Bildschirm kannte, zum ersten Mal. Die Rückkehr der Präsenzuni fühlt sich fast so an wie mein erster Schultag, nur ohne die Schultüte. Alles war mir so unbekannt, sowohl das Gebäude als auch die Menschen. Doch auf die neuen Gesichter freute ich mich riesig. Online hatte ich zwar viel Inhalt vom Studium zu verfügen, doch nichts drumherum. Zwischen Zoom-Gesprächen und Email-Austausch geht ganz viel zwischenmenschlich flöten. Die ersten Vorlesungen war ich bereits um meine fehlende Konzentration und schnelle Ablenkbarkeit besorgt. Und sogar vor meiner ersten Präsenz-Prüfung hatte ich großen Bammel. Als ob ich in dieser kurzen Zeit verlernt hätte, wie sowas ging. Doch nach und nach bessert sich das auch.
Fast täglich Subte- oder Busfahrten nach Constitución, Avenida Santa Fe hinunter und am Obelisken entlang. Der Übergang von daheim bleiben, auf das ständige von A nach B hetzen, war eine überwältigende Anpassung für mich. Von Zuhause in die Uni, von der Uni zur Arbeit und von der Arbeit wieder nach Hause. Endlich hatte ich die Routine wieder, die mir während Corona so gefehlt hatte. Doch es war anstrengend. Wer hätte gedacht, dass mir das ganze Hin und Her Mitte des Jahres zu viel werden könnte, und ich sogar die Online-Uni bevorzugen würde. Doch nach den ersten Pausen und Gesprächen mit Kommilitonen, die schnell zu Freunden wurden, verließ auch dieser Gedanke im Nu meinen Kopf.
Im Fazit kann ich aber bestätigen, dass man dank der Präsenzlehre viel mehr lernt. Schließlich geht es bei der Uni-Erfahrung ja nicht nur um akademischen Inhalt, sondern auch um den sozialen Austausch zwischen Studenten*innen.
Nach einem fast normalen Sommersemester hoffe ich nun auf ein weiteres normales Wintersemester im nächsten Jahr, das uns wieder ein großes Stück Normalität zurückgibt.
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