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Zur falschen Zeit am falschen Ort

Im Gespräch mit „Julia no te cases“-Regisseur Pablo Levy

Von Catharina Luisa Deege

Pablo Levy
Filmemacher Pablo Levy. (Foto: Pablo Levy)

Buenos Aires (AT) - Pablo ist der jüngste von vier Söhnen. Zwischen seinem ältesten Bruder und ihm liegen 16 Jahre. „Ich wurde in eine Familie mit langer Vorgeschichte hineingeboren“, erklärt der Regisseur von „Julia no te cases“ (deutsch etwa: „Julia, heirate nicht“) im Interview mit dem Argentinischen Tageblatt. Pablo Levy war neugierig, hakte bei seiner Mutter nach - und schließlich wurde aus über vierzehn Stunden Telefongespräch ein bewegendes Drama, in dem es über viel mehr als nur private Familienanekdoten geht.

„Ich hätte nie gedacht, dass ich so viel finden würde“, so Pablo. Der 1987 in Buenos Aires geborene Filmemacher konnte aus den Erzählungen seiner Mutter eine interessante Figur herausfiltern. Julia und sein Vater, der im Film „Negro“ genannt wird, waren laut Levy „Opfer eines Paarmodells“, welches im früheren Argentinien als Norm galt. Jung geheiratet, bald darauf das erste Kind, und ständig unter Beobachtung der Verwandten. Pablos Mutter habe damals, Mitte der Siebzigerjahre schon gemerkt, dass dieses traditionelle Konzept von Ehe und Familie nicht für sie gemacht war: „Aber sie war sehr allein damit.“

Damals gab es noch kein Handbuch für das Loslösen von fest verankerten Strukturen. Sie haderte mit sich selbst, trennte sich, erntete Spott, lernte andere Männer kennen, bekam noch einen Sohn mit Negro. „Für Julia war es damals schwierig. Heutzutage reden wir über Feminismus, Frauenrechte, Empowerment. Von ihr zu verlangen, sich im Jahr 1975 scheiden zu lassen, war eine ganz andere Sache.“

Das Soundbett des Films bilden die Ausschnitte aus den Telefongesprächen mit Levys Mutter. Diese wusste zu dem Zeitpunkt noch nicht, dass Pablo den netten Plausch mit ihr aufzeichnete. „Wenn ich das alles mit ihrem Einverständnis aufgenommen hätte, wäre wahrscheinlich nicht dasselbe dabei heraus gekommen“, so der Regisseur. Zu den Audio-Mitschnitten gibt es in dem 60-minütigen Dokumentarfilm Fotos und Videoaufnahmen von Julia bei Familientreffen, Bar-Mizwas, Hochzeiten und Reisen zu sehen, die Levy mithilfe von Verwandten und Freunden mühsam sammelte.

Julia no te cases
Der Dokumentarfilm „Julia no te cases“ ist Teil des diesjährigen BAFICI. (Foto: Pablo Levy)

Vom ersten Telefonat bis zur Premiere vergangenen Dienstag auf dem Buenos Aires Festival Internacional de Cine Independiente (BAFICI) vergingen zwei Jahre. Im Kinosaal war auch Julia Azar, die Protagonistin des Langfilms anwesend. Levy erinnert sich, seine Mutter ermahnt zu haben: „Jetzt gibt es kein Zurück mehr.“ Die Premiere habe Pablo erfrischt, die Reaktionen fremder Leute, die über seine eigenen Familienerinnerungen schmunzelten und mit Julia litten und lachten, bewegten ihn. Und: „Nach der Premiere wage ich zu behaupten, dass der Film auch einige komödiantische Züge hat.“

„Julia no te cases“ ist weitaus mehr als das Porträt einer argentinischen Mutter und Ehefrau. „Da ist eine Geschichte, eine Erzählung, ein Konflikt, aber das Thema ist ein anderes. Das Thema ist nicht meine Familie. Das Thema ist viel größer“, erklärt Pablo. Als Zuschauender werde man mit patriarchalischen Vorschriften, der Suche nach dem Glück und der Begierde konfrontiert. Der Film sei auch ein Ansporn, zu überdenken, wo man selbst im Leben steht.

Der Autorenfilm ist Pablo Levys fünftes Werk und wahrscheinlich auch sein persönlichstes. „Es ist ein Film, den ich selbst gefunden habe und der mich gefunden hat“, so Levy. Der Regisseur und ausgebildete Schauspieler hat es geschafft, mit viel Gefühl, Kreativität und Charme das Leben seiner weisen und urkomischen Mutter festzuhalten, und dabei einen kurzweiligen Dokumentarfilm geschaffen, der einen auch noch lange nach dem Kinobesuch beschäftigt.


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