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Zu schön, um wahr zu sein

Kritik zu „Der Maulwurf - Ein Detektiv im Altersheim“ von Maite Alberdi

Von Catharina Luisa Deege

Sergio Chamy
Sergio Chamy spielte in dem chilenischen Film einfach sich selbst. (Foto: Netflix)

Buenos Aires (AT) - „Ich bin überzeugt, dass die Realität voller außergewöhnlicher Geschichten steckt“, erklärt die chilenische Regisseurin Maite Alberdi in einem Interview mit Netflix, dem Portal, auf dem ihr Dokumentarfilm „Der Maulwurf - Ein Detektiv im Altersheim“ (Original: El agente topo), zu sehen ist. Und sogar über den roten Teppich der diesjährigen Oscars durfte die 38-Jährige schleifen. „El agente topo“ war in der Kategorie „Bester Dokumentarfilm“ nominiert, das goldene Männchen gewann am Ende jedoch der südafrikanische Film „Mein Lehrer, der Krake“. Kein Grund zur Trauer: Das chilenische Filmprojekt erhielt unter anderem Unterstützung aus Deutschland, Spanien und den Niederlanden und gewann schon im September vergangenen Jahres auf dem Festival de Cine de San Sebastián in der Sparte „Bester europäischer Film“.

Maite Alberdi beweist in „El agente topo“ bestens, dass gerade die Realität voller ungewöhnlicher Geschehnisse ist. In dem anderthalbstündigen Werk begleitet der Zuschauende den Mitte-Achtzig-Jährigen Sergio Chamy bei einer verdeckten Ermittlung in einem chilenischen Altersheim. Die Tochter einer der Heimbewohnerinnen mutmaßt, dass dort missbräuchliches Verhalten gegenüber ihrer Mutter an den Tag gelegt wird.

Die chilenische Regisseurin begleitete mitsamt Kamera- und Produktionsteam von der Suche nach dem Agenten bis zum Rechercheergebnis alle Prozesse, die Hauptdetektiv Rómulo Aitken ins Leben rief. Während Sergio beim Coaching noch völlig hilflos eine Sprachaufzeichnung mit einem Telefonanruf verwechselt, findet er sich gegen Mitte des Films gut in seine Detektiv-Rolle ein. Gerade seine unbewusst drollige Art und der zarte Umgang mit den anderen im Altenheim lebenden macht „El agente topo“ so rührend.

Es ist an vielen Stellen schwer zu glauben, dass es sich um keine fiktiven Charaktere und Szenen handelt, so rund wirken sie. Alberdi erklärt, dass sie eben wie eine echte Detektivin arbeiten musste: abwarten, und wenn es so weit ist - zuschlagen. Das heißt, es wurde viel Material gefilmt, manches davon verdeckt. Und das Spannende, Berührende, was mit der Kamera eingefangen wurde, fand seinen Platz im Film. Allein die Szene, in der Sergio den Umgang mit seinem Detektiv-Smartphone erlernte, dauerte in Wirklichkeit 6 Stunden; im Film sehen wir den Prozess in gerade einmal zwei Minuten.

„El agente topo“ schafft es, einen kohärenten Handlungsstrang mit einer breiten Einsicht in die verschiedenen Gefühlswelten der Heimbewohner*innen zu vereinen. Der Zuschauende ist durchweg gespannt, ob tatsächlich Hinweise auf Missbrauch auftauchen, während man gleichzeitig die einzelnen Lebensrealitäten bejubelt oder bemitleidet. Sergio nimmt sich während seiner dreimonatigen Inspektion viel Zeit, um sich ein umfangreiches Bild vom Heimleben zu machen. Zwischen Kleptomaninnen, Verliebten und Depressiven wird die Welt des Altenheims unverblümt und urkomisch dargestellt. Man kann sich sicher sein: Keine fiktives Werk hätte diese Geschichte besser erzählen können.


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