Zwei Autoren berichten von ihren Reisen
und einzigartigen Begegnungen
Von Karoline Richter
Buenos Aires (AT) - „Ich mag es, wie die deutsche Sprache Wörter zusammenfügt und ihnen eine neue Bedeutung gibt“, sagte der bekannte argentinische Schriftsteller Jorge Luis Borges einst im Gespräch mit der langjährigen Tageblatt-Kolumnistin Marion Kaufmann. „‘Weltanschauung‘ etwa, das Wort lässt sich kaum übersetzen. Oder ‚Nebelglanz‘ - eine Art Geisteszustand, den keine andere Sprache so auszudrücken vermag.“ Veröffentlicht hat Kaufmann dieses sehr persönliche, mehrseitige Interview mit dem Weltbürger Borges, der Deutsch nicht nur studiert, sondern dem Deutschen sogar ein Liebesgedicht gewidmet hat („dich aber, milde Sprache Deutschlands, habe ich selbst erwählt“) in ihrem aktuellen Buch „Reportera en viaje“ (Wolkowicz Verlag).
Anders, als es der Buchtitel zunächst vermuten lässt, hat die Deutsch-Argentinierin in ihrem sehr unterhaltsamen Sammelband nicht nur bisweilen bewegende, teilweise auch witzige und kurzweilige Reisereportagen, sondern auch Interviews zusammengestellt, die die mittlerweile 96-jährige Journalistin im Laufe ihres Lebens geführt hat: darunter auch Begegnungen mit der südafrikanischen Literaturnobelpreisträgerin Nadine Gordimer, dem israelischen Schriftsteller Amos Oz oder der deutsch-französischen Journalistin Beate Klarsfeld, besser bekannt als die „Nazi-Jägerin“.
Erschienen ist Kaufmanns Buch in spanischer Sprache gegen Ende der Pandemie 2021. Am vergangenen Mittwoch stellte sie es in Buenos Aires erstmals einem größeren Publikum vor. Begleitet wurde sie von Raúl Marán, einem Orthopäden und Traumatologen, der sein spanischsprachiges Reisetagebuch ebenfalls im Wolkowicz Verlag herausgegeben hat. Der argentinische Arzt berichtet darin von seiner Arbeit für Ärzte ohne Grenzen und andere Hilfsorganisationen in den Kriegs- und Krisenregionen dieser Welt, darunter Afghanistan, die Demokratische Republik Kongo, der Libanon und der Jemen („Código Rojo - Relatos de un Cirujano de Guerra“).
„Raúl und ich, wir sind beide neugierig“, sagt Marion Kaufmann, die 1926 in Berlin geboren wurde und im Alter von elf Jahren zusammen mit ihrer Familie auf der Flucht vor den Nazis nach Buenos Aires emigrierte, bei der Buchvorstellung. “Unsere Themen sind die Reisen. Allerdings will ich - im Gegensatz zu Raúl Marán - niemandem helfen. Ich beobachte nur gerne.“
Im Alter von 30 Jahren fing Kaufmann beim Argentinischen Tageblatt an. Erst schrieb sie Filmkritiken, später Reisereportagen. Sie fuhr auf die Malwinen, um über ihren Neffen Roberto Herrscher zu recherchieren, der als Soldat auf den Malwinen gekämpft und später ein Buch darüber geschrieben hatte. Sie reiste nach Südafrika, um sich mit Nelson Mandelas Gefängniswärter über die Haftanstalt auf Robben Island zu unterhalten. Und sie besuchte die Wüste Kalahari („Klingt das Wort nicht wie Musik?“), in der sich hin und wieder ein einzigartiges Naturschauspiel ereignet: Wenige Regentropen verwandeln die scheinbar ausgedörrte Landschaft in ein Meer aus Blüten. Tatsächlich ist es diese Reise, an die sich Kaufmann am liebsten erinnert. Alle diese Erlebnisse hat sie in ihrem Buch notiert, über das der Autor Marán bewundernd sagt, es sei sehr lebendig geschrieben: „Als säße der Leser gemeinsam mit Borges in dessen Wohnzimmer.“
Tatsächlich hat Kaufmann den begeisterten Motorradfahrer und Tauchlehrer Marán vor einiger Zeit für das Argentinische Tageblatt interviewt. An dem Abend der Buchpräsentation stellen sie ihre Werke nun wechselseitig vor. „Warum bist Du nach Afghanistan gegangen?“, will Kaufmann von Marán wissen. „Warum bleibst Du nicht in Buenos Aires und gehst abends ins Kino?“ Marán antwortet freimütig: „Nach 30 Jahren als Arzt an hiesigen Krankenhäusern war mir klar, ich verbringe zu viel Zeit mit Bürokram. “ Er habe den Menschen schnell und unkompliziert helfen wollen.
Wie er mit sprachlichen und kulturellen Hürden umgegangen sei, will Kaufmann wissen. Da erinnert sich Marán an ein Erlebnis in der Demokratischen Republik Kongo: Er habe sich dort mit seinen einheimischen Patienten und Kollegen kaum verständigen können. Einmal habe eine kranke Frau bitterlich weinend auf dem Krankenhausflur gesessen. Ihr Mann hatte sie wohl verlassen. Da habe Marán sie einfach nur in den Arm genommen. „Es braucht nicht immer eine gemeinsame Sprache“, sagt Marán. “Manchmal geht es auch ohne Worte.“
Raúl Marán: „Código Rojo. Relatos de un cirujano de guerra”. Wolkowicz Editores, 3.000 Pesos.
Marion Kaufmann: „Reportera en viaje.“ Wolkowicz Editores, 2.000 Pesos.
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