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Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Wort zum Wochenende: Jahreswechsel

Von Pastorin Karin Krug

Ich wollte etwas ganz Schlaues zum Jahreswechsel schreiben. Aber da wird wohl nicht viel draus. Ich wollte das fast vergangene Jahr noch einmal Revue passieren lassen, Höhen und Tiefen bedenken, aber irgendwie geht es nicht und außerdem hat jeder seine ganz persönlichen Erfahrungen gemacht. Es wäre wunderbar, wenn wir uns darüber austauschen könnten. Mancher ist froh, dass dieses Jahr zu Ende geht, wie wenn in der Nacht vom 31. Dezember zum 1. Januar, quasi mit einem Zauberstab, etwas vollständig Neues entstehen würde. Hat die Pandemie uns ein Jahr gestohlen, so dass wir es als ganz und gar verloren abbuchen müssen? Wie man dazu steht, hängt wahrscheinlich auch vom Alter ab. Und von den Erwartungen, die durchkreuzt wurden und von denen es schwer fällt, sich zu verabschieden. Wahrscheinlich auch davon, wie schwer der Verzicht auf liebgewordene Gewohnheiten, Dinge und Pläne wiegt. Und natürlich, der Verlust eines lieben Menschen ist eine extreme Erfahrung, die man nicht einfach wegsteckt, vor allem wenn die Trauerarbeit durch die Situation erschwert wird. Trauerarbeit ist harte Arbeit. Vielleicht müssen wir, auch wenn wir vor dem Verlust eines lieben Menschen verschont geblieben sind, eine Art Trauerarbeit im Hinblick auf das vergange Jahr leisten. Das stellt uns vor die Aufgabe, irgendwann zu entscheiden, welche Dinge wir dankbar im Gedächtnis behalten und welche wir ablegen, abgeben, ja ver-geben sollten. Ich möchte auf jeden Fall die Erfahrung großer Solidarität nicht aus dem Gedächtnis streichen. Das ist doch wahrhaftig ein wunderbares Erlebnis, wie Menschen zueinander standen und einander geholfen und ermutigt haben. Wir haben plötzlich auch entdecken müssen, dass wir manches doch einfach zu selbstverständlich hinnehmen, wenn alles „normal“ vor sich geht. Wir haben gemerkt, dass vieles einfach ein Geschenk des Lebens und Gottes ist und nicht etwas Verdientes und Selbstverständliches. Auch die Möglichkeit, Kreativität zu entdecken, die unter normalen Umständen nicht gefordert und gefördert worden wäre. So gibt es doch manches was wir durchaus als positiv werten können. Ich musste oft an die Worte einer 90-jährigen Frau denken, die mir sagte: „Meine Stabilität besteht in meiner Flexibilität“ Ein wunderbares Wort. Wer sich versteift, kann brechen. An Bäumen sehen wir das. Wenn sie stocksteif dem Sturm ausgesetzt wären, würden sie brechen. Aber sie geben dem Wind nach, bewegen die Äste und bleiben stehen (im Allgemeinen zumindest).

Der am 9. April 1945 von den Nazis hingerichtete evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer, schrieb Ende 1944 aus der Berliner Gestapo-Haft an seine junge Verlobte Maria von Wedemeyer ein Gedicht, das dann Aufnahme gefunden hat in unseren Gesangbüchern:

Von guten Mächten wunderbar geborgen,

erwarten wir getrost, was kommen mag.

Gott ist bei uns am Abend und am Morgen

und ganz gewiss an jedem neuen Tag.


Ich wünsche uns allen diese heitere Gelassenheit und tiefe Geborgenheit.

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