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  • Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Wort zum Wochenende: Hüte deine Zunge

Von Pastorin Karin Krug

Es gibt neuere Wörter, die sich schon einen Platz in unserem Wortschatz erobert haben. Wer weiß zum Beispiel nicht, was „Fake news“ sind? Ein weiteres Wort ist „Hate Speech“. Es kommt aus dem Englischen und heißt - wörtlich übersetzt -: Hassrede. Es meint eine hasserfüllte, andere abwertende Redeweise, die die Würde der anderen nicht ernst nimmt. Hate Speech ist unsachlich, vereinfachend, aggressiv, herablassend, unbarmherzig, mitleidslos. Das Phänomen scheint sich auszubreiten. In unserem Land - aber auch weltweit - verroht die Sprache zunehmend, zumindest scheint es mir so. Das beginnt mit der Abqualifizierung anderer Meinungen und derer, die diese Ansichten aussprechen. Das kann man im politischen Geschehen beobachten, aber auch im täglichen Miteinander. Die sozialen Medien bieten durch ihre Anonymität geradezu ein ideales Feld, andere herabzusetzen, sie mit den rohesten Titeln zu belegen.

Kampfbegriffe machen sich im Sprachgebrauch breit, die Grenzen des Sagbaren verschieben sich. Diskriminierende Witze werden mit Beifall bedacht, Lügen oder Halbwahrheiten verbreitet, Übertreibungen und Verallgemeinerungen sind gang und gäbe; da werden andere überschrieen, lächerlich gemacht, bedroht, belogen, emotional erpresst, manipuliert, verleumdet. Plutarch, dem griechischen Schriftsteller und Philosophen, wird der Satz zugeschrieben: „Audacter calumniare, semper aliquid haeret“, das heißt „Verleumde nur dreist, etwas bleibt immer hängen.“

Irgendwann gehört Hassrede zum normalen Reden und fällt gar nicht mehr auf. Aber wer aggressiv und hasserfüllt redet, denkt auch so. Und irgendwann handelt er auch so. Es ist nicht möglich, gewalttätige Worte zu verwenden und dann liebevoll zu handeln.

So warnte Gandhi: “Säe einen Gedanken und du erntest eine Tat, säe eine Tat und du erntest eine Gewohnheit, säe eine Gewohnheit und du erntest einen Charakter, säe einen Charakter und du erntest ein Schicksal.”

Verrohung beginnt immer in der Sprache.

Das achte Gebot spricht das an: „Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten.“ In seinem Kleinen Katechismus legt Martin Luther das so aus: „Wir sollen Gott fürchten und lieben, dass wir unsern Nächsten nicht belügen, verraten, verleumden oder seinen Ruf verderben, sondern sollen ihn entschuldigen, Gutes von ihm reden und alles zum besten kehren.“

Da wird viel verlangt, nicht wahr? Aber die Liebe zur Wahrheit schafft Vertrauen und ein Klima der Sicherheit. Mit der Lüge, dem Betrug und falschen Versprechungen besteht keine Chance, eine bessere Welt aufzubauen.

Disziplin ist heute ein verpöntes Wort. Nun, wir haben nicht so gute Erfahrungen gemacht mit der allzu schnellen, unkritischen Anwendung von Disziplin. Aber ohne Selbstbeherrschung geht es nicht, wenn ein menschliches Miteinander gelingen soll. Heute habe ich es mit Plutarch: „Die Denkfertigkeit bleibt nicht gleich rege, wenn man sich gehen lässt.“ Das bedeutet, dass die Verrohung der Sprache in unbeherrschten Ausbrüchen das verantwortliche und kritische Denken schwächt und zur unbeherrschten Tat führt.

„Hüte deine Zunge“, so empfiehlt es der Psalm 34 allen, „die Leben begehren und gute Tage sehen“ wollen. Und das wollen wir doch alle, oder?

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