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Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Wort zum Wochenende

Von Pastorin Karin Krug

Ja, damals ...

Man sagt, das erste Anzeichen von Altern zeigt sich, wenn man einen Freund trifft und zu ihm sagt: „Weißt du noch, damals? Ach, man müsste nochmal so jung sein.“ Es scheint eine natürliche Veranlagung des Menschen zu sein, zu denken, dass die vergangene Zeit besser war als die Gegenwart. Daraus ergibt sich eine Melancholie und Nostalgie, die unsere permanente Unzufriedenheit nährt. Immer wieder hört man ältere Menschen klagen, dass die heutige Jugend ganz schlimm und verdorben sei. Ich glaube, wenn wir so urteilen, verurteilen wir als Eltern und Ältere uns selbst, denn wir haben diese Jugend erzogen...

Unsere Eltern sagten genau dasselbe von uns als wir jung und aufmüpfig waren. Persönlich meine ich, dass meine Kinder weit bessere Jugendliche sind, als ich es war. Meine armen Eltern hatten es nicht leicht. Da hab ich zum Beispiel... Nein. Das werde ich nicht erzählen! Man sagt ja, dass sobald Gras über eine Sache gewachsen ist, sicherlich ein Kamel daher kommt und es abfrisst. Ich werde also nicht mein eigenes Kamel sein. Jedenfalls: so beispielhaft wie wir es aus der Distanz sehen, waren wir nicht.

War früher alles besser? Das ist so relativ. Das Gedächtnis ist manchmal sehr selektiv. Bestimmt war das Leben einfacher. Ich habe tiefes Mitgefühl mit jungen Menschen, denn es ist für sie sehr schwierig in einer so komplizierten Welt ihren eigenen Weg zu finden. Das halte ich mir immer vor, wenn jemand sagt: „Altwerden ist schwer“. Ich glaube, heute ist Jungsein sehr schwer. Und wenn man sagt, die heutige Zeit sei so voller Gewalttätigkeit, denke ich an meine Kindheit im schönen Dorf Hohenau in Paraguay. In den Familien, im Dorf und im Land gab es viel Gewalttätigkeit und Missachtung, es gab Mord und Totschlag. Es war gewiss keine friedlichere Zeit.

Jedenfalls, ich möchte nicht nochmal zwanzig sein. Ich möchte überhaupt nicht noch mal die alten Wege und Irrwege gehen wollen. Es ist gut so, wie es ist. Ich würde nicht gerne in der Zeit der Römer gelebt haben. Als Predigerin des Evangeliums hätte man mit mir vielleicht den Löwen in der Arena einen Festschmaus bereitet. Ich würde auch nicht gerne im Mittelalter gelebt haben, als Frau schon gar nicht. Vielleicht wäre ich als Hexe auf dem Scheiterhaufen gelandet oder mit 14 am Kindbettfieber gestorben. Oder an der Schwarzen Pest, die seit 1347 mit schöner Regelmäßigkeit alle sieben Jahre über die armen Menschen einbrach und mindestens ein Drittel (oder stellenweise bis zu 60%) der mitteleuropäischen Bevölkerung dahingerafft hat. Die hygienischen Verhältnisse, die mangelhafte Medizin, der 100-jährige Krieg... Das Mittelalter fasziniert mich ungemein, aber damals leben, nein, das würde ich nicht gerne, vor allem da ich weder die Herrin einer Burg, noch fahrender Ritter, weder Troubadour noch Äbtissin eines Klosters wäre, denn das waren die Einzigen, denen es passabel ging.

Auch das Zeitalter der Pharaonen ist nicht mein Ideal, ich ließe mich nicht gerne zum Pyramidenbau pressen. Die Zeit der Griechen, so interessant sie ist, würde ich nicht wählen, schon allein deshalb nicht, weil ich der unsportlichste Mensch auf Gottes Erdboden bin und gewiss beim Marathon oder dem Diskuswerfen keinen Lorbeerkranz erringen würde.

Es würde mir nicht gefallen, wenn die Zeit der Sklaverei wiederkäme. Oder die der Völkerwanderung. Obwohl: sind das wirklich überwundene, ferne Zeiten? Die Sklaverei trägt heute ein anderes Kleid und die Völkerwanderung hat erst angefangen...

Jedenfalls: für mich stimmt das nicht, dass vergangene Zeiten glücklicher waren oder dass wir das Beste hinter uns haben. Schon der Prediger Salomo sagte: „Sprich nicht: Wie kommt`s, dass die früheren Tage besser waren als diese? Denn du fragst das nicht in Weisheit“ (7,10)

Vergangene Zeiten waren so gut und so schlecht wie die heutige. Die Menschheit ändert sich wenig. Sie hat immer noch die gleichen Wünsche und Sehnsüchte, Makel und Miseren.

Und wenn wir in der Vergangenheit manches gelitten und erlitten haben... morgen kann sich alles ändern. Jeder neue Sonnenaufgang bringt neue Chancen und Hoffnungen. Das Beste kann noch kommen. Schließlich sind wir nicht auf uns allein gestellt. In seinen Klageliedern sagt der Prophet: „Die Güte des HERRN ist's, dass wir nicht gar aus sind, seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende, sondern sie ist alle Morgen neu, und seine Treue ist groß.“ In dem Sinne lädt das Kirchenlied ein: „Vertraut den neuen Wegen, auf die uns Gott gesandt! Er selbst kommt uns entgegen. Die Zukunft ist sein Land. Wer aufbricht, der kann hoffen in Zeit und Ewigkeit. Die Tore stehen offen. Das Land ist hell und weit.“

Ich lass mich überraschen.

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