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  • Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Wort zum Wochende: Wüste

Von Pastorin Karin Krug

Alle paar Jahre liest man die erstaunliche Nachricht über ein einzigartiges Schauspiel der Natur: Die Wüste blüht! Im Durchschnitt geschieht das alle 7 oder 10 Jahre, manchmal auch öfter. Selbst in der trockensten Wüste der Welt, der Atacama, erscheint eine unglaubliche Vielfalt von Blumen. Und dann kommen die Schmetterlinge und die Vögel. Viele Wüstenpflanzen sind an diese extremen Bedingungen angepasst. Sie besitzen Samen mit dicker Schale, mit der sie teilweise jahrzehntelang im Wüstenboden überdauern können. Fällt ausreichend Regen, entwickeln sie sich in kurzer Zeit zu erwachsenen Pflanzen und zur Samenreife. Bisweilen tauchen auch Arten auf, die man für ausgestorben hielt, die aber im Untergrund noch vorhanden waren.

Das ist wunderbar hoffnungsvoll. Wo alles tot und unfruchtbar scheint, ist Leben verborgen, das ans Licht drängt. Es braucht nur ein wenig Wasser.

Ich möchte mir das einmal anschauen. Aber als Lebensraum kann ich es mir als Paraguayerin, die an das üppige Grün der Vegetation gewöhnt ist, nicht vorstellen. Es gibt Völker, die an diese extremen Bedingungen angepasst sind. Bei einer Fahrt durch eine Wüste im Nahen Osten konnte ich das sehen. Unweit vom Straßenrand standen große, zu dickem Stoff gewebte Zelte der Beduinen. Wie vor Jahrtausenden sind sie Halbnomaden. Nach einem uralten System legen sie mit ihren Ziegen, Schafen und Kamelen die für jede Gruppe festgelegte Route zurück. Erstaunlich, dass sie beim Aufbruch nicht allen Besitz mitnehmen. Die Zelte werden zusammengelegt und in der Gabelung einer Akazie oder eines Strauches festgebunden. Wie ist das möglich? Wenn sie zur nächsten Etappe ihrer Wanderung kommen, finden sie dort ihre früher hinterlassenen Zelte wieder. Und man versteht die tiefe Bedeutung des Gebotes: „Du sollst nicht stehlen.“ Jede wandernde Gruppe vertraut darauf, dass sie am neuen Ort ihre Zelte wiederfindet. Wäre das nicht so, wären sie in akuter Lebensgefahr in den Nächten, die eiskalt oder an den Tagen, die höllenheiß sind. „Nicht stehlen“ hat eine viel tiefere Bedeutung, als sich aneignen, was einem anderen gehört. Es kann über Leben und Tod entscheiden.

Die, die sich nicht auskennen in der Wüste, die nicht die geheimen Orientierungshinweise „lesen“ können, brauchen unbedingt einen guten Führer. Man kann sich in dem Einerlei von Sand, Dünen und Tälern verirren. Man kann den Täuschungen der Luftspiegelungen, der Fata Morgana, erliegen.

Die Heilige Schrift erzählt uns von den vierzig Jahren der Wüstenwanderung des Volkes Gottes. Befreit aus dem Land der Sklaverei, sind sie unterwegs zum verheißenen Land. Es ist eine Enttäuschung, dass sie nicht auf direktem Weg hinziehen können, sondern Wege im Weglosem, Umwege und Irrwege zurücklegen müssen, immer einer Verheißung folgend, dass sie in ein Land kommen werden, wo Milch und Honig fließen. Sie werden ungeduldig, sie verlieren immer wieder den Mut und die Hoffnung, sie murren, sie verzweifeln schier. Doch die Erfahrung der Wüste hat sie verändert, hat eine Menschenmasse zum Volk gemacht, mehr noch: zum Volk des Gesetzes, zum Volk des Herrn. Die ankommen, sind nicht dieselben Menschen, die aus der Sklaverei befreit wurden, klar, da liegen fast zwei Generationen dazwischen. Sie sind auch innerlich nicht mehr dieselben. Sie haben in der Wüste Bekanntschaft gemacht mit dem Gott, der sie befreit hat. Sie haben auch Bekanntschaft gemacht mit dem, was in ihrem eigenen Inneren vorhanden ist. Und das war nicht immer edel, hilfreich und gut. Ganz wie bei uns.

Einmal kamen sie an die Grenze zum Land der Edomiter. Da gab es wunderbar befestigte Straßen, und sie baten den König: „Lass uns diese bequeme Abkürzung benutzen. Wir werden für alles zahlen, wir werden nicht zur Rechten oder zur Linken weichen, sondern nur hindurchziehen. Wir haben die Umwege in der Wüste so satt!“ Es wurde ihnen nicht gestattet, und sie mussten den Weg der Wüste wieder unter die Füße nehmen, von Wasserstelle zu Wasserstelle. Und doch kamen sie schließlich im Land der Verheißung an.

Diese „Bilder“ der Wüste können ein Symbol, eine Illustration darstellen für Wegstrecken in unserem Leben. Unfruchtbar, ungeduldig, mutlos, erschöpft, unzufrieden und aufbegehrend durchwandern wir sie; manchmal Täuschungen und Spiegelungen erliegend. Manchmal bequeme Abkürzungen suchend. Aber es kann auch anders sein oder anders werden. Es kann sich - wenn Gott Gnade gibt wie Regen in der Wüste - das Vertrauen in Gott erneuern, der mit seinen Menschen etwas im Sinn hat. Die Wüste ist nicht das Ziel, sondern das gelobte Land. Bis dann tragen wir das Bild im Herzen: die Wüste wird wieder blühen! Tief in uns verborgen liegt der Samen von Glaube, Hoffnung und Liebe, der unter Seinen liebevollen Regen keimen und blühen kann. Das wird dann zur Ehre Gottes und zur Freude der Mitmenschen geschehen.

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