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Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Wort zum Wochende: Prüfung

Von Pastorin Karin Krug

Als Schulkinder wurden wir oft gefragt, welches unser Lieblingsfach ist: Mathematik, Biologie, Sprachen, Geschichte, Kunst oder Sport. Manche antworteten immer „die Pause“. Keinem wäre es eingefallen zu sagen: „Die Prüfungen.“ Man hat gezittert vor dem Examen. Es wurde ja nicht nur Stoff abgefragt. Man fühlte sich bei einem schlechten Ergebnis quasi als Mensch in Frage gestellt. Der prüfende Lehrer war plötzlich so ganz anders als im Schulalltag. Man empfand ihn fast wie einen Herrgott. Manche fortschrittlichen Pädagogen haben dann vom „traumatischen Erlebnis der Prüfungen“ gesprochen und geschrieben. Lehrer durften nicht mehr mit dem Rotstift die Fehler im Diktat markieren. Es darf auch möglichst niemand das Schuljahr wiederholen.

Dieser Tage erzählte ein Vater in einer TV- Sendung, dass sein Sohn, der jetzt im 3. Schuljahr ist, zum ersten Mal in seinem Leben eine Prüfung vorbereiten muss. Das Kind sei aufgeregt, in einer Mischung von Unsicherheit - weil es nicht weiß, ob es genügend vorbereitet ist - und positiver Erwartung. Das Kind sagte: „Dann weiß ich, was ich weiß und was ich nicht weiß“. Das fand ich eine gute und gesunde Einstellung.

So viele Prüfungen haben wir seit unserer Schulzeit ablegen müssen. In der Uni, im persönlichen Leben, in der Arbeit. Manchmal haben wir „bestanden“, manchmal ging es total daneben. Gott und das Leben haben uns immer wieder eine neue Chance gegeben. Oder wir mussten uns umorientieren.

In diesem weltumfassenden Trauma der Pandemie, reden manche davon, dass das eine Prüfung sei. Für viele kommt diese Prüfung von Gott. Alles in mir sträubt sich gegen diesen Gedanken. Gott weiß doch, wie wir sind, was in uns ist. Er weiß doch, ob wir bestehen können oder nicht. Muss er uns prüfen? Wozu soll das gut sein? Das Bild, das ich von Gott habe, ist nicht von einem Gott, der ungerührt zusieht, wie seine Menschen leiden, ob sie bestehen oder durchfallen.

Aber dann habe ich das Wort „Stresstest“ gefunden. Geräte werden getestet, bevor sie zum Gebrauch freigegeben werden, indem sie oftmals extremen Situationen ausgesetzt werden, die im alltäglichen Gebrauch wahrscheinlich nie vorkommen. Autos werden widrigen Situationen ausgesetzt und geprüft. Flugzeuge werden getestet; ich habe einmal gelesen, dass die Flügel bis zu 90º gebogen werden, um zu sehen ob sie das aushalten oder zerbrechen. Und das macht Sinn. Tests sind nicht ein Zweck in sich selber, sondern dienen dazu, dass dieses Gerät, dieses Auto, dieses Flugzeug einen bestimmten Zweck erfüllen kann. Und zu diesem Zweck muss es geeignet sein und nicht gleich auseinanderfallen.

Es gibt auch bei Menschen Stressteste. Ich denke an die jungen Ärzte, die oftmals bis an die Grenzen ihrer Kraft lange Bereitschaftsdienste absolvieren müssen; mir schien das immer eine unsinnige Tortur und Quälerei. Ein unglaublich harter Stresstest. Und nun sind diese Ärzte, die Krankenschwestern in den Intensivstationen eingesetzt, mit Schwerkranken, mit Covid-Patienten. Sie würden das gar nicht aushalten, wenn der Stresstest sie nicht vorbereitet hätte. Und wenn ich dann weiterdenke, merke ich, dass es ja nicht darum geht, dass wir Menschen in Watte eingepackt werden, obwohl das so mollig und weich und gemütlich wäre, sondern durch Dinge vorbereitet werden, die man einen Stresstest nennen könnte, und zwar im Hinblick auf die Ausübung einer Aufgabe.

Diese Gedanken kann man auch ganz falsch auffassen, nach dem Motto „gelobt sei, was hart macht.“ Menschen halten nicht unendliche Stresstests aus. Manche zerbrechen. Manche geben auf. Deshalb ist mir die Gemeinschaft so wichtig, wo man einander beistehen kann. Gott sei Dank, sind wir nie alle gleichzeitig entmutigt. Die Pandemie ist gewiss ein Stresstest. Ganz abgesehen davon, dass die Menschen sich oft selber in eine Lage bringen, die sie dann als göttliche Prüfung beklagen.

Rückblickend entdecke ich, dass auch jene Situationen einen Sinn haben, die ich als total unangenehm, überflüssig oder unnötig angesehen habe. Sie haben mich vorbereitet für andere schwierige Situationen und Umstände. Rückblickend sehen wir auch, was der Liederdichter so ausdrückt: „In wieviel Not hat doch der gnädige Gott über dir Flügel gebreitet.“ Dankbarkeit stellt sich ein.

Gott sei Dank spricht die Bibel auch - und vor allem! - von etwas ganz anderem als von Prüfung, nämlich davon, dass Gott nicht unbewegt zusieht, ob seine Menschen bestehen oder durchfallen. Im Stresstest ist er mittendrin und dabei. Der Psalm sagt es so: „Gott legt eine Last auf, aber er hilft uns auch durch.“ Denn wir haben eine Aufgabe in der Welt und in unserer heutigen Situation in Werken des Glaubens, der Hoffnung, der Liebe.

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