top of page
Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Wort zum Wochende: Familie früher

Von Pastorin Karin Krug

Jahrtausende trennen uns von den Menschen des Altertums. Lediglich die Familie existiert seit den Tagen Adams und Evas. Nun aber die erste Überraschung: Wenn wir erfahren wollen, was die Heiligen Schriften über die Familie sagt, werden wir feststellen, dass das Wort „Familie“ so nicht vorkommt. Schon gar nicht das Modell einer typischen Klein-Familie (mal ganz davon abgesehen, dass auch dieses Modell nur noch ausnahmsweise existiert, wo zusammengesetzte oder „assemblierte“ Familien immer häufiger sind).

Was wir finden sind drei Begriffe, die wir uns als konzentrische Kreise vorstellen müssen. Im äußeren Kreis: der „Stamm“, weiter innen: die „Sippe“, und als kleinste Einheit das „Haus“.

Die „Stämme“ gehen zurück auf die 12 Söhne des Patriarchen Jakob. Die „Sippe“ oder der Clan ist die Verwandtschaft. Und schließlich gibt es als kleinste Einheit das „Haus“. Hier geht es nicht um ein Gebäude, sondern um eine Gruppe von Menschen, die am gleichen Ort leben. Am besten übersetzen wir das mit „Großfamilie“. Im „Haus“ lebten oft bis zu 4 Generationen gleichzeitig: Eltern, Kinder, Enkel, Urenkel (so ähnlich wie im Gedicht von Gustav Schwab: „Urahne, Großmutter, Mutter und Kind, in dumpfer Stube beisammen sind“). Das „Haus“ umfasste auch die Sklaven und die „Fremden“, die eine Zeit lang hier Obdach und Schutz fanden. Sie haben ein gemeinsames Erbe, einen Teil des verheißenen Landes. Ihr gemeinsames Interesse gilt der Bebauung dieses Landes und vor allem, dass es im Besitz der Großfamilie bleibe. Das Verstehen dieser Struktur der Großfamilie wird uns helfen, die Bedeutung einiger Texte und vieler Bräuche zu begreifen.

Das Verlassen des Hauses, der Sippe und des Stammes war ein sehr riskantes Unternehmen. Die Sippe bedeutet für den einzelnen Menschen Heimat und Geborgensein. Als einzelner konnte man nicht überleben. In unserer globalisierten Welt, wo Familienangehörige über die ganze Welt verstreut leben (müssen), können wir nur mit Mühe nachvollziehen, was der Wegzug oder gar der Ausschluss aus einer Sippe bedeutete und warum dies als eine der schlimmsten Strafen überhaupt galt. Verstoßung und Verbannung kamen einem Todesurteil gleich. Nur die Sippe bot Schutz vor Feinden, garantierte die Pflege im Krankheitsfall, die Versorgung im Alter und die Rache für erlittene Gewalt. Sicherheit bot nur die Gemeinschaft.

Das „Haus“ war nicht nur eine Gemeinschaft gemeinsamen Ursprungs, sondern auch gemeinsamen Schicksals. Was man tat, hatte Konsequenzen für alle auf einmal. Dies macht sich besonders in der harten Formulierung von Deuteronomium 5:9 bemerkbar: „Denn ich, der HERR, dein Gott, bin ein eifernder Gott, der die Missetat der Väter heimsucht bis ins dritte und vierte Glied an den Kindern derer, die mich hassen, aber Barmherzigkeit erweist an vielen Tausenden, die mich lieben und meine Gebote halten.“ Das schien mir immer schrecklich unfair: selbst die dritte und vierte Generation (das heißt bis über hundert Jahre hinweg) muss für die Fehler ihrer Vorfahren einstehen. Aber wir sprechen über die 4 Generationen, die gleichzeitig im „Haus“ leben. Wenn das Familienoberhaupt einen schwerwiegenden Fehler beging, zum Beispiel das Vermögen verschleuderte, hatte das konkrete Konsequenzen für die bereits hier und jetzt lebende dritte und vierte Generation.

Weil so viele Generationen im „Haus“ zusammenlebten, war es notwendig, das lebhafte Potenzial der Sexualität zu berücksichtigen. Damit das Zusammenleben im „Haus“ sich nicht in ein Chaos verwandelte und in heftigen Rivalitäten und Kämpfen auflöste, wurden die sexuellen Beziehungen ausdrücklich geregelt. So gibt es im Buch Levitikus, Kapitel 18, eine lange Aufzählung verbotener sexueller Beziehungen. Zum Beispiel: „Kein Mann sollte sich einer Frau aus seinem eigenen Haus nähern, um sexuelle Beziehungen zu ihr zu haben... Du sollst mit der Frau deines Vaters nicht Umgang haben; denn damit schändest du deinen Vater.“ Das wird erst verständlich wenn man bedenkt, dass Frauen oft im Kindbett starben und das Familienoberhaupt vielleicht eine zweite oder dritte Ehe einging, so dass eventuell seine dritte Frau jünger ist als der älteste Sohn aus der ersten Ehe. So etwas konnte direkt explosiv sein... Ich glaube auch, dass der Versuch, innerfamiliäre Zerrüttung zu verhindern, ein Grund des Verbots homosexueller Beziehungen war. Aber darüber ein anderes Mal mehr.

Der Teil des verheißenen Landes, der einem Stamm oder einer Sippe zugewiesen war, musste in der Familie bleiben. Das Land durfte nicht verkauft werden. Wenn jemand sich dermaßen verschuldet hatte, dass sein Land versteigert werden musste, hatte der nächste Verwandte die Pflicht, es zu „retten“, indem er die Schulden bezahlte. Dies wurde als „Lösen“ bezeichnet: das Lösegeld für einen anderen bezahlen, damit er sein Erbe nicht verliere.

Ist doch schön, dass das für den Glauben wichtige Wort „erlösen“ oder Erlösung so einen konkreten Hintergrund hat. Ein anderer übernimmt den Bankrott, damit man sein Erbe als Sohn oder Tochter Gottes nicht verliert.



0 visualizaciones0 comentarios

Comments


bottom of page