100 Prozent für Nehammer
Graz - Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer hat sich nach den Skandalen in seiner Partei ÖVP bei einem Sonderparteitag mit einem Spitzenergebnis Rückendeckung für einen Neuanfang geholt. Die Delegierten wählten den 49-Jährigen am vergangenen Samstag in Graz mit 100 Prozent der Stimmen zum Parteivorsitzenden. Die konservative ÖVP regiert seit Anfang 2020 in einem Bündnis mit den Grünen. Ihre Umfragewerte sind zwar stark gefallen, aber die Koalition gilt als stabil. Ein 100-Prozent-Ergebnis hatten nur zwei von Nehammers Vorgängern je geschafft - und das vor mehr als 60 Jahren, als die Uhren der Parteipolitik noch anders tickten. Selbst Nehammers charismatischer Vorgänger Sebastian Kurz war 2021 „nur“ auf 99,4 Prozent gekommen. Nehammer nahm die Wahl „mit Stolz und Dankbarkeit“ an. Er war im vergangenen Jahr aus dem Amt des Innenministers an die Spitze katapultiert worden, nachdem der 35-jährige Kurz unter großem Druck erst als Bundeskanzler zurückgetreten und dann ganz aus der Politik ausgeschieden war. Gegen ihn wird unter anderem wegen Falschaussage vor einem Parlamentsausschuss ermittelt. Die ÖVP muss sich zudem mit Korruptionsvorwürfen auseinandersetzen. Nehammer war zuletzt wegen seines überraschenden Besuchs beim russischen Präsidenten Wladimir Putin in den Schlagzeilen. Das Treffen verlief ohne konkretes Ergebnis. Er verteidigte die Reise auf dem Parteitag.
Organspende
Bern - Die Schweizer haben sich mit deutlicher Mehrheit für eine radikale Änderung bei der Organspende ausgesprochen: Künftig gilt jeder Bewohner als potenzieller Organspender, der dies zu Lebzeiten nicht ausdrücklich abgelehnt hat. Die Regierung will das Transplantationsgesetz entsprechend ändern und bekam dafür bei der Volksabstimmung am vergangenen Sonntag 60,2 Prozent Zustimmung. Bislang gilt in der Schweiz statt der Widerspruchs- die Zustimmungslösung: Organe dürfen nur Menschen entnommen werden, die sich dazu bereit erklärt haben, etwa mit einem Organspendeausweis oder einem Eintrag in einem Online-Register. Die Regierung hofft nun, den Mangel an Spenderorganen zu beheben. Gegner ordneten die Neureglung als unethisch ein.
Antisemitismus
Wien - Die Zahl der antisemitischen Übergriffe hat einen neuen Höchststand erreicht. Im vergangenen Jahr wurden der Antisemitismus-Meldestelle der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG) 965 Vorfälle gemeldet - ein Anstieg um 65 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. „Das Wichtigste: So erschreckend das ist, wir werden uns nicht einschüchtern lassen, im Gegenteil“, sagte IKG-Präsident Oskar Deutsch bei der Präsentation des Berichts am vergangenen Freitag. Ein wichtiger Grund für die Tendenz seien die zunehmenden rechtsextremen Aktivitäten angesichts der Corona-Pandemie. Als Konsequenz seien massive Ausgaben für die Sicherheit jüdischer Einrichtungen nötig. Der Großteil der gemeldeten Vorfälle ereignete sich in Sozialen Netzwerken.
Gedenkfeier
Mauthausen - Rund 5000 Menschen haben in der österreichischen KZ-Gedenkstätte Mauthausen am Sonntag der Befreiung des Lagers durch US-Truppen vor 77 Jahren gedacht. Die Veranstaltung stand im Zeichen des Ukraine-Krieges. „Wenn es unbedingt einen Sieger braucht, dann nicht Nationen, nicht einen großen Führer, sondern die Werte Friede, Freiheit, Solidarität“, sagte der Vorsitzender des Mauthausen-Komitees Österreich, Willi Mernyi. Er erinnerte an diejenigen, die Widerstand gegen die Nazis geleistet hatten und verfolgt und ermordet wurden. Unter den Teilnehmern waren Nachfahren der rund 200.000 in Mauthausen Inhaftierten aus zahlreichen Ländern. Die Hälfte der Insassen wurde ermordet oder starb wegen der grausamen Haftbedingungen.
Kein Büro für Schröder
Berlin - Der deutsche Bundestag hat Altkanzler Gerhard Schröder einen Teil seiner Sonderrechte als früherer Regierungschef entzogen. Der Haushaltsausschuss beschloss am Donnerstag die Abwicklung seines Büros, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Ausschusskreisen erfuhr. Das verbliebene Personal soll anderweitige Aufgaben übernehmen, hieß es in einem Antrag der Regierungskoalition, der im Ausschuss eine Mehrheit fand. Anrecht auf ein Ruhegehalt und auf Personenschutz hat der Altkanzler aber weiterhin.
Jamaika gescheitert
Kiel - Das deutsche Bundesland Schleswig-Holstein bekommt voraussichtlich doch eine neue Regierungskoalition. In einem Sondierungsgespräch konnten sich die Spitzen von CDU, Grünen und FDP am Donnerstag in Kiel nicht auf Verhandlungen über eine Fortsetzung ihres sogenannten Jamaika-Bündnisses verständigen. Er bedauere dies außerordentlich, sagte Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) nach mehrstündigen Beratungen in einem Kieler Hotel. Er habe sich ein anderes Ergebnis gewünscht. Nun werde der CDU-Landesvorstand am Montag über die Situation beraten und einem der beiden bisherigen Koalitionspartner ein Angebot für Sondierungsgespräche machen.
Gesetzesaktualisierung
Magdeburg - Zum Schutz und Erhalt der Wälder soll das Bundeswaldgesetz angepasst werden. Das sagte Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) am Montag nach Beratungen mit seinen Länderkollegen. Er sei froh, dass es breite Zustimmung gegeben habe. „Wir modernisieren die Bestimmungen, die zum Teil über 40 Jahre alt sind“, so der Grünen-Politiker. Damit solle ein deutschlandweiter Standard für Waldbewirtschaftung geschaffen werden. Außerdem sollen zusätzliche Leistungen für Waldbesitzer auf den Weg gebracht werden. Dazu sei ein Modell entwickelt worden, die ersten Module sollen noch in diesem Jahr umgesetzt werden, weitere sollen folgen.
Prozess fortgesetzt
Brandenburg/Havel - Der Prozess gegen einen mutmaßlichen früheren SS-Wachmann im Konzentrationslager Sachsenhausen ist am Montag nach längerer Erkrankungspause fortgesetzt worden. Der 101 Jahre alte Angeklagte kam mit rund einer Stunde Verspätung zum Verhandlungsort in Brandenburg an der Havel nahe Berlin. Sein Verteidiger Stefan Waterkamp hatte zuvor gesagt: „Er fühlt sich nicht gut.“ Ein Rechtsmediziner sei bei dem Angeklagten zuhause gewesen und habe geprüft, ob er verhandlungsfähig war. Der Prozess hatte wegen eines Krankenhausaufenthalts des 101-Jährigen pausieren müssen. Der 101-Jährige ist angeklagt, als damaliger Wachmann in dem KZ Sachsenhausen nördlich Berlins von 1942 bis 1945 Beihilfe zum Mord an mindestens 3518 Häftlingen geleistet zu haben.
Ermittlungen gegen Schüler
Karlsruhe - Nach dem mutmaßlich vereitelten Bombenanschlag auf eine Schule im westdeutschen Essen hat der Generalbundesanwalt die Ermittlungen gegen den verdächtigen Gymnasiasten übernommen. Grund sei die besondere Bedeutung der Tat, sagte eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft am Montag der Deutschen Presse-Agentur in Karlsruhe. Bei bestimmten Straftaten wie der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat ist das Voraussetzung dafür, dass der Generalbundesanwalt Ermittlungen an sich ziehen kann. Der 16-Jährige steht im Verdacht, einen rechtsextremistisch motivierten Terroranschlag an seiner Schule vorbereitet zu haben. Der deutsche Jugendliche sitzt bereits aufgrund eines Haftbefehls der Düsseldorfer Generalstaatsanwaltschaft in Untersuchungshaft. (dpa)
Comments