Von Marion Kaufmann
Die Wissenschaft forscht und macht auf allen Gebieten ständig neue Entdeckungen; schon allein in der Medizin kommen fast täglich die Nachrichten über neue, bisher unbekannte Krankheiten, Apparate und Heilungsmethoden. Auch bei der Kommunikationstechnologie wird ununterbrochen Neues bekannt gegeben. Doch dieser lobenswerte Fortschritt hat auch seine andere Seite, wenn er nicht einem guten Zweck dient.
Und noch etwas kommt hinzu: Menschen aus aller Welt reisen nach Paris; im Louvre Museum stehen sie stumm und in Gedanken versunken vor Leonardo da Vincis Bild der Gioconda, überlegend, wer diese schöne Frau wohl war und was das geheimnisvolle Lächeln bedeuten könne. Heute braucht man nicht mehr zu rätseln, die Experten haben festgestellt, dass es die Frau eines Mannes namens Giocondo war, der das Porträt bei dem Maler bestellt hatte. Auch weiß man heute, dass der Maler es dem Kunden nie ausgehändigt hat. Eine Illusion weniger ...
Ein anderes Beispiel verlorener Illusionen ist das Bild des „Mädchen mit dem Perlenohrring“ von Johannes Vermeer, ein bis vor kurzem unbekanntes Mädchen. Das Porträt kann man in jedem Kunstbuch finden, aber noch bekannter wurde es durch den gleichnamigen Roman von Tracy Chevalier, einer amerikanischen Schriftstellerin, auf dem auch der später gemachte Films beruht.
Die Autorin erzählte, dass ihr das Bild beim Rundgang im Museum aufgefallen war und sie stark beeindruckt hat. Immer wieder ging sie hin und betrachtete das Porträt. „Das Kopftuch des Mädchens gab den Anschein, dass es eine Magd war; ihre Kopfhaltung und der enigmatische Blick ließen mich vermuten“ -so die Autorin in einem Interview- „dass sie vielleicht, verliebt oder kokett, den Maler anschaute.“ Fasziniert wie sie war, hat sich die Schriftstellerin dann das Leben des Mädchens als Dienstmagd im Hause des Malers ausgedacht. Aber später haben die Experten die Illusion zerstört: die Identität der Magd wurde zwar nicht festgestellt, doch mit Röntgenstrahlen hat man bei dem Porträt Details gefunden, die bis dahin unsichtbar waren und teilweise Anhaltspunkte ihres Lebens gaben.
So arbeitet die heutige Wissenschaft in Museen und Ausstellungen, doch der magische, geheimnisvolle Effekt, den die Objekte auf uns ausübten, geht verloren.
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