Von Juan E. Alemann
Seit einiger Zeit schon ist die Kritik an der Regierung aufgekommen, dass sie keinen Plan für die Wirtschaft habe. Was sich die einzelnen Kritiker unter einem Plan vorstellen ist ihr gut gehütetes Geheimnis. Die meisten sind gewiss nicht in der Lage, selber einen Plan vorzulegen. Präsident Alberto Fernández trug noch zur Konfusion bei, als er gegenüber der “Financial Times” sagte, dass er, ehrlich gesagt, nicht an Wirtschaftspläne glaube. Doch im Februar hatte er dem Institut für politische Studien von Paris gesagt, dass es nicht wahr sei, dass er keinen Plan habe. Die Wahrheit sei, das er ihn nicht erzähle, weil er sich mitten in der Umschuldungsverhandlung befinde. Weitere Aussagen des Präsidenten trugen noch mehr zur Verwirrung bei, und schließlich erklärte AF, er habe einen Plan, der in über 60 konkreten Maßnahmen seinen Ausdruck finden werde, die bald bekanntgegeben werden sollen. Doch eine große Menge einzelner Maßnahmen stellen nicht unbedingt einen Plan dar. Hat niemand dem Präsidenten den Unterschied zwischen einem Plan und einer Wirtschaftspolitik erklärt? Denn auf diese, und nicht einen Plan kommt es an.
Das Wort Plan hat für Anhänger der Marktwirtschaft einen üblen Beigeschmack. In der Sowjetunion gab es Fünfjahrespläne, die in der Regel nur in den Formularen der Bürokraten, aber nicht in den konkreten Produktionsdaten eingehalten wurden. Ein Extremfall war eine neue Traktorenfabrik, die eine überalterte ersetzen sollte. Jedes Jahr füllten die verantwortlichen Bürokraten die Formulare, wie es sein sollte, und eines Tages war die Fabrik dann fertig, so dass die alte geschlossen wurde. Aber die neue war nur auf dem Papier fertig und existierte als solche nicht. Die ganze sowjetische Planung war eine große Lüge, wie es auch im zweiten Weltkrieg in Erscheinung trat, als die sowjetischen Truppen sich gegenüber dem deutschen Vormarsch wegen Mangel an modernen Waffen nicht gut verteidigen konnten, bis schließlich die kapitalistische USA der URSS Waffen lieferte. Laut Plan hätte die Waffenproduktion viel höher sein sollen.
In Argentinien gab es mehrere Pläne, einmal einen Fünfjahresplan zur Zeit der zweiten Amtszeit von Perón, die 1952 begann und 1955 durch eine Revolution beendet wurde. Der Plan hatte überhaupt keine faktische Bedeutung und wurde allgemein mit Humor aufgenommen. Dann wurde unter Präsident Illia (1963/66) ein Plan ausgearbeitet, der in einem dicken Buch vorgestellt wurde, das sehr viele Daten enthielt, die ein gutes Bild der argentinischen Wirtschaft gab. Aber mit der wirtschaftlichen Entwicklung und der faktischen Wirtschaftspolitik hatte dies nichts zu tun. Und später gab es unter der Präsidentschaft von General Lanusse (1971/73) auch einen Plan, der gedruckt wurde und in in den Regalen vieler Bibliotheken endete, wo die Exemplare langsam vergilbten, weil sie niemand interessierten.
Was Argentinien jetzt benötigt ist keinen Wirtschaftsplan, sondern eine konkrete Wirtschaftspolitik, mit klaren Zielen und Maßnahmen, die dazu bestimmt sind, sie zu erreichen. Über die Ziele besteht weitgehend Einigkeit. Alle wollen Wachstum und eine sinkende Inflationsrate, so dass kurzfristig eine einstellige Jahresinflation erreicht wird. Doch merkwürdigerweise wird Vollbeschäftigung als Ziel kaum erwähnt, obwohl es eigentlich an erster Stelle stehen sollte. Und beim Ziel der besseren Einkommensverteilung, das Präsident Fernández sehr am Herzen liegt, besteht eine große Konfusion. Denn die Vorstellung, dass den Reichen Einkommen genommen wird, um es unter den Armen zu verteilen, ist reichlich primitiv. Um das Einkommen der Armen zu verbessern müssen die Unternehmen mehr produzieren und investieren, und das geht nur, wenn sie dabei Geld verdienen. Bei der Hilfe der Armen geht es eigentlich um Programme für mehr Beschäftigung, für ausreichende Ernährung, für Ausbildung, für Zugang zu einer angemessenen Wohnung, um gute Gesundheitsbetreuung, um gute öffentliche Erziehung und nicht zuletzt, um Möglichkeiten, in den produktiven Kreislauf der Wirtschaft voll einzutreten. Die Sozialpolitik erfordert viel Kleinarbeit und soll auf alle Fälle nicht politisiert werden. Und beiläufig erfordert sie auch, dass der Staat überall spart, um Mittel für die Sozialpolitik freizusetzen.
Der Staat muss zunächst jetzt einen allgemeinen Unternehmenszusammenbruch verhindern. In diesem Sinn wird jetzt an einer Änderung des Konkursgesetzes gearbeitet, was sehr positiv ist. Aber das Problem erfordert noch viel mehr, wie wir es an dieser Stelle in Einzelheiten dargestellt haben.
Schließlich erfordert die Wirtschaftspolitik eine klare Antwort auf das monetäre Problem, das in letzter Zeit aufgekommen ist. Das Staatsdefizit ist explosiv gestiegen und wird mit Geldschöpfung finanziert, und diese ist so groß und dauert weiter an, dass ein Ende mit Hyperinflation und Zusammenbruch der Wirtschaft in Aussicht steht. Um dies zu vermeiden, muss schon jetzt dafür gesorgt werden, dass das Defizit stark abnimmt und die Geldschöpfung stark zurückgeht. Alberto Fernández löst immer noch alle Probleme mit mehr Staatsausgaben. Doch das geht nicht mehr, weil der Staat pleite ist und die Geldschöpfung an eine gefährliche Grenze geraten ist. Hier muss der Begriff der Wirtschaftspolitik groß geschrieben werden.
Es ist positiv, dass sich der Präsident und seine Minister mit Unternehmern treffen, und diese auch das Gespräch mit Gewerkschaftern aufgenommen haben. Die Tatsache, dass die meisten Gewerkschafter den Ernst der Lage begriffen haben, bietet eine einzigartige Gelegenheit für ein Gespräch über Themen, die weit über die alljährliche Lohndiskussion hinausgehen. Die Regierung muss jetzt nur aufpassen, dass Hugo Moyano u.a., die ihm folgen, ein zivilisiertes Gespräch nicht mit Forderungen stören, die in diesen schwierigen Zeiten wie eine Bombe wirken. Die Lage erfordert Mäßigung und Vernunft, und die Krise sollte genutzt werden, um dies zu erreichen. Auch hier muss Wirtschaftspolitik groß geschrieben werden.
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