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  • Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Wirtschaftspolitik im Zeichen der Improvisation und der Ratlosigkeit

Von Juan E. Alemann

Martín Guzmán
Wirtschaftsminister Martín Guzmán

Die Wirtschaftswelt empfindet in der gegenwärtigen Lage eine große Ungewissheit über die Zukunft. Dabei ist viel vom Fehlen eines Wirtschaftsplanes die Rede, womit eigentlich klare Ziele in den Grundthemen und konkrete Maßnahmen in diesem Sinn gemeint sind, und nicht ein Plan, der in konkreten Zahlen über Produktion, Außenhandel und alles, was Wirtschaft betrifft, dargestellt wird. Deshalb ist es besser, von einem Programm zu reden, das in Grundkonzepten zum Ausdruck kommt. Indessen bringt Präsident Alberto Fernández bei seinen Erklärungen klar zum Ausdruck, dass er kein Konzept hat und im dunkeln tappt.

Hinzu kommt noch der starke Einfluss von Cristina zum Ausdruck, die prinzipiell anders denkt, sofern sie überhaupt denkt und nicht einfach Vorurteile oder ihre persönlichen Probleme mit der Justiz zum Ausdruck bringt. Dass ein unnötiges, schlechtes und unbezahlbar teures Projekt über die Justizreform im Senat behandelt wird, statt ein wirklich dringendes Projekt der Opposition über eine Änderung der Konkursgesetzgebung, mit Schaffung einer vorangehenden Verhandlungsinstanz, um eine Konkurswelle zu vermeiden oder zumindest zu mildern, zeigt sehr klar, dass Cristina sich nur für ihre Probleme interessiert.

In diesem Zusammenhang kümmert sie sich auch um die Medien, die ständig über ihre Prozesse informieren und dabei verhindern, dass sie in Vergessenheit geraten und eventuell nicht fortgeführt werden. Und schließlich interessiert sie sich für Energie. Doch im Grunde kommt bei ihr stets ihre marxistisch gefärbte Ideologie zum Vorschein, die in Konflikt mit der Tatsache steht, das sie schwerreich ist und dabei auch durch die juristisch schwierige Lage ihrer Strohmänner indirekt betroffen wird. Was sie wirklich will, weiß sie selber nicht, und wer bezüglich Wirtschaftspolitik am meisten Einfluss auf sie hat, weiß man auch nicht. Das schlimme dabei ist, dass sie, wie ihr verstorbener Gatte, keinen Widerspruch duldet und nicht bereit ist, eine vernünftige Diskussion über die einzelnen Themen aufzunehmen. Und das allerschlimmste ist, dass sie dabei den Präsidenten nicht regieren lässt.

Das erste Problem, das den Unternehmen große Sorgen bereitet, ist der Wechselkurs und die Zahlungsbilanz. Die ZB-Reserven schwinden zunehmend, und es wird befürchtet, dass die ZB gelegentlich den Kurs nicht mehr halten kann. Die ZB versucht, die Nachfrage nach Dollar so weit sie kann zu beschränken, und Produktionsminister Kulfas betreibt eine bewusste Hemmung der Importe. Dies wird faktisch getan, aber nicht erklärt. Die Regierung müsste klar sagen, dass sie keinen Abwertungssprung vorhat, und die Verwaltung des Wechselkurses weiter betreiben wird, so dass nur eine Abwertung zugelassen wird, die etwa der Zunahme der internen Preise entspricht. Doch darüber hinaus müsste die Regierung ein klares Konzept über die Zahlungsbilanzpolitik bekanntgeben, und dabei erklären, dass die Importe in diesem Sinn begrenzt werden, Es sollten Kriterien der Importbeschränkung bekanntgeben werden, damit Importeure und diejenigen, die importierte Produkte für ihren lokalen Produktionsprozess benötigen, wissen, an was sie sich zu halten haben. Das würde auch die Korruption beschränken, die bei der bestehenden willkürlichen Importbeschränkung unvermeidlich ist. Die Wirtschaftswelt muss überzeugt werden, dass es nicht kurzfristig zu einer der üblichen Zahlungsbilanzkrisen kommt, bei der der Kurs davonspringt, ohne dass die Regierung es verhindern kann.


Im Grunde müsste das bestehende System, mit einem offiziellen und einem schwarzen Mark, zu dem noch allerlei weitere Kurse kommen, aufgegeben werden. Es sollte einen Markt für die Leistungsbilanz und einen für die Kapitalbilanz geben, wie wir es an dieser Stelle schon oft erklärt haben. In letzter Zeit schließen sich immer mehr Wirtschaftler unserer Ansicht an. Dann wäre das System übersichtlicher und könnte von der ZB besser beherrscht werden, und die Unternehmen hätten dann klare Spielregeln, was wesentlich ist, um der Ungewissheit entgegenzuwirken. Wenn sich die Lage beruhigt, und die Differenz zwischen den beiden Kursen gering wird, kann man wieder an eine einheitlichen Devisenmarkt denken.

Das zweite Problem ist die Inflation. Die Regierung bemüht sich, die allgemeine Preiszunahme durch allerlei Preiseinfrierungen zu verhindern. Öffentliche Dienste sind eingefroren, Brennstoffpreise werden minimal erhöht, Telefonie, einschließlich Mobiltelefonen, Internet und Kabelfernsehen wurden zu öffentlichen Dienste erklärt, und die Tarife bis Ende Jahr eingefroren. Mit den Lieferanten von Grundnahrungsmitteln u.a. Produkten für den Haushalt werden weiter sogenannte “gepflegte Preise” für bestimmte Produkte vereinbart, die weit unter den normalen Preisen liegen. Diese Politik hat einen beschränkten Erfolg, wobei die Preise von Gemüse und Obst in den letzten Wochen stark gestiegen sind, ohne dass dies eine besondere Erklärung hat. Aber grundsätzlich fragt man sich, wie es weitergeht, wenn die Preiseinfrierungen aufgehoben oder zumindest gelockert werden müssen. Bei öffentlichen Diensten verträgt die Staatskasse die zunehmenden Subventionen nicht, die die Kehrseite eingefrorener Preise darstellen.

Im Zusammenhang mit der Preispolitik müsste es auch eine klare Lohn- und Beschäftigungspolitik geben. Es handelt sich um ein politisch heikles Thema. Doch gerade jetzt, da die Gewerkschafter durch die tiefe Rezession und die katastrophale Lage vieler Unternehmen eingeschüchtert sind, kann man Reformen durchsetzen, die in Zeiten guter Konjunktur kaum möglich sind. Diese Gelegenheit sollte die Regierung nicht verpassen. Sie sollte mit dem Vorschlag des ehemaligen Wirtschaftsministers Roberto Lavagna anfangen, ein System, wie das der Bauindustrie allgemein einzuführen, bei dem die Entlassungsentschädigung durch eine Zahlung an einen Fonds ersetzt wird, der dann den Entlassenen für ein bestimmte Zeit einen monatlichen Betrag zahlt. In der Bauwirtschaft werden für diesen Zweck 12% auf den Lohn berechnet. Doch hier wird der Fonds stark beansprucht, da jeweils ab Beendigung eines Baus gezahlt werden muss. In anderen Fällen, wo die Entlassung die Ausnahme ist, sollte der Beitrag nicht über 6% liegen. Das würde erlauben, Arbeitsplätze zu besetzen, die potentiell instabil sind, weil sie oft an eine gute Konjunktur bei einem Unternehmen gebunden sind, die gelegentlich aufhören kann.

Das dritte Problem ist die hohe Geldschöpfung, die immer weniger durch Ausgaben von Leliq kompensiert werden kann, die schließlich ohnehin ein zusätzliches Problem schaffen. Der Leliq-Bestand hat einen Rekord erreicht und liegt über der monetären Basis. Viel mehr kann er nicht erhöht werden. Gelegentlich wirkt sich der Geldüberschuss unvermeidlich auf die Preise aus, mit der Gefahr, dass dies in Hyperinflation endet. Argentinien hat schon drei Hyperinflationswellen erlebt, so dass Unternehmer und auch die Gesellschaft im Allgemeinen diese Möglichkeit nicht ausschließen. Und das hat negative Folgen, an erster Stelle einen hohen Kauf von Dollar, und an zweiter, allgemeine Preiserhöhungen. Und wenn dies vorweggenommen wird, finden vorbeugende Preiserhöhungen statt, weil mit Wiederbeschaffungskosten kalkuliert wird.

Das Grundproblem, das dieser Entwicklung zu Grunde liegt, sind die überhöhten Staatsausgaben, die zu einem hohen Defizit führen, das nicht mit Verschuldung gedeckt werden kann. Was man erwartet, ist eine konkrete Politik der Senkung der Staatsausgaben. Statt dessen werden ständig zusätzliche Ausgaben angekündigt, für die es keine echte Finanzierung gibt. Gewiss hat schon eine Verringerung des realen Einkommens von Staatsangestellten und Rentner eingesetzt, die die Staatskasse entlastet. Aber das wird als ein kurzfristiges Phänomen dargestellt. Bei Pensionen, Hinterbliebenenrenten u.a. sozialen Leistungen befindet sich die Regierung in einer Sackgasse. Das bestehende Gesetz, das von der Macri-Regierung stammt, wurde durch das Notstandsgesetz aufgehoben, was jedoch nicht ewig dauern kann. Alberto Fernández hatte das Macri-Gesetz seinerzeit kritisiert, weil es die Rentner u.a. angeblich schädige (was nicht stimmt), was unterschwellig bedeutet, dass er ihnen mehr geben will. Doch gerade das ist einfach nicht möglich.

Die Unternehmer erwarten von der Regierung mehr, als die Regierung tun kann. Doch zumindest sollte diese versuchen, klare Richtlinien aufzustellen, die auf einen Weg aus der Krise und eine Ordnung der Wirtschaft hinweisen. In diesem Sinn wäre es auch wichtig, dass der Präsident, und/oder sein Kabinettschef, sein Wirtschaftsminister und sein Produktionsminister Gespräche mit den hervorragenden Ökonomen des Landes aufnehmen. Das erlaubt dem Präsidenten und seinen für Wirtschaft zuständigen Beamten, ihre Gedanken zu klären. Ein Programm, das im Wesen auch von unabhängigen Fachleuten unterstützt wird, wäre glaubwürdiger und in diesem Sinn auch sofort wirksamer.

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