Wenn Wirtschaftswissenschaftler von Versteigerungen sprechen, dann meinen sie damit nicht bloß Auktionen bei Sotheby's oder Ebay, sondern viel mehr. Zwei US-Ökonomen haben die Spielregeln weitergebracht, die sowohl beim ersteigerten Picasso im Kleinen als auch bei den Emissionsrechten für die Industrie im Großen gelten: Die US-Ökonomen Paul Milgrom und Robert Wilson erhalten den Wirtschaftsnobelpreis für ihre Verbesserungen der Auktionstheorie und Erfindung neuer Auktionsformate, wie die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften am Montag in Stockholm bekanntgab. Beide Forscher lehren an der US-Eliteuniversität Stanford - in dem Land, das bei den Nobelpreisen in diesem Jahr absolut tonangebend ist.
Auktionen sind als Marktinstrument immens wichtig, um Preise für Güter und Dienstleistungen in der Wirtschaft festzulegen - etwa im Handel mit Kunst und Antiquitäten, Wertpapieren, Bodenschätzen und bei der Vergabe öffentlicher Aufträge. Auch bei Fischereirechten, CO2-Emissionszertifikaten für die Industrie, Strom- und Hauspreisen sowie bei der Vergabe von Slots an Flughäfen spielen Versteigerungen eine große Rolle. "Jeden Tag werden mit ihnen astronomische Werte zwischen Käufern und Verkäufern bewegt. Sie haben Auswirkungen auf uns alle, vielleicht mehr, als wir denken", sagte der Vorsitzende des zuständigen Preiskomitees, Peter Fredriksson.
Die Arbeit von Milgrom und Wilson habe es erlaubt, bessere Auktionen zu konstruieren. Die Ökonomen hätten die Auktionstheorie auf realistischere Umgebungen angewandt und mit ihrer Forschung ermöglicht, völlig neue Auktionsformate zu erfinden. Davon profitierten Käufer, Verkäufer und Steuerzahler weltweit, erklärte die Akademie. Die Analyse von Versteigerungen aber sei aus Sicht von Ökonomen schwierig, da die Bieter strategisch auf Basis ihrer Informationen handelten: Sie berücksichtigten sowohl ihre eigenen Erkenntnisse als auch das Wissen, das vermutlich andere Bieter haben.
Wilson und Milgrom entwickelten die Theorie für Auktionen für Objekte mit einem gemeinsamen Wert - ein Wert, der im Vorfeld unsicher, aber am Ende für alle derselbe ist, etwa bei vermuteten Bodenschätzen in einer bestimmten Gegend. Wilson zeigte, warum rationale Bieter dazu neigten, Gebote unterhalb ihrer Schätzung für den gemeinsamen Wert abzugeben: Sie fürchteten den Fluch der Gewinner ("winner's curse"), also zu viel zu bezahlen und schlecht wegzukommen. Milgrom entwickelte wiederum eine weitergehende Theorie, die auch private Werte umfasste, die sich von Bieter zu Bieter unterscheiden.
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hob den praktischen Nutzen der Forschung für die Politik hervor. Auktionen würden beim Ausbau der erneuerbaren Energien oder bei der Vergabe von Mobilfunkfrequenzen genutzt. "Die diesjährigen Preisträger haben Erkenntnisse dazu geliefert, wie Auktionen ausgestaltet werden sollten, um Ziele optimal und möglichst kostengünstig zu erreichen."
Milgrom ist 1948 in Detroit geboren, Wilson 1937 in Geneva im US-Staat Nebraska. "Das sind sehr erfreuliche Neuigkeiten", sagte Wilson, als ihn die Stockholmer Akademie telefonisch zuschaltete. Er verriet, dass er selbst niemals aktiv an einer Auktion teilgenommen habe, schränkte dann aber ein: "Meine Frau weist mich darauf hin, dass wir Skischuhe auf Ebay gekauft haben. Ich denke, das war eine Auktion."
Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) lobte die Preisträger, die schon länger als Favoriten galten. Milgrom und Wilson hätten maßgeblich die Theorie von Auktionen und deren Anwendung geprägt, sagte ZEW-Präsident Achim Wambach. So entwickelten sie das Design der ersten Spektrumsauktion in den USA mit, die in den 90er Jahren beim Verkauf von Radiorechten an Telekommunikationsfirmen durchgeführt wurde. "Damit haben sie Standards für die Versteigerung von Telekommunikations-Frequenzen gesetzt, die weltweit angewandt werden", erklärte Wambach. Mittlerweile hätten sich Auktionen zum "Allzweckwerkzeug" der Regulierung entwickelt.
Die Forschung von Milgrom und Wilson zeige klar, dass Märkte sich oft nicht selbst organisierten und gute institutionelle Rahmenbedingungen für deren Funktionieren zentral seien, kommentierte Gabriel Felbermayr, Präsident des IfW Kiel. "Damit bieten die Preisträger das theoretische Rüstzeug für eine gute, moderne Ordnungspolitik."
Steffen Trumpf und Alexander Sturm (dpa)
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