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"Wir haben es geschafft"

Actualizado: 1 ago 2020

EU-Gipfel einig bei Corona-Paket

Angela Merkel
Angela Merkel während des Gipfels von Brüssel. (Foto: EPA Pool via AP/dpa)

Brüssel (dpa) - Im Kampf gegen die Corona-Wirtschaftskrise haben sich die EU-Staaten auf das größte Haushalts- und Finanzpaket ihrer Geschichte geeinigt: Es hat einen Umfang von 1,8 Billionen Euro. Der Kompromiss wurde nach mehr als viertägigen Verhandlungen am frühen Dienstagmorgen bei einem Sondergipfel in Brüssel von den 27 Mitgliedsstaaten angenommen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich erleichtert. "Das war nicht einfach", sagte die CDU-Politikerin. Für sie zähle aber, "dass wir uns zum Schluss zusammengerauft haben". Der Haushalt sei auf die Zukunft Europas ausgerichtet. "Historischer Tag für Europa", schrieb der französische Präsident Emmanuel Macron auf Twitter.

Das Paket umfasst 1074 Milliarden Euro für den nächsten siebenjährigen Haushaltsrahmen bis 2027 und 750 Milliarden Euro für ein Konjunktur- und Investitionsprogramm. Damit will sich die Europäische Union gegen den beispiellosen Wirtschaftseinbruch stemmen und den EU-Binnenmarkt zusammenhalten. Gleichzeitig soll in eine digitalere und klimafreundlichere Wirtschaft investiert werden. Dafür werden erstmals im großen Stil im Namen der EU Schulden aufgenommen, das Geld umverteilt und gemeinsam über Jahrzehnte getilgt.

Auch EU-Ratschef Charles Michel und EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen feierten den Beschluss als historisch. "Wir haben es geschafft", sagte Michel. Das sei der richtige Deal für Europa jetzt. "Wir sind uns bewusst, dass dies ein historischer Moment in Europa ist", ergänzte von der Leyen.

Sie erinnerte daran, dass die fast 100 Stunden Verhandlungen während der vier Tage und Nächte des Gipfels mehrfach am Rand des Scheiterns standen. "Das ist schon eine Achterbahn der Gefühle", sagte von der Leyen. Der Moment des Erfolgs sei jedoch atemberaubend. "Das ist etwas, was wir beide nie vergessen werden", sagte sie zu Michel.

Erst am Montag waren zwei der umstrittensten Einzelpunkte gelöst und damit der Weg zum Gesamtdeal freigemacht worden. Zum einen fand man endlich einen Kompromiss zum Kern des Corona-Programms: Die sogenannten sparsamen Staaten akzeptierten, dass gemeinsame Schulden aufgenommen werden und das Geld als Zuschuss an EU-Staaten geht. Im Gegenzug willigten Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien ein, die Summe dieser Zuschüsse aus dem Corona-Programm von 500 Milliarden Euro auf 390 Milliarden zu verringern. Dazu kommen 360 Milliarden Euro, die als Kredit vergeben werden.

Der zweite Knackpunkt wurde dann am Montagabend geklärt: Man fand eine Formel zur Koppelung von EU-Geldern an die Rechtsstaatlichkeit, die alle 27 Staaten annahmen. Zuvor hatten sich Polen und Ungarn strikt gegen einen solchen Rechtsstaatsmechanismus gewehrt, zumal gegen beide Staaten Verfahren wegen Verletzung von EU-Grundwerten laufen. Etliche EU-Staaten beharrten jedoch auf dem Mechanismus. Die Kompromissformel wurde von mehreren Staaten erarbeitet und in der Runde der 27 gebilligt.

Während EU-Vertreter sie als wirksame Koppelung bezeichneten, zitierte die polnische Nachrichtenagentur PAP polnische Regierungsquellen mit der Einschätzung, die Koppelung sei gestrichen worden. Ungarische Medien feierten die Einigung als Sieg für Ministerpräsident Viktor Orban.

Von der Leyen und Michel bestritten, eine starke Lösung sei zugunsten des Kompromisses geopfert worden. Mit qualifizierter Mehrheit der EU-Staaten könnten bei Verstößen Maßnahmen ergriffen werden, sagte von der Leyen. Zufrieden äußerte sich auch der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte, der die Rechtsstaatsklausel zur Bedingung für eine Zustimmung gemacht hatte. "Damit können die Auszahlungen gestoppt werden.". Er ergänzte aber: "Mein Ziel ist nicht, die Notbremse zu ziehen."

 

EU

Europaparlament bremst

Brüssel (dpa) - Das Europaparlament hat das beim EU-Gipfel vereinbarte europäische Haushaltspaket erst einmal gestoppt. Ziel sei es, mehr Geld für Klimaschutz, Forschung, Gesundheit und Studenten herauszuholen, erklärte das Parlament in einer mit großer Mehrheit angenommenen Resolution gestern.

"Wir sind derzeit nicht bereit, diese bittere Pille zu schlucken", sagte der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber (CSU). Ähnlich sehen das die anderen großen Fraktionen. Sie verlangen auch eine klare Regelung, dass EU-Geld bei Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit künftig gekürzt werden kann.

Die Staats- und Regierungschefs der 27 Mitgliedsländer hatten sich am Dienstag auf ein Corona-Krisenprogramm im Umfang von 750 Milliarden Euro und einen siebenjährigen EU-Haushalt von 1074 Milliarden Euro geeinigt. Der Haushalt braucht die Billigung des EU-Parlaments, das nun in einem Vermittlungsverfahren Änderungen durchsetzen will. Die Entscheidung fällt wahrscheinlich im September.

 

BREXIT

Schwierige Verhandlungen

London (dpa) - Ein Handelsabkommen mit Großbritannien ist nach Einschätzung von EU-Unterhändler Michel Barnier derzeit unwahrscheinlich. Dies sagte Barnier gestern nach der jüngsten Brexit-Verhandlungsrunde beider Seiten in London. Der EU-Vertreter begründete dies mit der britischen Weigerung, Klauseln für fairen Wettbewerb und ein ausgeglichenes Fischereiabkommen zu akzeptieren. Die Europäische Union werde sich dennoch weiter um eine Einigung bemühen.

Der britische Unterhändler David Frost hielt wie Barnier fest, dass es auch in der jüngsten Verhandlungsrunde in London kaum entscheidende Fortschritte gegeben habe. Es sei unglücklicherweise klar, dass es im Juli keine Verständigung über die Prinzipien eines Abkommens mehr geben werde.

Barnier sprach von einigen konstruktiven Gesprächen. Doch bei den beiden wichtigsten Punkten für die EU gebe es überhaupt keinen Fortschritt: nämlich den gleichen Wettbewerbsbedingungen - das sogenannte Level Playing Field - und bei der Fischerei. Auch Frost hob diese beiden Punkte hervor. Die Standpunkte der EU seien nicht mit der Rolle Großbritanniens als unabhängiges Land vereinbar.

Großbritannien hat die EU zwar bereits Ende Januar verlassen, gehört aber bis Jahresende noch zum EU-Binnenmarkt und zur Zollunion. Dann droht ohne Anschlussregelung ein harter wirtschaftlicher Bruch mit Zöllen und Handelshemmnissen. Eine Frist zur Verlängerung dieses Übergangszeitraums ließ London Ende Juni ungenutzt verstreichen. Die Verhandlungen über das Abkommen drehen sich seit Monaten im Kreis.


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