Von Marion Kaufmann
Dass bald unser Leben merklich anders sein wird als es im März 2020 war, daran ist kein Zweifel. Aber: werden, oder wollen wir uns an das neue Leben anpassen? Manche glauben, weil gerade einige der Vorsichtsmaβnahmen gelockert wurden und er oder sie wieder ins Kino bzw. zum Fuβball gehen kann, dass die Pandemie aufgehört hat. Irrtum! Sie geht weiter.
Die Technik hat den Wettlauf mit der Menschlichkeit gewonnen. Bei den Banken und Geschäften ist die Technologie ein Arbeitswerkzeug geworden. Natürlich funktioniert sie nur dann, wenn nicht nur die Chefs, sondern auch die Angestellten richtig ausgebildet werden.
Konnten wir früher unseren Arzt anrufen um etwas zu fragen, hat er dann nett geantwortet; heute ruft uns niemand an, wir bekommen ein Formular in dem man uns den Tag und die Stunde unseres Besuches angibt, das wir ausgefüllt zurücksenden; dann erhalten wir eine Nachricht vom Datum, dass wir bestätigen müssen. Ach, wir wollten doch nur etwas fragen ... Ja, das Ausfüllen von Formularen wird auch zum „neuen“ Leben gehören. Wahrscheinlich wird es einmal den „Dipl.-Ausfüller“ geben: ein neuer Beruf.
Eine gewisse Kälte bei den Beziehungen zwischen den Menschen kann jeder feststellen, der ein feines Ohr hat und Töne unterscheiden kann. Die „soziale Distanz“ hat sich eingebürgert. Die Jugend, die mit der Elektronik aufgewachsen ist, merkt wahrscheinlich gar nicht, dass sich das Leben geändert hat, denn sie leben, arbeiten, essen und schlafen mit dem Handy in der Hand. Schon seit langem. Man begrüβt sich –freundschaftlich- mit geballten Fäusten. Deine Faust auf meine Faust. Wollen wir, können wir uns anpassen?
Wir haben uns ja auch an die Geburtstagfeiern via Zoom gewöhnt; wir reden uns ein, dass dies fast das Gleiche ist, wenn das Kleine die Kerzen auf der Torte auspustet und so süβ aussieht – auf dem Bildschirm.
Es wird uns gehen wie den Männern und Frauen, die aus einem Krieg zurückkommen, die auch oft das Gefühl haben, dass alles anders geworden ist, die Arbeit, das gesellschaftliche Leben, der gewohnte Alltag und sie da nicht mitmachen können. So ähnlich wird uns zumute sein. Einen Krieg haben wir zwar nicht miterlebt, sondern den Kampf gegen das Virus und die Ansteckungsgefahr. Und wie bei jedem Frieden, müssen wir uns nun an die neue Lebensweise anpassen. Alles schön und gut. Aber ich frage mich, ob ich mich wohl daran gewöhnen werde, dass eine Freundin mir nur ein unpersönliches „t.q.m.“ schreibt, wenn sie mir gratulieren will?
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