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  • Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Widersprüchliche wirtschaftspolitische Ziele

Von Juan E. Alemann

Alberto Fernández steht vor einem wirtschaftspolitischen Dilemma, für das er keine Lösung hat. Auf der einen Seite will er die Inflationsrate senken, und auf der anderen will er die Rezession überwinden und eine Wachstumsphase einleiten, mit mehr Wohlstand für die Bevölkerung, was höhere Realeinkommen, mehr Beschäftigung und starke Verringerung der extremen Armut beinhaltet. So etwas ist seinerzeit Präsident Menem mit Wirtschaftsminister Cavallo gelungen, unter ganz anderen Umständen, als sie jetzt bestehen, und auch mit einer Wirtschaftspolitik, die eine allgemeine Privatisierung von Staatsunternehmen u.a. Bereichen der Staatsverwaltung einschloss, was den Grundkonzepten des Kirchnerismus diametral widerspricht. So wie die Dinge heute liegen, muss man zwischen Eindämmung der Inflation und Wachstum wählen. Wobei die Wirtschaft sich eventuell schon langsam erholt, wenn es gelingt, die Inflation auf ein Niveau von ca. 20% jährlich zurückzuschrauben, das in Argentinien als normal angesehen wird. Doch wenn man es umgekehrt macht, und Sofortwachstum erreichen will, ohne die Inflation zu berücksichtigen, dann geht die Rechnung nicht auf, und die Rezession dauert an, eventuell mit einer Vertiefung.

Die voraussichtlichen Initiativen des neuen Präsidenten, die über seine Gefolgsmannschaft durchsickern, sind sehr gefährlich. Es ist von einer allgemeinen Lohnerhöhung die Rede, eventuell mit einem festen Betrag, der für die niedrigen Löhne prozentual viel mehr darstellt als für die höheren, bei gleichzeitiger Preiseinfrierung. Das hat schon dazu geführt, dass viele Unternehmen ihre Listenpreise sofort erhöht haben. Damit dies den unmittelbaren Verkauf nicht stört, werden allerlei Rabatte u.a. Tricks eingesetzt. Diese Lohnerhöhung geht auf alle Fälle auf Preise über.

Ebenfalls sollen die Pensionen und Hinterbliebenenrenten erhöht werden, abgesehen von der automatischen Zunahme, die das bestehende Gesetz vorsieht. Das belastet die Staatsfinanzen noch mehr, die ohnehin schon ein Defizit ausweisen, das schwer zu finanzieren ist. Denn zunächst gibt es angesichts des Defaults keine zusätzliche Finanzierung für den Staat, abgesehen von den Krediten der Weltbank, der Interamerikanschen Entwicklungsbank, der Entwicklungsbank für Lateinamerika (ehemals Andenkörperschaft benannt) und chinesischer Banken. Doch diese Kredite decken nur einen geringen Teil der staatlichen Investitionen, aber nicht das laufende Defizit. Auch die kommende Regierung wird sich um eine Verringerung der Staatsausgaben kümmern müssen, umso mehr als die Steuereinnahmen auch unter der Rezession und der Inflation leiden. Der Staat ist somit gezwungen, nicht nur die laufenden Ausgaben, sondern besonders die öffentlichen Investitionen sehr niedrig zu halten, was eine rezessive Wirkung hat.

Die monetäre Expansion sollte nur minimal für Deckung des Staatsdefizits bestimmt sein. Im Wesen geht es darum, den Kredit für Privatunternehmen wieder in Gang zu setzen. Wenn diese mehr produzieren, auf der Grundlage der Erhöhung der Auslastung der Kapazität, dann brauchen sie mehr Arbeitskapital, über das sie selber meistens nur zum geringen Teil verfügen. Doch damit dieser Kredit eine Wachstumswirkung hat, müssen die Zinsen niedrig sein, also eine starke Abnahme der Inflation vorwegnehmen. Mit den bestehenden Zinsen binden sich die Unternehmen nur einen Strick um den Hals.

Die Wirtschaftler von A. Fernández denken angeblich in keynesianischen Kategorien. Keynes sagte, als die Krise der 30er Jahre wütete, die Nachfrage käme vor den Investitionen, weil kein Unternehmer bereit sei, zu investieren, wenn er das, was er dabei produzieren will, nicht verkaufen kann. Damals waren die Banken in Großbritannien sehr liquide, eben weil die Unternehmen keine Kredite aufnahmen. Keynes schlug vor, dass der Staat diese flüssigen Mittel aufnehme und damit öffentliche Arbeiten finanziere. Das war das Konzept, das US-Präsident Roosevelt mit dem “New deal” schon vor der Veröffentlichung des berühmten Buches von Keynes (1935) durchführte.

Doch die Lage in Argentinien ist ganz anders. Die Bankdepositen in Pesos sind im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt sehr gering (unter 10%), so dass eine aktive Kreditpolitik (in Pesos) Geldschöpfung bedeutet. In Argentinien wird allgemein in Dollar gespart, und das schafft eine ganz andere Lage, mit einem bimonetären System, dass weder die Ökonomen von Macri noch die von Fernández verstehen. Der Keynesianismus, so wie ihn die Fernández-Ökonomen angeblich auffassen, ist etwas grundsätzlich anderes als der von John Maynard Keynes, der viel vernünftiger als seine Epigonen war.

Die Wachstumspolitik muss im heutigen Argentinien anders verstanden werden. Gewiss ist eine gewisse Lockerung der Geldpolitik notwendig, aber die Mittel, die dabei geschaffen werden, müssen an die Privatunternehmen und nicht an den Staat gehen. Hohe Investitionen, staatliche und auch private, müssen als Wachstumsmotor ausgeschlossen werden. Das Wachstum muss zunächst auf der Rückkehr zu einer „argentinischen Normalität” beruhen, also auf einem drastischen Inflationsrückgang. Bei einer Inflation von über 50% jährlich, wie sei jetzt besteht, liegt die Hyperinflation für die Gesellschaft in sichtbarer Nähe, und das hat eine lähmende Wirkung . Als zweites muss dann an die zahlreichen Möglichkeiten gedacht werden, Wachstum durch Effizienzfortschritte, besonders durch Aufnahme technologischer Neuerungen, aber auch durch andere, zu erreichen.

Dabei muss auch das Konzept des wirtschaftlichen Gleichgewichtes verstanden werden. In diesem Sinn ist ein Überschuss der Leistungsbilanz unerlässlich. Doch vor allem geht es um eine umfassende Einkommenspolitik. Es muss eine strikte Begrenzung von Lohnerhöhungen und auch der Abwertung geben, was hier eine strenge Devisenbewirtschaftung erfordert, die erst gelockert werden kann, wenn sich die Lage normalisiert hat. In der tiefen Krise der 30er Jahre, unter der Regierung von Agustín P. Justo (der General und gleichzeitig Bauingenieur war), die als konservativ oder liberal eingestuft wird, wurde eine strenge Devisenbewirtschaftung eingeführt, mit Mengenbeschränkungen bei den Einfuhren und Erhöhung der Einfuhrzölle auf Konsumgüter, weil die Devisen als Folge des Zusammenbruchs der Preise der Exportprodukte sehr knapp waren. Damit wurde ein brutaler Kurssprung vermieden, und die Lage konnte beherrscht werden, ohne Inflation. Auch jetzt muss Realismus und Pragmatismus Vorrang vor Ideologien und politischem Wunschdenken haben. Sonst steuert die argentinische Wirtschaft direkt auf eine Katastrophe zu. Dessen sollten sich Alberto Fernández und auch Cristina Kirchner klar bewusst sein.

Schließlich sollte auch die Arbeitspolitik in dieses Gleichgewichtskonzept eingeschlossen werden. Das bedeutet zunächst, dass Lohnerhöhungen sehr beschränkt sein müssen, und der Reallohnrückgang zunächst nicht aufgeholt wird. Dann muss die Gesetzgebung dahingehend geändert werden, dass sie erlaubt, nichtstabile Arbeitsplätze zu besetzen (durch Verlängerung der Frist ohne Entlassungsentschädigung auf 2 Jahre), und auch die jugendlichen Arbeit gefördert wird, durch zeitlich befristete Abschaffung der Sozialabgaben für Neueinstellungen dieser Kategorie. Und dann muss auch an den einzelnen Gesamtarbeitsverträgen in diesem Sinn gearbeitet werden, was voraussetzt, dass die sogenannte “Ultraaktivität” der Arbeitsverträge (also deren Gültigkeit nach Ablauf, auch wenn sie nicht erneuert werden) abgeschafft wird. Politisch muss als dies unter dem Deckmantel der Vollbeschäftigung als oberstes Ziel der Arbeitspolitik verkauft werden. Das hat Macri nicht getan, und Fernández scheint sich auch nicht im Klaren darüber zu sein.

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