Selenskyj fordert neue Sicherheitsarchitektur
Kiew (dpa/wvg) - Nach fast einem halben Jahr Krieg im eigenen Land stellt der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj die globale Sicherheitsarchitektur insgesamt in Frage. Derzeit gebe es Schlagzeilen über Konflikte auf dem Balkan, um Taiwan und den Kaukasus, die ein Faktor eine: „Die globale Sicherheitsarchitektur hat nicht funktioniert“, sagte der ukrainische Präsident am Mittwoch in seiner täglichen Videoansprache.
Einmal mehr warf Selenskyj Russland vor, mit seinem Angriffskrieg gegen das Völkerrecht zu verstoßen. Das Problem sei, dass die Welt Russland diese Verstöße - sei es die Annexion der Krim, oder der Abschuss der Boeing über dem Donbass - lange habe durchgehen lassen. Der Krieg in der Ukraine zeige, wie fragil die Freiheit sei. Sie könne „nur durch kollektives Handeln geschützt werden, und damit dies dauerhaft funktioniert, bedarf es einer wirksamen globalen Sicherheitsarchitektur, die dafür sorgt, dass kein Staat jemals wieder Terror gegen einen anderen Staat einsetzen kann“.
Aus Kiews Sicht sind auch die Aussagen des deutschen Altkanzlers Gerhard Schröder unglaubwürdig, wonach Kremlchef Wladimir Putin bereit zu Friedensverhandlungen sei. „Es gibt nichts Zynischeres als die Behauptungen der Putin-Anhänger darüber, dass Russland bereit ist zu Verhandlungen“, schrieb der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba am Mittwoch auf seinem Twitter-Kanal. Die täglichen Beschüsse ukrainischen Territoriums sagten etwas anderes aus, meinte er. Schröder war bereits vergangene Woche abermals zu Besuch bei Putin, was bislang aber nicht bekannt war. In einem Interview mit dem Magazin „Stern“ sowie den Sendern RTL und ntv bezeichnete er das jüngst erzielte Abkommen der Kriegsparteien zu Getreide-Exporten aus der Ukraine als „ersten Erfolg“, den man vielleicht „langsam zu einem Waffenstillstand ausbauen“ könne.
Nach langwierigen Verhandlungen ist das erste Schiff mit Getreide an Bord aus der Ukraine am Dienstag auf dem Weg in Richtung Türkei ausgelaufen. Am Mittwoch legte der Frachter zu einer internationalen Kontrolle vor der türkischen Küste an. Das lang geforderte Ende der Getreide-Blockade löste weltweit ein positives Echo aus.
Kuleba hingegen verwies auf starken Artilleriebeschuss sowie Raketenangriffe gegen Zivilobjekte. Zudem beschuldigte er das russische Militär einmal mehr schwerer Kriegsverbrechen.
Die Zweifel an Russlands Verhandlungsbereitschaft erklärt Kiew auch mit dem aktuellen Kampfgeschehen. Im ostukrainischen Gebiet Donezk gibt es weiter schwere Kämpfe. Im Osten und Süden der Nachbarstädte Bachmut und Soledar seien an acht Abschnitten russische Angriffe abgewehrt worden, teilte der ukrainische Generalstab am Mittwoch bei Facebook mit. Auch bei der von ukrainischen Einheiten gehaltenen Industriestadt Awdijiwka habe es an fünf Abschnitten im Norden, Osten und Süden Angriffsversuche der russischen Truppen gegeben. Alle seien abgewehrt worden. Unabhängig sind die Angaben nicht zu überprüfen.
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