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  • Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

„Was empfindet ihr, wenn ihr zornig seid?“

Hommage an die Tänzerin Pina Bausch im Teatro Cervantes

Von Karoline Richter

Pina Bausch
“Tanz ist doppeldeutig, vielschichtig, geheimnisvoll, abstrakt. Mit einem Wort: Teufelswerk!“, so die Autorin Amy Fusselman im Programmheft zum Theaterstück. (Foto: Mauricio Cáceres)

Buenos Aires - Eine Frau und ein Mann umarmen einen Tänzer. Sein Kopf ist gefangen in einem Spiegel-Würfel. Innig küssen sie ihr Spiegelbild. Ein anderer Tänzer rennt zum Publikum, fällt hin, springt auf, immer wieder. Ein Liegender schluchzt, die Frau auf ihm bewegt sich nicht. Sie alle sind Getriebene, sie sind Geschöpfe Pina Bauschs, der berühmten deutschen Choreografin, an deren Lebenswerk das Teatro Nacional Cervantes in Buenos Aires in diesen Wochen erinnern will. Die argentinische Regisseurin Diana Szeinblum hat ihr aktuelles Tanzdrama „Obra del demonio Invocación XI - Bausch“ in Anlehnung an das Tanztheater von Pina Bausch inszeniert und ihrer ehemaligen Mentorin gewidmet.

Entstanden ist eine tänzerische Traumwelt, die den Zuschauer zunächst ratlos macht, dann zunehmend in ihren Bann zieht: Begleitet von apokalyptischen Klängen schreien und stöhnen teuflische Figuren, sie laufen durchs Publikum, sie schleudern Lampen und Kreisel durch die Luft, sie entblößen sich. „Für uns, die wir damals zu tanzen begannen, waren Pina und ihr Wuppertaler Tanztheater ein Bruch mit allem, was wir bis dahin für Tanz hielten“, schreibt Diana Szeinblum im Programmheft zu „Obra del demonio“. „Sie erschuf diese unfassbare Einheit aus Tanz und Theater.“

Pina Bausch, die von 1973 bis zu ihrem Tod 2009 das Tanztheater Wuppertal leitete, gilt als die große Meisterin des Ausdruckstanzes. In ihren Stücken verschmelzen Gesang, Sprache und Musik, die Grenze zwischen Bühne und Publikum ist fließend. Bauschs Tänzer sind auch Schauspieler. Männer tragen Frauenkleider und umgekehrt. „Was empfindet ihr, wenn ihr zärtlich seid, zornig oder traurig“, fragte Bausch ihre Tänzer immer wieder. „Und wie bewegt ihr euch dann?“

Tatsächlich ist es das erste Mal, dass der Hauptsaal „María Guerrero“ des Teatro Nacional Cervantes seine Pforten für eine Tanzdarstellung öffnet. Diana Szeinblum, die über vier Jahre im Wuppertaler Ensemble von Pina Bausch gelernt und getanzt hat, scheint prädestiniert für die Aufgabe, ihrer Mentorin ein Theater-Denkmal zu setzen. Und so ist es Szeinblum auch gelungen, einige der renommiertesten argentinischen Tänzerinnen auf die Cervantes-Bühne zu locken, darunter die Ballettstars Margarita Molfino und Florencia Vecino sowie den Schauspieler Diego Velázquez.

Selbst das Bühnenbild des bekannten Künstlers Eduardo Basualdo ist eine Reminiszenz an Bausch. Die gebürtige Solingerin ließ ihre Tänzer mit Erde, Felsen, Sand oder Wasser experimentieren. Und so erinnert auch die riesige Folie aus mattschwarz lackierten Aluminiumblechen, die die Tänzer über die Cervantes-Bühne ziehen, an Vulkangestein und Meteoriten. Das Rascheln, das entsteht, wenn Aluminiumteppiche über Holzboden gleiten, hört sich an wie Regen, es entspannt und beruhigt.

Zweimal ist Pina Bausch mit ihrem Wuppertaler Ensemble nach Buenos Aires gereist, stellte „Café Müller“ oder „Consagración de la primavera“ vor, Stücke, die die Sehnsucht nach Freiheit und Liebe thematisieren und die junge Tänzerin Diana Szeinblum dazu inspirierten, sich später selbst einmal als Choreografin zu betätigen. In Buenos Aires nahm Pina Bausch Tango-Unterricht bei dem bekannten Milonga-Tänzer Tete Rusconi, holte ihn sogar nach Wuppertal, um ihren Tänzern Tango beizubringen.

„Wenn ich einen Tänzer auswähle, dann unter anderem deshalb, weil ich ihn wirklich kennen lernen möchte“, sagte Pina Bausch einmal in einem ihrer seltenen Interviews. „Sie alle sind sehr schüchtern, auch wenn sie auf der Bühne nicht so aussehen. Wer schüchtern ist, tanzt mit Ausdruck.“

Warum die Hommage an Bausch den Namen „Stück des Dämons“ trägt, deutet die Autorin Amy Fusselman im vorliegenden Programmheft an: „Wir versinken in den Eigenschaften, die Tanz auszeichnen: Tanz ist doppeldeutig, vielschichtig, geheimnisvoll, abstrakt, (…), er ist wie eine Frage ohne Antwort, mit einem Wort: Teufelswerk!“

Das 2,5-stündige Tanztheater „Obra del demonio“ wird bis zum 16. Oktober donnerstags bis sonntags ab 20 Uhr im Teatro Cervantes gezeigt. Mehr Infos auf www.teatrocervantes.gob.ar

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