„Frente de Todos“ verliert Mehrheit im Senat
Buenos Aires (dpa/wvg) - Die linke Regierung von Präsident Alberto Fernández hat bei der Parlamentswahl am Sonntag eine Schlappe hinnehmen müssen. Sein Bündnis „Frente de Todos“ (FdT, „Front aller“) kam nach Auszählung fast aller Stimmen am Montag auf gut 33 Prozent - ein Minus von rund zwölf Prozentpunkten im Vergleich zur Wahl vor zwei Jahren. Die konservative Bewegung „Juntos por el Cambio“ (JxC, „Gemeinsam für den Wandel“) konnte sich leicht auf fast 42 Prozent verbessern. Viele Wähler waren nach Einschätzung von Kommentatoren mit der schlechten Wirtschaftslage und den Grabenkämpfen in der Regierung unzufrieden. Die Wahlschlappe hatte sich bereits bei den Vorwahlen im September abgezeichnet.
Von den insgesamt 24 Provinzen (inkl. CABA) gingen lediglich neun an die Regierungskoalition des „Frente de Todos“. Neben acht Provinzen im äußersten Norden des Landes konnte das Bündnis auch in der südlichsten Provinz Feuerland eine Mehrheit erlangen. Die Opposition von „Juntos por el Cambio“ gewann in 13 Provinzen, darunter in der Bundeshauptstadt sowie in der umliegenden Provinz Buenos Aires - einst der Hochburg des Peronismus. In Neuquén und Río Negro gewannen lokale Wahlbündnisse. Bei der Präsidentenwahl 2019 kam „Juntos por el Cambio“ in lediglich sechs Provinzen auf eine Mehrheit.
In der für die Wahl ausschlaggebenden Provinz Buenos Aires konnte die Regierung gegenüber dem Vorwahlergebnis leicht aufholen. Mit knapp 38,5 Prozent für „FdT“-Spitzenkandidatin Victoria Tolosa Paz schmolz der Vorsprung der Opposition auf nur knapp über ein Prozent (39,8 Prozent). Die Regierungskoalition wertete das Ergebnis in der Provinz trotz des zweiten Platzes als „Gleichstand“.
In der Autonomen Stadt Bue-nos Aires lag die Opposition hingegen wie erwartet klar vorne. „JxC“-Kandidatin María Eugenia Vidal verpasste die absolute Mehrheit mit 47 Prozent der Stimmen nur knapp und ließ ihren Hauptkonkurrenten Leandro Santoro (FdT, 25 Prozent) weit hinter sich. Für Aufsehen sorgte das starke Abschneiden von Javier Milei („La Libertad Avanza“), welcher in der Bundeshauptstadt auf 17 Prozent der Stimmen kam.
Mit dem Wahlergebnis verlieren Fernández‘ Peronisten erstmals seit der Rückkehr zur Demokratie 1983 die Mehrheit im Senat. Um Gesetze verabschieden zu können, ist die Regierungskoalition künftig auch auf Stimmen aus dem Lager der Opposition angewiesen. In der Deputiertenkammer konnte die Regierungskoalition ihre Mehrheit knapp behaupten.
Die Wahl, bei der die Hälfte der Abgeordneten und ein Drittel der Senatoren neu bestimmt wurde, galt auch als Stimmungstest für die Regierung Argentiniens. 2023 steht die nächste Präsidentenwahl an.
Staatschef Fernández warb gleich nach der Schließung der Wahllokale am Sonntagabend für ein breites Bündnis, um die drängenden Probleme des Landes zu lösen. „Wenn wir die Herausforderungen meistern wollen, brauchen wir einen Konsens mit großen Mehrheiten“, sagte er in einer Ansprache. „Heute beginnt der zweite Teil unserer Amtszeit, und die Argentinier brauchen eine Perspektive. Wir haben ein Recht auf Hoffnung.“
Das Wahlergebnis war vor allem auch eine krachende Niederlage für Vizepräsidentin und Senatspräsidentin Cristina Kirchner. Die frühere Staatschefin (2007-2015) galt bislang als die eigentliche Strippenzieherin in der Regierung. Der Verlust der Senatsmehrheit dürfte Kirchners Position im internen Machtkampf nun schwächen.
Eines der drängendsten Probleme während des zweiten Teils der Amtszeit von Präsident Fernández dürfte die massive Schuldenlast sein. Argentinien steht allein beim Internationalen Währungsfonds (IWF) mit etwa 44 Milliarden US-Dollar in der Kreide. Im kommenden Jahr müssten rund 19 Milliarden Dollar getilgt werden, was das Land wohl kaum stemmen kann.
Fernández kündigte noch am Wahlabend eine Gesetzesinitiative an, um die Grundlage für Nachverhandlungen mit dem IWF zu schaffen. „Wir müssen uns dieser Herausforderung stellen, um die enormen Schäden, die diese Verschuldung verursacht hat und deren Folgen mehrere Generationen belasten werden, so weit wie möglich zu beheben“, sagte der Staatschef.
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