Von Juan E. Alemann
Die Regierung hat zahlreiche Maßnahmen eingeleitet, um einen Zuwachs an Wählern am 14. November zu erreichen, und auch um sektoriellen Forderungen entgegenzukommen. Das soll einmal einen unmittelbaren Aufschwung herbeiführen, weil mehr konsumiert wird Aber gleichzeitig will die Regierung mit anderen Ankündigungen den Eindruck vermitteln, dass auch eine neue langfristige Politik eingeleitet wird. Schließlich soll die Empfehlung von Kabinettschef Juan Luis Manzur verfolgt werden, ständig gute Nachrichten zu verbreiten. Es ist auffallend, dass die Regierung, diese und die vorangehenden, es nicht verstehen, positive Erscheinungen, die auch in Krisenzeiten auftreten, zu verbreiten und deren Bedeutung hervorzuheben, und die Krisenlage weniger dramatisch darzustellen. Ob dies jetzt gelingt ist fraglich. Manzur sollte sich intensiv mit dem Thema befassen. Er sollte damit beginnen, unserem Rat zu folgen, das Problem der Staatsschuld zu entschärfen, indem die innerstaatliche Schuld, und die langfristigen Kredite der Weltbank, der BID u.a. Banken ausgeklammert werden. Dabei ergibt sich eine Staatsschuld, die im Verhältnis zum BIP im internationalen Vergleich niedrig ist. Das ist ein günstiger Ausgangspunkt, und dient auch zur Entschärfung der Furcht vor einem Default.
Die Sofortmaßnahmen führen zu einer erhöhten Geldschöpfung, die eine gefährliche Inflationswirkung hat. Aber außerdem widerspricht dies der Forderung des IWF, dass die Staatsausgaben gekürzt und der Strom- und Gastarif erhöht wird, so dass ein sehr niedriges primäres Defizit erreicht wird. Der Fonds dürfte zusätzliche Ausgaben beanstanden, zumal jetzt die Generaldirektorin Kristalina Georgiewa geschwächt wurde (weil sie beschuldigt wurde, seinerzeit als Direktorin der Weltbank China in unzulässiger Weise begünstigt zu haben), so dass die Fachbeamten des Fonds mehr Gewicht bei den Entscheidungen erhalten. Und diese sind eben härter bei ihren Forderungen, weil sie politische Gesichtspunkte bei Seite lassen.
Ein Umschuldungsabkommen mit dem Fonds schon im Dezember abzuschließen, wie es im Haushaltsgesetz für 2022 vorgesehen ist, wäre dabei kaum möglich. Das bedeutet, dass die paralysierende Ungewissheit andauert. Denn ohne Fondsabkommen steht ein neuer Default kurz bevor, der schlimme Folgen haben würde, wobei allein die Aussicht, dass es so kommt, allgemein unternehmerische Initiativen hemmt, die sich auf Investitionen und allerlei Geschäfte beziehen. Indessen besteht Guzmán gegenüber Unternehmern u.a. auf dem Abschluss im Dezember. Bedeutet dies, das er schließlich die zusätzlichen Ausgaben bremst oder stark verringert? Der Deputierte Máximo Kirchner, der als Sprecher seiner Mutter Cristina auftritt, hat erneut Guzmán kritisiert und eine Zahlungsperiode von 20 Jahren gefordert, obwohl er wissen muss, dass dies nicht möglich ist, nachdem die Fondsstatuten nur bis zu 10 Jahren vorsehen. Will er einen Bruch mit dem IWF? Auf alle Fälle hat er mit seinen Äußerungen für noch mehr Misstrauen und Ungewissheit gesorgt.
Bei diesen wahlbedingten Maßnahmen geht es für den Fiskus angeblich um insgesamt $ 450 Mrd., gleich etwa 1% des Bruttoinlandsproduktes. In der Tat dürften es schließlich weniger sein, weil Guzmán auf die Bremse tritt und die finanziellen Kosten der einzelnen Maßnahmen beschränkt. Ohnehin läuft beim Staat alles langsamer und schlechter als geplant. Konkret handelt es sich um folgendes: Erhöhung von Pensionen und Renten von etwa 1 Mio. Fällen, vorzeitige Pensionierung für Personen mit 30 Beitragsjahren, denen 5 Jahre für das Pensionierungsalter fehlen, Erhöhung des steuerfreien Minimums für Beschäftigte im Abhängigkeitsverhältnis bei der Gewinnsteuer, Erweiterung des REPRO-Systems (Subvention für Kurzarbeit), verschiedene soziale Kreditprogramme, Erweiterung des Steuermoratoriums, höhere Subventionen für Ernährungsprogramme und verschiedene Subventionen, die gelegentlich auch unterschwellig vergeben werden, wie Zahlungen an die Leiter sozialer Organisationen und politischer Aktivisten. Die Wahlkampagne der Regierungspartei wird zum großen Teil auch mit öffentlichen Mitteln finanziert, obwohl dies nicht zulässig ist.
Die Regierung hat auch versucht, den Konflikt mit der Landwirtschaft zu entschärfen, der vor allem im Landesinneren auf die Stimmung und die Wahlabsichten abfärbt. Als erstes wurde bestimmt, dass bestimmte Rindfleischexporte nicht vom Exportverbot betroffen werden, was jedoch eine geringe Bedeutung hat. Und dann hat Präsident Alberto Fernández in Anwesenheit von Cristina Kirchner angekündigt, dass das Gesetzesprojekt über Förderung der Landwirtschaft, das mit dem Landwirtschaftsrat (dem zahlreiche Verbände der Landwirtschaft und der Industrie, die mit der Landwirtschaft zusammenhängt, schon zugestimmt haben) jetzt im Kongress eingebracht werde. Es handelt sich dabei jedoch nur um einige konkrete Maßnahmen, wie die neue Berechnung des Rinderbestandes bei der Gewinnsteuer, bei der die Steuer nicht im Voraus gemäß der Bewertung des Bestandes bezahlt wird, sondern erst beim Verkauf erhoben wird. Auch andere Maßnahmen, die die Mästung und die Düngung fördern, und auch die kurzfristige Rückgabe der Saldi bei der MwSt. stellen Erleichterungen dar.
Aber grundsätzlich verbleibt die Landwirtschaftspolitik wie sie ist. Sprecher der großen Landwirtschaftsverbände haben sich kritisch geäußert und darauf hingewiesen, dass dies grundsätzlich nichts an der bestehenden Landwirtschaftspolitik ändert. Das absurde Verbot des Rindfleischexportes, und der ebenfalls absurd hohe Exportzoll von 33% auf Sojabohne verbleiben. Mit den angekündigten Maßnahmen wird das Ziel des genannten Verbandes, die Exporte von landwirtschaftlichen Produkten und ihren Industrieprodukten von gegenwärtig bis zu u$s 60 Mrd. auf u$s 100 Mio. jährlich zu erhöhen gewiss nicht erreicht. Die Ausdehnung der Produktion von Getreide und Ölsaat auf trockenere Grenzgebiete ist durchaus möglich, erfordert aber künstliche Bewässerung, die teuer ist, hohe Investitionen voraussetzt, und somit höhere Preise erfordert. Bei einem Exportzoll von 33% bei Sojabohne, ist dies gewiss nicht möglich. Und eine Preisdifferenzierung nach Gebieten ist auch nicht möglich. Eine Senkung des Exportzolles für Sojabohne bedeutet niedrigere Fiskaleinnahmen beim Exportzoll. Doch das sollte durch den höheren Export und die Zunahme des Betrages der Gewinnsteuer, die Sojaproduzenten infolge höherer Preise und entsprechend höherer Gewinne zahlen, ausgeglichen werden. Aber eben nicht sofort.
Im Grunde ist sich die Regierung bewusst, dass eine effektive Landwirtschaftspolitik, bei der die Landwirte netto ein höheres Einkommen erhalten, der angestrebten Einkommensumverteilung zu Gunsten der städtischen Arbeitnehmer widerspricht. Die Regierung steht vor einem Dilemma: Argentinien benötigt einen Exportsprung, als conditio sine qua non für kontinuierliches Wachstum. Aber dieser führt beiläufig dazu, dass die Landwirte ein höheres Einkommen erhalten, und das geht zumindest unmittelbar und zum Teil zu Lasten anderer Bevölkerungsgruppen. Die Landwirtschaft bietet die einzige effektive Möglichkeit, um die Exporte in wenigen Jahren stark zu erhöhen. Gewiss sollten auch zusätzliche Exporte von Produkten des Bergbaus und der Industrie hinzukommen; aber das macht den Kohl nicht fett.
Vor Kurzem hat die Regierung auch ein Gesetzesprojekt über die Erdölwirtschaft im Kongress eingebracht. Es ist nichts neues. Es geht dabei um langfristige Bedingungen, um Investitionen anzuspornen. Im Kongress ist dies schon auf Kritik gestoßen, wie es schon vorher bei einem ähnlichen Regierungsversuch der Fall gewesen war. U.a. wird beanstandet, dass der Preis für Erdöl und Gas in Dollar berechnet wird, was sich dann auf die Preise von Benzin und Dieselöl überträgt. Schließlich wirkt sich dies auch auf die Stromkosten aus, womit die Notwendigkeit der Tariferhöhung akuter wird. Auch bei der Erdöl- und Gaswirtschaft stellt sich ein ähnliches Problem wie bei der Landwirtschaft: es muss mehr produziert werden, um Importe zu vermeiden und eventuell auch exportieren zu können, aber makroökonomisch geht dies auf Kosten des Einkommens der Bevölkerung. Doch das gleiche Gesetzesprojekt ist so dirigistisch verfasst und enthält so viele Beschränkungen und Bedingungen, und so viel Abhängigkeit von staatlichen Einzelentscheidungen, dass es für Unternehmen abschreckend wirkt. Es besteht dabei der Eindruck, dass die Regierung das, was sie mit der rechten Hand gibt, mit der linken wieder nimmt.
Langfristig schafft Wachstum auch ein höheres Realeinkommen für die Beschäftigten, aber kurzfristig kann es zu einer Verringerung führen. Doch wenn versucht wird, das Realeinkommen der Arbeitnehmer und der selbstständig Tätigen zu erhalten oder sogar zu erhöhen, wie es der Präsident ständig äußert, dann bleiben die genannten Wachstumsimpulse aus, und die Wirtschaft stagniert oder wächst wenig, mit Schwankungen und wiederholten Rezessionsperioden, wie es seit einem ganzen Jahrzehnt schon der Fall war. Eine Kompromisslösung, wie sie schließlich bei einer Lage, wie dieser zustande kommen sollte, ist nicht einfach.
Bình luận