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Wachstumsmotor für Argentinien

Zukunftsforum diskutiert die Chancen der globalen Energiewende

Von Karoline Richter

Zukunftsforum
Diskussionsrunde mit der deutschen Staatssekretärin Jennifer Morgan (r.) und der argentinischen Klimapolitikerin Cecilia Nicolini (2.v.l.). (Foto: Richter)

Buenos Aires (AT) - Wie können Argentinien und Deutschland die globale Energiewende voranbringen und zugleich wirtschaftlich davon profitieren? Nur wenige Tage nach dem Abschluss der Weltklimakonferenz (COP 27) in Ägypten standen die Klimakrise und der Energiedialog beider Länder im Mittelpunkt einer zweistündigen Infoveranstaltung in der Deutschen Botschaft.

Eingeladen hatten neben der deutschen Auslandsvertretung auch die Grünen-nahe Heinrich-Böll-Stiftung und die Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ). Bei über 30 Grad Außentemperatur diskutierte Jennifer Morgan (Staatssekretärin und Sonderbeauftragte für internationale Klimapolitik im Auswärtigen Amt) unter anderem mit Cecilia Nicolini (Nationale Staatssekretärin für Klimawandel, Nachhaltige Entwicklung und Innovation), Flavia Royón (Nationale Staatssekretärin für Energie) und Arabela Carreras (Gouverneurin der Provinz Río Negro) über die vielfältigen Ressourcen Argentiniens, das neben den Rohstoffen Lithium und Kupfer nach Ansicht aller Anwesenden auch über beste Voraussetzungen für grünen Wasserstoff sowie Wind- und Solarenergie verfügt.

Die Provinz Río Negro im Süden Argentiniens beispielsweise ist gesegnet mit Wind, Wasser und Sonne und könnte eine Schlüsselrolle spielen bei der Produktion grünen Wasserstoffs mit Hilfe sauberer Energien: Grüner Wasserstoff ermöglicht die klimaneutrale, chemische Speicherung von Energie auf kurzem Raum und für lange Zeit.

Der deutsche Botschafter Ulrich Sante eröffnete die Veranstaltungsreihe „Foro Futuro“ (Zukunftsforum), an der diesmal rund 150 Interessierte aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft teilnahmen. Die Welt stehe vor schwerwiegenden Folgen der Klimakrise, warnte Sante, die bislang am Wachstum orientierte Gesellschaft müsse umdenken. Entscheidend seien industrielle Transformation und Energiewende, beides zentrale Themen des Zukunftsforums, das den deutsch-argentinischen Energiedialog voranbringen wolle.

„Der Ausbau der erneuerbaren Energien kann ein Wachstumsmotor für Argentinien sein“, ergänzte Staatssekretärin Morgan in ihrem Eingangsstatement. „Damit lassen sich Jobs und Wohlstand generieren.“ Für die ökologische Transformation der Wirtschaft suche Deutschland weltweit nach Partnern, „die ambitionierte Klimapolitiken in die Tat umsetzen wollen.“ Mit Blick auf Argentinien stehe die deutsche Wirtschaft längst in den „Startlöchern für Investitionen.“ Die Industrie warte nur noch auf die „richtigen rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen, um langfristige Planungssicherheit zu haben“, so Morgan. Die aus den USA stammende Politikerin leitete von 2016 bis 2022 die Umweltschutzorganisation Greenpeace International, ehe sie zum Auswärtigen Amt wechselte.

Jörg Haas, Experte für transformative Wirtschaftspolitik bei der Heinrich-Böll-Stiftung, zeigte am Beispiel Namibias, über welches enorme wirtschaftliche Potential etwa grüner Wasserstoff verfügt. In der Nähe der afrikanischen Küstenstadt Lüderitz ist - auch mit Hilfe deutscher Investoren - das gigantische Projekt „Hyphen“ zur Produktion von grünem Wasserstoff geplant. Das Investitionsvolumen beträgt rund elf Milliarden US-Dollar. Die Gegend hat mit starkem Wind und intensiver Sonne beste Bedingungen für das Vorhaben, von dem sich Namibia unzählige neue Jobs und ein kräftiges Wirtschaftswachstum verspricht. Allein für den Bau der Anlage werden etwa 15.000 Arbeitskräfte benötigt, für den Betrieb sind mehr als 7000 Fachkräfte erforderlich. Laut Haas könnte das Projekt ein Modell für Argentinien sein, das über ähnlich günstige Voraussetzungen zur Wasserstoff-Produktion verfüge wie etwa Namibia.

Neben Jörg Haas ist auch Morgan gerade erst aus dem ägyptischen Konferenzort Sharm el-Sheikh zurückgekehrt, ebenso wie Staatssekretärin Nicolini. Die Bilanz der COP-Teilnehmer fällt gemischt aus. Bei den Emissionen sei wenig erreicht worden, gibt Morgan zu. Im Moment bewege sich die Menschheit auf einem Pfad in Richtung einer 2,6- bis 2,8-Grad-Welt zu. Es reiche nicht, so weiterzumachen wie bisher, wenn die 1,5-Grad-Grenze des Pariser Abkommens eingehalten werden solle. Argentinien spüre die Folgen des Klimawandels bereits, warnte Morgan, „wenn in Patagonien die Gletscher schmelzen und in den Provinzen Corrientes und Chaco die Wälder in Flammen stehen“.

Die argentinische Klimapolitikerin Nicolini kritisierte an der COP, dass auch nach dem Gipfel noch zahlreiche finanzielle Fragen ungeklärt seien, etwa bei der Unterstützung der von den Folgen des Klimawandels am meisten betroffenen, ärmeren Ländern. Der Norden müsse seinen finanziellen Verpflichtungen in Höhe von rund 100 Milliarden US-Dollar endlich nachkommen. Auch für Argentinien sei die Finanzierung der entscheidende Punkt bei der geplanten Energiewende, der „Mutter aller Schlachten“, prophezeite Nicolini.

Trotzdem würdigten die meisten Diskussionsteilnehmer die essentielle Rolle multinationaler Klimakonferenzen. Sie alleine reichten allerdings nicht aus, betonte Morgan, die unmittelbar nach der COP nach Lateinamerika gereist ist, was auch die Bedeutung der Region für die deutsche Energiepolitik unterstreichen soll. „Die Zukunft ist erneuerbar“, bilanzierte die 56-Jährige. „Wir müssen zusammenarbeiten, wenn wir die ökologische und ökonomische Transformation gestalten wollen: Unternehmen, Wissenschaft, Zivilgesellschaft, Politik, wir alle!“



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