Scholz fordert "industrielle Revolution" für den Klimaschutz
Von Michael Fischer und Torsten Holtz
Scharm el Scheich - Bundeskanzler Olaf Scholz hat auf der Weltklimakonferenz für seinen Idee eines globalen Klimaclubs von Ländern mit ehrgeizigen Zielen bei der Bekämpfung der Erderwärmung geworben. Er lud dazu am Dienstag im ägyptischen Scharm el Scheich ausdrücklich auch China ein, das rein mengenmäßig weltweit am meisten klimaschädliche Gase ausstößt. "Die Zeit wird knapp. Die nächste industrielle Revolution muss nun starten", forderte Scholz.
Massive Kritik an dem zweitägigen Auftritt des Kanzlers bei der Weltklimakonferenz kam von Klimaschützern. Sie warfen ihm vor, weiter zu stark auf klimaschädliche fossile Energieträger wie Öl, Gas und Kohle zu setzen. "Die Taten und die Worte von Olaf Scholz stehen sich praktisch gegenüber", sagte die Aktivistin der Klimaschutzbewegung Fridays for Future, Luisa Neubauer.
Klimaclub der Willigen
Den Klimaclub will der Kanzler noch in diesem Jahr während seiner Präsidentschaft in der G7 wirtschaftsstarker Demokratien formal gründen. Es geht dabei vor allem um den klimafreundlichen Umbau der Industrie. Bei Zweigen wie der Zement- und Stahlproduktion sei das dringend nötig, sagte Scholz. Es müssten gemeinsame Regeln und Standards verabredet werden, damit es angesichts der hohen Investitionen nicht zu Verzerrungen des Wettbewerbs komme.
Der Club soll grundsätzlich offen für alle Länder sein, unabhängig von Größe, wirtschaftlichem Entwicklungsgrad und politischem System. "Große Länder wie Indien und China sind da ganz bedeutsam. Sie werden ja einen großen Anteil der Weltwirtschaft auch in Zukunft ausmachen, sogar einen wachsenden", sagte Scholz.
Neben dem Umbau der Industrie soll der Club einer Verlagerung von Produktion in Länder mit laxeren Klima-Auflagen entgegenwirken. Mit Energiepartnerschaften wollen die wirtschaftsstarken G7-Länder ärmeren Staaten beim Wandel hin zu einer klimafreundlicheren Wirtschaft helfen.
Schutzschirm gegen Katastrophe
Ein Schutzschirm zur Abfederung von Klimarisiken soll in der zweiten Woche der Klimakonferenz offiziell gegründet werden. Das Büro dafür soll in Frankfurt am Main entstehen, Deutschland stellt 170 Millionen Euro als Anschubfinanzierung zur Verfügung. Welche Länder sich sonst noch mit wie viel Geld beteiligen, ist unklar. Die Mittel sollen besonders stark von Katastrophen wie Wirbelstürmen, Dürren oder Fluten betroffenen Ländern zur Verfügung gestellt werden. Die haben sich bereits vor einigen Jahren in der V20 organisiert, der inzwischen 58 Staaten in Afrika, Asien, im Pazifik und in Lateinamerika angehören.
Die Umweltorganisation Germanwatch lobt die Initiative zwar grundsätzlich. Mit den 170 Millionen Euro etabliere sich Deutschland als Vorreiter unter den Industrieländern. "Mit Blick auf die tatsächlichen Schäden und Verluste durch die Klimakrise ist die Summe allerdings nur ein Tropfen auf den heißen Stein." Verschiedene Studien schätzen die Schäden allein in den Entwicklungsländern bis 2030 auf mehrere hundert Milliarden Euro pro Jahr.
Eine Milliarde für den Wald
Aus demselben Topf wie die Mittel für den Klima-Schutzschirm kommen die deutschen Gelder für den Schutz der Wälder weltweit, die bis 2025 von einer auf zwei Milliarden Euro aufgestockt werden sollen. Sie sollen vor allem den Regenwäldern im zentralafrikanischen Kongobecken und im südamerikanischen Amazonas-Gebiet zugute kommen. Nach Angaben des Entwicklungsministeriums gingen seit 1990 schätzungsweise 420 Millionen Hektar Wald verloren, das entspricht ungefähr der Größe der Europäischen Union. 88 Prozent der Waldzerstörung gehe auf die Landwirtschaft zurück.
Absage an fossile Energien
Verärgerung bei Klimaschützern löste Scholz in Scharm el Scheich mit seiner Warnung vor einer "Renaissance der fossilen Energien" und dem damit verbundenen Versprechen aus, dass es diese Renaissance in Deutschland nicht geben werde. Dies sei eine "Täuschung der internationalen Öffentlichkeit", wenn Scholz gleichzeitig Geld für neue Gasfelder in Afrika bereitstellen wolle, die die Klimakrise anheizen, sagte der geschäftsführende Vorstand von Greenpeace Deutschland, Martin Kaiser.
Auch die Wissenschaft stellt Deutschland bisher aber keine gute Noten aus, was den Fortschritt beim Klimaschutz angeht: Nur zwei Tage vor dem Start der Beratungen in Ägypten hatte der unabhängige Expertenrat die deutschen Klimaschutzbemühungen als unzureichend abgewatscht - auch wenn die um Nüchternheit bemühten Fachleute das nie so formulieren würden. Ihr Fazit: Unwahrscheinlich, dass Deutschland sein Ziel, den Ausstoß an Treibhausgasen bis 2030 um mindestens 65 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken, noch schaffen kann. (dpa)
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