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Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Von Liblar bis Amerika

Paris oder Berlin als Geburtsstadt machen etwas her, aber Bliesheim, Liblar oder Lechenich? Wer kennt die Örtchen schon? Sie alle liegen im nahen Umkreis von Köln, haben zwar keinen Goethe oder Thomas Mann hervorgebracht, aber neben dem Blumenhändler in Lechenich am Römerhofweg 4 entdecke ich eine Plakette: „In diesem Haus wurde am 5. Dezember 1919, der Fußballspieler, nationale und internationale Fußballtrainer, Dozent und Fachbuchautor Hennes Weisweiler geboren.“ Als Schüler von Sepp Herberger galt er nach Erfolgen mit Borussia Mönchengladbach in den 1970er Jahren und drei deutschen Meisterschaften als einer der besten Vereinstrainer weltweit. Das Maskottchen des 1. FC Köln, der Geißbock Hennes, wurde 1950 nach ihm benannt.

Heute weit bekannter ist wohl Michael Schumacher, geboren 1969 in Hermülheim bei Hürth. Der erfolgreichste Pilot der Formel-1-Geschichte besuchte die Schule in Kerpen, wo sein Vater eine Kartbahn gepachtet hatte und „Schumi“ später auch heiratete. Seine Karriere begann mit Siegen am Hockenheimring und dem heimatlichen Nürburgring. Nach mehrmals angekündigten Rücktritten wurde die Laufbahn des auch sozial engagierten Schumacher durch seinen schweren Skiunfall im Dezember 2013 endgültig beendet. Seit 2001 gibt es in Kerpen eine Michael-Schumacher-Straße.

Das Städtchen mit im Kern 15 000 Einwohnern ist aber auch stolz auf Adolph Kolping, der am 8. Dezember 1813 als Sohn eines Lohnschäfers an der Obermühle 21 zur Welt kam. In einem Nachfolgegebäude erinnert ein Museum an ihn. Nach einer Schuhmacherlehre studierte er in München und Bonn, wo sich eine Plakette an seinem Wohnhaus befindet; 1849 kam er als Domvikar nach Köln und gründete den Kölner Gesellenverein, die Keimzelle des Kolpingwerkes, eines Sozialwerks der katholischen Kirche, das sich der Jugend- und Erwachsenenbildung sowie humanitären Projekten in 61 Ländern widmet. Er starb 1865 in dem von ihm 1853 eröffneten Hospiz für Gesellen in der “Breite Straße“ 110 in Köln. In der aus dem 13. Jahrhundert stammenden Minoritenkirche am heutigen Kolpingplatz liegt er begraben. In 1088 deutschen Orten gibt es Straßen seines Namens, am Kölner Rathausturm ist er durch eine Figur verewigt. Seit 2012 trägt Kerpen den Ehrennamen „Kolpingstadt“.

Am weitesten gebracht, auch in geographischer Hinsicht, hat es Carl Schurz. Er wurde 1829 als Sohn eines Landschullehrers in der Vorburg von Schloss Gracht in Liblar, heute zu Erftstadt gehörig, geboren. Die Straße seines Namens führt daran vorbei. Als radikaler Demokrat war er an der Revolution von 1848 beteiligt, deren Folgen ihn nach Frankreich, in die Schweiz, nach Schottland, London und Paris führten. 1852 wanderte er mit seiner Ehefrau Margarethe, die in ihrem Haus in Wisconsin 1856 den ersten privaten Kindergarten der USA gründete, nach Philadelphia aus, arbeitete als Publizist und Rechtsanwalt, schloss sich als Gegner der Sklaverei der Republikanischen Partei an, wurde Mitglied des Senats und war von 1877-1881 Innenminister der Vereinigten Staaten. Bei Deutschlandbesuchen traf er mehrmals mit Bismarck zusammen; er starb 1906 in New York.

Jüngste Berühmtheiten der Gegend sind die Komponisten Karlheinz Stockhausen und Bernd Alois Zimmermann. Dieser, geboren 1918 in Bliesheim südlich von Köln, besuchte die Schule in Kloster Steinfeld, studierte, vom Kriegseinsatz unterbrochen, Komposition an der Kölner Musikhochschule und komponierte vorrangig für den Rundfunk. Der Schuster des Ortes erinnert sich noch an ihn. Seine Antikriegs-Oper „Die Soldaten“ von 1960 wurde erst 1965 nach langem Ringen unter Michael Gielen, Ende der 40er Jahre Korrepetitor am Teatro Colón, in Köln uraufgeführt. Sie gilt heute als eine der wichtigsten Opern des 20. Jahrhunderts. Ein Augenleiden und schwere Depressionen verschlimmerten sich so sehr, dass Zimmermann sich 1970 in Frechen bei Köln das Leben nahm. Eine Plakette an seinem Geburtshaus erinnert an ihn, eine aktive Bernd-Alois-Zimmermann-Gesellschaft kümmert sich um sein Vermächtnis.

Während sich Zimmermann kompositorisch zwischen den Epochen bewegte, brach Stockhausen (1928 -2007), geboren in Haus Mödrath bei Kerpen, radikal mit der Tradition.

Der ursprüngliche Ortskern von Mödrath wurde dem Tagebau geopfert; übriggeblieben ist nur die Burg Mödrath von 1830, in den 1920er-Jahren ein Entbindungsheim. Wie Zimmermann war Stockhausen dem rheinischen Katholizismus verpflichtet; er studierte an der Musikhochschule Köln, wo er von 1971 bis 1977 Komposition lehrte. Von 1953 bis 98 war er Mitarbeiter am Studio für Elektronische Musik des WDR Köln. Mit dem “Gesang der Jünglinge im Feuerofen“ von 1955, seinen innovativen Techniken und seinem musikdramatischen Zyklus „Licht“ sorgte er für Furore.

Sieglinde Oehrlein

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