Mit dem Zug durch die Schweiz
Von Verena Wolff
In der Schweiz sind Züge nicht nur Verkehrsmittel, sondern auch Erlebnis. Manche von ihnen durchqueren das Land bei traumhaftem Panorama, andere erklimmen den höchsten Bahnhof Europas ohne Zahnräder.
Pontresina - Langsam arbeitet sich der Bernina Express das gleichnamige Bergmassiv hinauf. Schon der Start in Pontresina liegt auf einer Höhe, in der Flachland-Touristen deutlich schwerer atmen. Der kleine Ort im Engadin liegt 1774 Meter über dem Meeresspiegel. Über den Bergen hängen die Wolken, nur ab und an dringt die Sonne durch. Ob es oben ein einmaliges Panorama zu sehen gibt, oder ob die Wolken die Sicht verhängen, können die Reisenden noch nicht ahnen.
Im Zug wird darüber schon gefachsimpelt. Von den einen, die regelmäßig die schönsten Zugstrecken der Schweiz befahren. Wie die des Glacier Express von Zermatt nach St. Moritz. Oder die des Bernina Express von Samedan, St. Moritz oder eben Pontresina bis ins italienische Tirano. Und den anderen, die wiederum zum ersten Mal in dem Zug sitzen und das Bernina-Massiv nur vom Skifahren oder Wandern kennen.
Die Reisenden haben Glück. Denn das Wetter wird besser, je höher sich der Zug der Rhätischen Bahn schraubt. 70 Prozent Steigung ist die größte, die er zu überwinden hat - auf normalen Gleisen, ohne Zahnrad. Darum zieht die Lokomotive ihre Wagen in zahlreichen Serpentinen hinauf.
Die Strecke des Bernina Express gehört zu den steilsten zahnradlosen Eisenbahnlinien der Welt. Das berichtet nicht etwa ein Zugbegleiter, während sich die Bahn immer weiter Richtung Ospizio Bernina auf 2253 Meter Höhe schiebt. Die Schweizer Betreibergesellschaft hat eigens für ihre Panoramastrecken eine App entwickeln lassen, die von den Besonderheiten entlang der Routen erzählt.
Höher geht es nicht
Der Bahnhof Ospizio Bernina ist der höchste Punkt der Strecke, von dort aus geht es nur noch runter - mit einem stetigen Gefälle von sieben Prozent in Richtung Italien, vorbei an Poschiavo bis nach Tirano. Dann heißt es: Gletscher ade, auf zu den Palmen, die die Seen der mediterranen Orte Lugano, Locarno oder Ascona säumen.
Der schönste Punkt aber folgt kurz hinter dem höchsten, auf nur noch 2091 Metern Seehöhe: die Alp Grüm. Dort hält der Zug für ein paar Minuten an und gibt den Passagieren die Möglichkeit auszusteigen - Panoramagenuss ganz ohne Fensterscheiben und Klimaanlage, den Piz Palü direkt im Blick. "An diesen Ort führt keine Straße", sagt der Schaffner. "Allenfalls wandernd schafft man es hierher."
Weiter bergab. Der Bahnhof von Poschiavo liegt auf 1014 Metern. Von dort aus geht es bis auf 429 Meter, zum Zielbahnhof in Tirano. Zwischen die letzten beiden Stationen haben Schweizer Bahningenieure noch ein einzigartiges Bauwerk gesetzt: das Kreisviadukt in Brusio. Hier dreht sich die Bahn auf engstem Raum einmal um die eigene Achse und verliert dabei massiv an Höhe.
Mit dem Bus zurück
Von Tirano aus, in der italienischen Lombardei, geht es mit dem Bernina Express Bus weiter in den südlichsten Kanton der Schweiz, das Tessin. Ein Reisebus fährt quer durch das Veltlin Richtung Comer See bis nach Lugano.
In Lugano angekommen lacht die Sonne vom Himmel. Einheimische und Besucher genießen das schöne Wetter vor allem am See und in den Parks, die ihn umgeben. Hier gibt es zahlreiche Ausflugsmöglichkeiten. Die beiden Hausberge, der Monte Brè und der Monte San Salvatore, lassen sich leicht erwandern - mit einem einzigartigen Blick über Luganer See und die Stadt, die lange zu Italien gehörte.
Wer lieber im Ort bleibt, kann historische Kirchen erkunden, sich in die wechselnden Ausstellungen im hochmodernen Lugano Arte e Cultura (LAC) vertiefen, shoppen gehen oder einfach das Dolce Vita am Seeufer genießen.
Mediterranes Ambiente
Nur wenige Minuten per Zug sind es von Lugano aus in die Kantonshauptstadt Bellinzona, die als italienischste aller Schweizer Städte gilt. Drei bestens erhaltene mittelalterliche Burgen bilden dort eine mächtige Festungsanlage.
Das Castelgrande, das von der Stadt aus nahezu unerreichbar auf einem steilen Felsen zu liegen scheint, ist heute bequem mit einem Lift zu erreichen. "Zu den beiden anderen Burgen muss man wandern", sagt Stadtführerin Claudia Maspoli. Patrizierhäuser und schmucke Kirchen, verwinkelte Gassen und eine große Piazza mit zahlreichen Cafés und Restaurants machen das mediterrane Ambiente perfekt.
Die Reise zurück aus dem Tessin in die Berge führt durch die Urschweiz nach Luzern. Und zwar durch ein weiteres spektakuläres Bauwerk: den Gotthard-Basistunnel, der 2016 eröffnet wurde. Für die 57 Kilometer lange Strecke zwischen Bellinzona und Arth-Goldau braucht der Zug rund 20 Minuten.
Die Alternative: eine Fahrt mit dem Gotthard Panorama Express, der von Lugano nach Flüelen an der Südseite des Vierwaldstättersees fährt. Dort zeigt sich die einmalige Taktung der Schweizer Bahnen - denn kaum aus dem Zug ausgestiegen, fährt auch schon das Elektroboot vor. Schließlich gehören nicht nur Bahnen zum Service des Swiss Transport Service (STS), unter dem sich die zahlreichen Bahngesellschaften zusammengeschlossen haben, sondern auch Busse und Verkehrsschiffe. (dpa/tmn)
Info:
Schweiz Tourismus
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