Germán Horn wirkt als Arzt in Demmin / Ort mit tragischer Geschichte
Von Marcus Christoph
Buenos Aires (AT) - Germán Horn ist durch seine medizinische Laufbahn um die halbe Welt gekommen. Geboren und aufgewachsen in Concepción del Uruguay in der Provinz Entre Ríos, leitet der 44-Jährige heute eine Abteilung für Innere Medizin am Kreiskrankenhaus Demmin.
„Deutschland hat mich schon immer fasziniert“, erläutert Horn gegenüber dem Tageblatt. Er selbst stammt aus einer wolgadeutschen Familie und entschied sich, nach Abschluss seines Medizinstudiums an der Universität von Buenos Aires in das Land seiner Vorfahren zu gehen. Mithilfe eines Stipendiums ergab sich die Möglichkeit, am Institut für Virologie der Phillips-Universität im hessischen Marburg zu promovieren.
Hatte er anfangs noch das Ziel, vor allem wissenschaftlich tätig zu sein, schlug er schließlich doch eine klinische Laufbahn ein. An der zentralen Notaufnahme der Uniklinik Marburg fungierte Horn, der seit 2009 auch die deutsche Staatsbürgerschaft innehat, als ärztlicher Leiter des Bereichs Innere Medizin. Der nächste Karriereschritt führte ihn in den Nordosten Deutschlands. Am Helios Hanseklinikum Stralsund heuerte er im April 2014 als Oberarzt für Innere Medizin an. Drei Jahre später ergab sich die Möglichkeit, als Chefarzt nach Demmin zu wechseln. Horn wohnt mit seiner Frau Anja, einer Krankenschwester aus Halle, und seinen beiden Kindern im Küstenort Prohn.
Im Kreiskrankenhaus Demmin (KKH) ist Horn für die Gastroenterologie-Abteilung mit 36 Betten verantwortlich. Das Hospital, das insgesamt 220 Betten hat, sieht sich selbst als „eines der fortschrittlichsten Krankenhäuser in Mecklenburg-Vorpommern“ und wirbt mit „modernsten medizinischen Geräten, bewährten Behandlungsmethoden und qualifiziertem Personal“ für sich. „Als Krankenhaus der Grund- und Regelversorgung ist es sehr gut aufstellt, um Akutmedizin durchführen zu können“. Verglichen mit den Universitätskliniken der Region fehlten nur wenige Abteilungen, um ein Krankenhaus der Maximalversorgung darzustellen, erläutert Horn.
Das KKH Demmin ist eines von nur noch zwei Krankenhäusern in Mecklenburg-Vorpommern, die sich in öffentlicher Trägerschaft befinden. Träger des Krankenhauses, das auch als Lehrklinik der Uni Greifswald fungiert, ist der 2011 gebildete Kreis Mecklenburgische Seenplatte. Er ist flächenmäßig der mit Abstand größte Landkreis Deutschlands, gut doppelt so groß wie das Saarland. Dass Demmin diesem Kreis zugeordnet ist, ist jedoch irreführend: Denn weder liegt die vorpommersche Stadt in Mecklenburg, noch befindet sie sich auf der Seenplatte.
„Wir haben hier ein freundschaftliches Miteinander“, lobt Horn das gute Arbeitsklima. Die Kollegen stammen vielfach aus der Region. Das soziale Umfeld des Krankenhauses biete zudem die Möglichkeit, auch außerhalb des Hauses Anschluss zu finden und sozial aktiv zu werden. Horn hatte jedenfalls keine Probleme, sich einzufinden: „Ich bin von meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern als der junge Chefarzt aus Argentinien integriert - ja fast schon adoptiert worden. Die Abteilung, die ich leite, ist zu einer familiären Einheit geworden, in welcher sich jeder auf den anderen verlassen kann und wo man aufeinander aufpasst.“
Doch es gibt personelle Engpässe. Um medizinisches Fachpersonal zu gewinnen, wirbt das KKH derzeit auch in Argentinien um Ärzte. So konnten durch eine Anzeige im Tageblatt zuletzt vier Interessenten für eine Tätigkeit in Demmin gewonnen werden.
Fachkräftemangel im medizinischen Bereich ist heutzutage ein Phänomen, das es vielerorts in Deutschland gibt. In der Demminer Gegend ist die Lage aber auch allgemein nicht rosig. In der landwirtschaftlich geprägten Region sind große Arbeitgeber rar, wie der NDR berichtet. Es fehlt an wirtschaftlicher Kraft. Die Jugend zieht weg aus der über 700 Jahre alten Hansestadt. Lebten dort bis zur friedlichen Revolution in der DDR vor 30 Jahren noch fast 17.000 Menschen, sind heute gerade noch 11.000 registriert. Der Anteil der Menschen über 65 Jahre an der Demminer Gesamtbevölkerung beträgt 36 Prozent.
Überregionales Interesse zieht Demmin regelmäßig zum politischen Aschermittwoch der Landes-CDU auf sich. Keine Geringere als Bundeskanzlerin Angela Merkel, die ihren Wahlkreis in Vorpommern hat, gab sich oft die Ehre, in der Tennishalle beim Hotel Trebeltal eine Rede zu halten. Im vorigen Jahr übernahm erstmals Annegret Kramp-Karrenbauer als neue CDU-Chefin diesen Part.
In die Schlagzeilen kommt Demmin regelmäßig auch am 8. Mai. Dann marschiert hier die NPD zu ihrem „Trauermarsch“ auf, was in den vergangenen Jahren auch linke Gegendemonstranten auf den Plan rief. Als Anlass nehmen die Rechtsextremen ein fürchterliches Ereignis aus der Geschichte des Ortes: Als Anfang Mai 1945 die Rote Armee Demmin eroberte, nahmen sich Hunderte Menschen, überwiegend Frauen, aus Panik das Leben. Die Opferzahlen schwanken zwischen 700 und 1000. Die Stadt selbst wurde durch die Brandschatzungen der Sowjets in großen Teilen zerstört.
Die „Tragödie von Demmin“ wurde in den Jahrzehnten nach dem Krieg tabuisiert. Schließlich passten die Geschehnisse nicht zum offiziellen DDR-Bild des guten sowjetischen Befreiers. In diese erinnerungspolitische Lücke ist in den letzten Jahren die NPD gestoßen und instrumentalisiert das Thema für ihre Zwecke. Filmemacher Martin Farkas geht in seiner Dokumentation „Über Leben in Demmin“ auf die Problematik ein.
Horn ist nichtsdestotrotz gerne in Demmin tätig. Fremdenfeindlichkeit oder Ressentiments gegenüber Menschen von außerhalb habe er persönlich nie erlebt. Im Gegenteil: „Die Demminer sind positive Menschen, freundlich zugewandt und sehr sympathisch“. Die erwähnten Aufmärsche der Rechtsextremisten reflektierten nicht die Demminer Stimmung.
Für Horn hat Demmin durchaus seine Reize: „Die Kleinstadt ist landschaftlich sehr schön gelegen an den Flüssen Peene, Tollense und Trebel. Ein Ort, wo sich die Nachbarn noch gut kennen.“ Das Leben auf dem Land kommt Horn entgegen: „Ich selber stamme aus der Provinz. Meine Erfahrungen als Student in Buenos Aires haben mich sehr geprägt. Damals erkannte ich, dass das Leben in einer großen Stadt für mich nicht geeignet ist.“ Es scheint, dass Horn in der vorpommerschen Provinz ein ideales Umfeld für sich und seine Familie gefunden hat. Ein Beispiel, das Hoffnung macht in einer Gegend, die gelegentlich als „abgehängt“ bezeichnet wird.
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