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Vom Verlaufen und Männern in Sägemehl

Die kleine Schweiz ganz groß kurios

Von Nicole Klostermann

Der Schweizer Volkssport Schwingen ist nichts für zart Besaitete
Der Schweizer Volkssport Schwingen ist nichts für zart Besaitete. (schwingenonline.ch)

Buenos Aires/ Fürstentum Liechtenstein (AT) - Die Schweiz ist nicht gerade bekannt für seine Größe. Weder geographisch, noch politisch. Aber dennoch ist das kleine Land, das so ganz unaufgeregt zwischen den Alpen liegt, in vielen Dingen unerwartet einzigartig. Nicht nur in puncto Neutralität und Unabhängigkeit ist der Alpenstaat ein Sonderling, es sind auch viele kleine Unterschiede, die die Schweiz so außergewöhnlich machen. Die Liste könnte wohl endlos sein, wir haben für Sie eine kleine Auswahl getroffen.

Schwieriger Schnack

Sprachlich kleckert die Schweiz nicht, wartet sie doch gleich mit vier offiziellen Landessprachen auf. Sprechen ungefähr 63% der Eidgenossen Schweizerdeutsch, nennen 23% der Bevölkerung Französisch ihre Muttersprache, 8% sprechen Italienisch und nur knapp 0,5% beherrschen noch das schon recht exotische Rätoromanisch. Der Rest hat schlichtweg eine andere Muttersprache. Doch so klein wie mancher vielleicht denkt, sind die sprachlichen Unterschiede auch zwischen dem Schweizerdeutschen und dem Hochdeutschen nicht, ganz im Gegenteil. Einen Dialekt sprechenden Schweizer zu verstehen, fällt ungeübten Hochdeutschen schwer, wenn es nicht sogar fast an das Unmögliche grenzt. Wenn Einem statt ein „Ich rufe dich an“ ein „Ich gebe dir ein Telefon“ zugerufen wird, lässt sich noch ein Reim darauf machen, aber dass ein „Znüüni“ nichts anderes als eine Pause am Morgen ist, „posten“ einfach nur einkaufen bedeutet und ein großer „Puff“ einfach nur ein riesiges Durcheinander beschreibt, ist schon etwas schwieriger. Aber machen Sie sich nichts draus, denn unter dem Strich ist auch das „Schwyzerdütsch“ nur ein Sammelsurium verschiedener deutschstämmiger Dialekte, und somit gibt es das einzig wahre Schweizerdeutsch eigentlich auch gar nicht.

Panierte Männer im Sägemehl

Was dem Deutschen das Ringen ist, ist dem Schweizer das Schwingen. Nur viel beliebter, populärer und mit wesentlich höherem Ansehen und Stellenwert. Von der Sache her geht es um das Gleiche, doch die Schweiz wäre nicht die Schweiz, wenn das Schwingen nicht doch viele kleine, aber doch feine Unterschiede mit sich brächte. Die alte Traditionssportart wird umgangssprachlich auch „Hosenlupf“ genannt, und damit weiß man eigentlich schon worum es geht. Kurz gesagt tragen die zumeist nicht gerade zart gebauten Schwinger über ihrer Kleidung eine spezielle, reißfeste Hose aus Leinen oder Baumwolle und versuchen sich gegenseitig an der Hose „hochzulupfen“ und auf den Rücken zu werfen. Und der Sport ist beileibe nichts für Zartbesaitete. Der durchschnittliche Schwinger bringt nicht selten über 100 Kilo auf die Waage und ist durchaus auch mal an die zwei Meter groß. Und geschwungen wird auch nicht auf einem regulären Sportboden, sondern auf ausgestreutem Sägemehl, womit die Teilnehmer in kürzester Zeit aussehen wie panierte Hühnchen. Ist die Partie dann ausgetragen, putzt der Sieger dem Verlierer das Sägemehl vom Rücken herunter, denn so besagt es die Tradition. Und das ist nicht die einzige Sitte bei der Schweizer Variation des Ringens. War es den Schwingern noch bis 1998 verboten Sponsorengelder anzunehmen, sind auch heute die Wettkampfstätten immer noch werbefrei. Und auch der größte Schweizer Schwingwettbewerb, das nur alle drei Jahre stattfindende „Eidgenössische Schwingfest“, hält sich gern an alte Bräuche. So erhält der Sieger als Preis nämlich keinen Pokal, sondern gleich einen lebendigen Stier. Ob er diesen nun behält, verkauft oder ihn in die Wurst gibt, bleibt ihm dabei ganz selbst überlassen.

Wer rast, der zahlt

Bevor wir ins Detail gehen, sei es Ihnen lieber schon einmal vorab gesagt: „Fahren. Sie. In. Der. Schweiz. Niemals. Zu. Schnell.“

Die argentinischen Verkehrsstrafen lassen ja schon so manchen Fahrer am Río de la Plata empfindlich zusammenzucken (die Autorin dieser Zeilen dabei aus eigener Erfahrung nicht ausgenommen), aber was das kleine Alpenland an Strafen im Straßenverkehr aufruft, kann durchaus als eine andere Liga bezeichnet werden.

Überquert ein Autofahrer die Grenze von der Bundesrepublik in die Schweiz, heißt es zunächst einmal Fuß vom Gas. Darf auf vielen Autobahnabschnitten Deutschlands unbegrenzt schnell gefahren werden, ist bei den Eidgenossen bei maximal 120 km/h Schluss. Wer sich so zum Beispiel auf einem besonders leeren Autobahnstück dann doch einmal hinreißen lässt, die 200 km/h Marke knackt und sich erwischen lässt, wandert schnurstracks hinter schwedische Gardinen. Und auch wenn ein Fahrer nicht gleich so extrem über die Stränge schlägt, kann schon bei kleineren Vergehen das Auto gleich an Ort und Stelle eingezogen werden und es ist weg. Wenn Ihnen Ihre Freiheit und Ihr Auto also lieb sind, planen Sie besser ein paar Minuten mehr ein und sparen sich die Raserei für die deutsche Autobahn auf.

Schweizer Säbelrasseln

Selbstverständlich verfügt die Schweiz auch über eine eigene Armee, nur eine Marine hat der Binnenstaat nicht. Jeder in der Schweiz wohnhafte, männliche Bürger zwischen 18 und 25 Jahren muss die Rekrutenschule von 18 bis 21 Wochen ableisten, Frauen und Auslandsschweizer können sich dabei freiwillig zum Dienst melden. Ist der Wehrdienst beendet, gehen die frisch ausgebildeten Soldaten samt ihrer Waffen nach Hause. Sie befinden sich ab dann in einer Dauerbereitschaft und können so im Ernstfall schnell mobilisiert werden. Zwar ist die Schweiz seit fast 500 Jahren neutral und es fällt schwer sich vorzustellen, wer den kleinen Alpenstaat überhaupt angreifen könnte, doch immerhin hat so fast jeder zweite Schweizer eine Waffe im Haus. Das Land hat also eine der höchsten Waffendichten weltweit, aber trotzdem immer noch eine der niedrigsten Kriminalitätsraten der Welt.

Im Jahre 2007 unterlief der Schweizer Armee im Übrigen ein pikanter Fauxpas. Während einer nächtlichen Übung verliefen sich 170 voll bewaffnete Soldaten bei schlechtem Wetter und marschierten versehentlich mehrere Kilometer in das benachbarte, kleine Fürstentum Liechtenstein ein. Als man den Fehler irgendwann bemerkte, drehte man umgehend um und entschuldigte sich am nächsten Tag offiziell. Das war jedoch nicht der einzige militärische Vorfall in der jüngeren Geschichte zwischen den beiden Alpenländern. Im Winter 1983 schlugen bei ebenfalls schlechtem Wetter versehentlich mehrere Schweizer Raketen auf Liechtensteiner Boden ein und lösten einen Waldbrand der Größe von 161 Fußballfeldern aus. Die Schweiz zahlte darauf einige Millionen Franken Entschädigung an das souveräne Fürstentum und pflanzte rund 220.000 neue Bäume.

Quadratisch, praktisch, gut

Die Schweiz ist gemeinsam mit dem Vatikan das einzige Land weltweit das eine quadratische Flagge besitzt. Die Geschichte der Flagge ist zwar in Teilen ungeklärt, jedoch weiß man, dass die Form aus der Schweizer Militärgeschichte stammt. Ursprünglich war das Weiße Kreuz ein Erkennungszeichen der Soldaten, erst später kam der rote Hintergrund hinzu. Im Militär war eine quadratische Form nicht unüblich und mit der Verfassung im Jahre 1848 wurde das Weiße Kreuz mit rotem Grundzug dann zur offiziellen Flagge ernannt. Mit einer Ausnahme allerdings: Die Flagge zur See der Schweizer Schiffe ist rechteckig. Seit 2007 ist auch das Rot der Flagge eindeutig von der Bundesverwaltung definiert worden, damit es zu keinerlei Verwechslungen kommt. Erst die Mischung aus 50% Magenta und 50% Gelb macht ein Rot zum echten Schweizer Fahnenrot, das lediglich öffentliche Stellen und Behörden verwenden dürfen.

Kurz, aber teuer

Das teuerste Autokennzeichen der Welt: 160.000 Franken zahlte ein Walliser für diese Nummernschild
Das teuerste Autokennzeichen der Welt: 160.000 Franken zahlte ein Walliser für diese Nummernschild. (Foto: dpa)

Eine knackige Summe für sein Nummernschild am Auto oder Motorrad auszugeben, ist in der Schweiz durchaus keine Seltenheit. Wer eine bestimmte Ziffernkombination wünscht, oder gar eine besonders kurze oder niedrige Nummer, muss dafür allerdings tief in die Tasche greifen. Viele Kantone versteigern besondere Nummernschilder an den Meistbietenden und die Deutschschweizer Kantone nehmen damit jährlich immerhin Schweizer Franken in zweistelliger Millionenhöhe ein. Wer dann so ein Nummernschild einmal ergattert hat, gibt es natürlich so schnell auch nicht mehr weg. Sollte man es selber nicht mehr brauchen, kann es einfach weitergeben oder auch vererbt werden.

Darf es noch ein bisschen mehr sein?

Die Liste den Kuriositäten könnte wohl noch endlos so weitergehen. Zum Abschluss haben wir Ihnen noch einige interessante Häppchen zusammengestellt:

  • Die Schweiz besitzt keine einzelne Person als Staatsoberhaupt. Ein zu gleichen Teilen stimmberechtigter, siebenköpfiger Bundesrat bildet die oberste Landesführung.

  • Der Staatenbund ist eines der wenigen Länder mit einer direkten Demokratie. Das bedeutend jeder Bürger kann Änderungen an der Verfassung vorschlagen und sich an Gesetzgebungen beteiligen. Haben sich dann 50.000 Befürworter gefunden, geht der Vorschlag in die Volksabstimmung.

  • Das vollständige Frauenwahlrecht wurde erst 1971 landesweit eingeführt. Aber das auch nur nach zähem Widerstand und somit tatsächlich noch später als der Iran oder Afghanistan.

  • Die Schweiz ist Heimat von über 450 Käsesorten, unter anderem mit so schwer auszusprechenden Namen Sbrinz oder Mutschli.

  • Das Alpenland besitzt über 208 Berge mit mehr als 3000 m Höhe und 24 mit über 4000 m Höhe. Mit über 1500 Seen ist das Land auch extrem reich an Gewässern. Von keinem Punkt der Schweiz ist ein See mehr als 16 km entfernt.

  • Als Mieter jener Etagenwohnung gilt es Rücksicht auf die Nachbarn zu nehmen. So kann je nach Gemeindeverordnung das Tragen von hohen Ansätzen während der Nachtruhe verboten sein, ebenso wie das Spülen der Toilette.

  • Der Verzehr von Hunden für den Eigenbedarf ist in der Schweiz erlaubt. Einladen dürfen Sie dazu allerdings niemanden, denn dann verstoßen Sie gegen das Gesetz.

  • Auch der ehemalige US-Präsident Barack Obama darf sich ein klein bisschen Schweizer nennen. Wenn auch nur ganz geringfügig, ist er immerhin zu 0,97 Prozent Schweizer.



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