top of page
Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

"Versuchter Giftmord"

Actualizado: 11 sept 2020

Fall Nawalny: Nervenkampfstoff nachgewiesen / Klare Worte von Merkel

Alexej Nawalny
Alexej Nawalny im Februar dieses Jahres.

Berlin/Moskau (dpa) - Der russische Regierungskritiker Alexej Nawalny ist nach Untersuchungen eines Spezial-Labors der Bundeswehr mit dem chemischen Nervenkampfstoff Nowitschok vergiftet worden. Die Bundesregierung sieht das als "zweifelsfrei" erwiesen an, fordert die russische Regierung eindringlich zur Aufklärung auf und will mit den Verbündeten über Konsequenzen beraten. Kanzlerin Angela sprach am Mittwoch von einem "versuchten Giftmord" an einem der führenden Oppositionellen Russlands: "Er sollte zum Schweigen gebracht werden."

Es stellten sich jetzt "sehr schwerwiegende Fragen", die nur die russische Regierung beantworten könne und müsse, sagte Merkel in einer ungewöhnlich deutlichen Stellungnahme, in der sie auch ihre persönliche Betroffenheit deutlich machte. Das Verbrechen gegen Nawalny richte sich "gegen die Grundwerte und Grundrechte, für die wir eintreten", sagte sie. "Die Welt wird auf Antworten warten."

Das Auswärtige Amt bestellte den russischen Botschafter Sergej Netschajew ein, um Russland dazu aufzufordern, "vollumfänglich und mit voller Transparenz" aufzuklären". Russland müsse die Verantwortlichen ermitteln und zur Rechenschaft ziehen, sagte Außenminister Heiko Maas (SPD).

Das Untersuchungsergebnis erschüttert die ohnehin schon schwer angeschlagenen Beziehungen zwischen Russland und Deutschland sowie anderen westlichen Staaten noch einmal massiv. Ein Nervengift der Nowitschok-Gruppe wurde auch bei der Vergiftung des ehemaligen russischen Doppelspions Sergej Skripal und seiner Tochter Julia im britischen Salisbury 2018 verwendet. Die beiden überlebten nur knapp.

Als Reaktion hatten zahlreiche westliche Staaten russische Diplomaten ausgewiesen. Auch diesmal strebt die Bundesregierung ein abgestimmtes Vorgehen der westlichen Verbündeten an. Merkel und Maas sprachen davon, dass eine "angemessenen" Reaktion gefunden werde müsse. Wie diese ausfällt, "werden wir auch im Lichte dessen entscheiden, wie Russland sich verhält", sagte Maas.

Merkel sprach auch mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier über den Fall, was ebenfalls zeigt, wie hoch sie die Bedeutung einschätzt. Die Bundesregierung informierte auch die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OVCW) über den Labor-Befund. Der Konvention für die Ächtung von Chemiewaffen ist auch Russland beigetreten.

Nawalny, der am 20. August auf einem Flug in seiner Heimat plötzlich ins Koma gefallen war und zunächst in Omsk untersucht wurde, wird auf Drängen seiner Familie in der Charité behandelt. Die deutschen Ärzte gingen nach einer Auswertung von klinischen Befunden bereits davon aus, dass er vergiftet wurde. Die russische Regierung hatte die Einschätzung als vorschnell bezeichnet.

Die Charité teilte am Mittwoch mit, der Gesundheitszustand von Nawalny sei weiter ernst. Die Symptome der nachgewiesenen Vergiftung seien zwar rückläufig. Nawalny werde aber weiterhin auf einer Intensivstation behandelt und künstlich beatmet. Mit einem längeren Krankheitsverlauf sei zu rechnen. Langzeitfolgen der schweren Vergiftung seien weiterhin nicht auszuschließen.

Die russische Staatsführung wies derweil Anschuldigungen zu einer möglichen Verwicklung in den Fall zurück. "Es gibt keinen Grund, dem russischen Staat etwas vorzuwerfen", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow gestern der Agentur Tass zufolge. Deshalb sehe er auch keinen Anlass für irgendwelche Sanktionen, die gegen Russland oder gegen die Ostsee-Pipline Nord Stream 2 verhängt werden könnten.

Russland kritisierte das Vorgehen der Bundesregierung scharf. "Laute öffentliche Erklärungen werden bevorzugt", teilte das Außenministerium in Moskau russischen Agenturen zufolge mit. "Die vorhandenen gesetzlichen Mechanismen zur Zusammenarbeit werden völlig vernachlässigt." Peskow bekräftigte jedoch, dass Moskau zu einer Zusammenarbeit mit den deutschen Behörden bereit sei.

 

Reaktionen

Berlin (dpa) - Die Bündnispartner stärkten der Bundesregierung am Mittwoch den Rücken. "Es ist ungeheuerlich, dass eine chemische Waffe gegen Alexej Nawalny eingesetzt wurde", schrieb der britische Premierminister Boris Johnson auf Twitter. Die US-Regierung zeigte sich "zutiefst beunruhigt". Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats im Weißen Haus, John Ullyot, teilte am Mittwoch auf Twitter mit: "Alexej Nawalnys Vergiftung ist vollkommen verwerflich." EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen sprach von einem abscheulichen und feigen Akt: "Die Täter müssen zur Rechenschaft gezogen werden."

In Deutschland gibt es bereits eine Diskussion über konkrete Konsequenzen. Die Grünen fordern einen Abbruch des deutsch-russischen Pipeline-Projekts Nord Stream 2. "Der offenkundige Mordversuch durch die mafiösen Strukturen des Kreml kann uns heute nicht mehr nur besorgt machen sondern er muss echte Konsequenzen haben", sagte Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. Merkel hatte noch am Dienstag gesagt, dass sie das Projekt vollenden möchte.

 

SCHOTTLAND

Ziel: Neues Referendum

Edinburgh (dpa) - Die schottische Regierung will ein neues Unabhängigkeitsreferendum auf den Weg bringen. In einem Gesetzentwurf sollen nun der Zeitrahmen, die Bedingungen und die genaue Fragestellung für die Abstimmung festgelegt werden, wie die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon am Dienstag sagte. Bei der nächsten schottischen Parlamentswahl im Mai 2021 werde sie sich dafür stark machen, dass Schottland ein unabhängiges Land werde. Schottland müsse über seine eigene Zukunft entscheiden können, sagte Sturgeon.

Das Regionalparlament in Edinburgh hatte sich bereits kurz vor dem Brexit Ende Januar für ein zweites Unabhängigkeitsreferendum ausgesprochen. Die Abgeordneten stimmten damals mit 64 zu 54 Stimmen für eine entsprechende Beschlussvorlage der Regierung. Erzwingen kann Sturgeon ein Referendum nicht - sie braucht die Zustimmung Londons. Der britische Premierminister Boris Johnson hat wiederholt klargemacht, dass er keine zweite Volksabstimmung zulassen wird. Für ihn wurde die Frage beim ersten Referendum 2014 geklärt.

Damals hatten sich rund 55 Prozent der Schotten gegen eine Abspaltung vom Vereinigten Königreich ausgesprochen. Sturgeon argumentiert jedoch, die Umstände hätten sich durch den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union geändert. Bei der britischen Parlamentswahl im Dezember hatte Sturgeons Schottische Nationalpartei SNP zugelegt. Die Partei sieht sich deshalb in ihrem Unabhängigkeitsstreben bestätigt.

Beim Brexit-Referendum im Jahr 2016 stimmte eine knappe Mehrheit der Briten für den EU-Austritt. Die Schotten votierten allerdings mit 62 Prozent dagegen.

3 visualizaciones0 comentarios

Comments


bottom of page