Von Juan E. Alemann
Die Regierung hat in den ersten Monaten dieses Jahres die Geldpolitik sehr restriktiv gestaltet, so dass die Geldmenge, gemessen als monetäre Basis (Banknoten im Umlauf plus Bankdepositen bei der ZB) in vier Monaten 2021 um $ 100 Mrd. zurückging. Das hat sich auf die Preisentwicklung überhaupt nicht ausgewirkt, was die primitive Vorstellung, dass die Inflation nur von der Geldschöpfung abhängt, in Frage stellt. Durch Ausgabe von Leliq-Titeln in Höhe von $ 268 Mrd., die bei den Banken untergebracht wurden, konnte die monetäre Expansion ausgeglichen werden, die wegen der hohe Devisenkäufe entstanden war, und auch das Defizit des Schatzamtes gedeckt werden, das wegen gestiegener Steuereinnahmen zurückgegangen ist. Diese Verhärtung der Geldpolitik hat die Konjunkturerholung, die schon Ende 2020 eingetreten war, gebremst, und auch tritt dabei das Gespenst einer Vertiefung der Rezessionswelle auf, die durch die neuen Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie verursacht wird. Eine schlimme Aussicht in einem Wahljahr.
Ebenfalls wurden Zinsen auf den Leliq-Bestand und auf passive Swap-Geschäfte in Höhe von $ 356 Mrd. bezahlt. Der Bestand an Leliq übersteigt schon die $ 2 Bio, und der von Swap-Passiven $ 1,5 Bio. Mit dieser Politik ist die monetäre Basis in diesem Jahr real gesunken, aber mit gleichzeitiger Zunahme der gesamten ZB-Passiven, die eine explosive Lage schaffen, wenn die ZB nicht noch mehr Leliq und Swap-Passiven bei den Banken unterbringen kann, um den hohen Zinsbetrag zu decken. Gelegentlich platzt diese kurzfristige Verschuldung, die ständige erneuert und erweitert wird. Unter Macri hatte die ZB eine hohe Schuld an Lebac angesammelt, und der IWF riet, sie abzubauen, was dann auch geschah. Doch inzwischen ist diese Schuld, mit anderem Namen, Leliq, wieder da, und ist noch größer.
Wirtschaftsminister Guzmán macht sich Sorgen um die Möglichkeit einer Hyperinflation, die im Rahmen des hohen Geldüberhanges, der 2020 geschaffen wurde, jederzeit eintreten kann. Die argentinische Erfahrung der drei bisherigen Hyperinflationen, der vom März 1976 und denen von Anfang 1989 und 1990 zeigt, dass der Sprung von Hochinflation (100 und mehr Prozent im Jahr) auf Hyperinflation (die technisch als eine allgemeine Preiszunahme von 50% in einem Monat definiert wird), sehr kurz ist. Guzmán hat eine solide Ausbildung als Ökonom, und will nicht als Minister der Hyperinflation in die Geschichte eingehen. Wenn er jetzt Gefahr wittert, tritt er zurück, um sein Ansehen als Wirtschaftler zu bewahren. Präsident Fernández weiß dies, oder er ahnt es zumindest, und macht sich bestimmt Sorgen darüber, weil ein Rücktritt von Guzmán zu einem noch größeren Vertrauensverlust führt, als er schon besteht. Wobei weder der Präsident noch Cristina einen Kandidaten im Auge haben, der das Prestige hat, das ein Minister in dieser schweren Stunde benötigt. Axel Kicillof soll seinen Mitarbeiter und bis 2015 Handelssekretär Augusto Costa angeblich befürworten. Was bedeutet, dass er selber Minister im Schatten sein will. Das wäre schlimm, weil Kicillof in der Finanzwelt ein schlechtes Ansehen genießt.
Im Jahr 2020 hat die monetäre Basis stark zugenommen, mehr als die Inflation. Die prozentuale Zunahme wurde nicht bekanntgegeben, und man kann sie an Hand der verfügbaren Daten auch nicht berechnen. Die ZB hat die klare Information, die bis Dezember 2019 bestand, die täglich veröffentlicht wurde, die wir jede Woche brachten, eingestellt, und durch einen sehr konfusen Bericht ersetzt, mit veralteten Daten.
Die Staatsfinanzen wurden 2020 durch die Sozialprogramme ATP (Lohnsubvention) und IFE (Subvention an arme Familien) stark belastet. Hinzu kamen noch weitere Sozialausgaben (für Arbeitslosensubvention, für Subventionen an zeitweilig nicht beschäftige Arbeitnehmer, für Nahrungsmittelverteilung an arme Familien u.a. Zwecke), wobei auch die Steuereinnahmen wegen Rezession und höhere Säumigkeit (die offiziell geduldet wurde) zurückgingen. Der Fehlbetrag, der dabei entstand, wurde mit Geldschöpfung und Unterbringung von Leliq plus passiven Swaps gedeckt. Ohne diese starke zusätzliche Verschuldung der ZB, die eine gefährliche Hypothek für die Zukunft darstellt, wäre die monetäre Basis um über 100% jährlich gestiegen.
Die hohe monetäre Expansion hat die Inflation nicht zusätzlich angeheizt, einmal wegen der tiefen Rezession, und dann wegen der Unsicherheit, die wegen der Pandemie aufgekommen ist, die zur Bildung von monetären Reserven führte, die in Dollar angelegt wurden. Das erklärt auch den Sprung des Schwarzkurses auf über $ 190 pro Dollar im Oktober 2020. Guzmán bemüht sich jetzt, diese expansive Geldpolitik zu bremsen. Es solle keine ATP und keine IFE-Subventionen geben, und auch sonst sparsamer umgegangen werden. Dennoch wurde zunächst die Nahrungsmittelhilfe stark ausgeweitet, und es stehen noch weitere soziale Subventionen bevor. In der Cámpora-Gruppe wird eine Wiederaufnahme des IFE befürwortet, mit dem Argument, dass es jetzt mehr Arme als im Vorjahr gibt. Guzmán will dennoch das primäre Defizit der Staatsfinanzen spürbar verringern, und er wollte zu diesem Zweck schon den Stromtarif um 30% erhöhen, eventuell in zwei Stufen von je 15%. Doch Cristina ließ nur 9% zu. Guzmán gibt jedoch nicht auf. Zumindest will er den Stromtarif für wohlhabende Familien stark anheben, und seine Mitarbeiter arbeiten am Thema. Auch wenn Basualdo, der als Unterstaatssekretär für Energie dafür zuständig ist, nicht mitmacht. Welche weitere Ausgabenverringerungen er sonst noch vorhat, weiß man nicht. Schmerzlos ist bestimmt keine.
Die Ökonomen, die Cristina nahestehen, an erster Stelle Axel Kicillof, plädieren dafür, dass auch dieses Jahr die monetäre Expansion ähnlich wie im Vorjahr weitergeführt wird. Sie weisen darauf hin, dass auch US-Präsident Biden auf monetären Expansionskurs setzt, und auch in der EU u.a. fortgeschrittene Staaten die Expansionspolitik weitergeführt wird. Bisher hatte die Expansion in den fortgeschrittenen Staaten keine Wirkung auf die Inflation. Die Preise stiegen in den USA, der EU u.a. Staaten weiter nur um etwa 2% jährlich. Das zusätzliche Geld führte zu hohen Ersparnissen und auch Anlagen an der Börse. Doch auch in den USA sind in letzter Zeit von Seiten angesehener Ökonomen Bedenken aufgekommen, das es schließlich doch zu einem Inflationssprung kommen werde. Allerdings denken sie dabei an eine Größenordnung von 10% im Jahr. Das hat es schon Ende der 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts gegeben, und wurde dann vom Fed-Präsident Paul Volcker, mit einer extrem restriktiven monetären Politik bekämpft, die die Zinsen (in den USA) auf über 20% in die Höhe trieb und eine weltweite Rezession auslöste. Auch in Argentinien. Aber die Inflationsrate ging dann in den USA wieder stark zurück, und dabei kehrte die Normalität zurück.
In Argentinien funktioniert die Wirtschaft anders. Die Inflation ist hoch, es wird in Dollar und nicht in Pesos gespart, und es besteht die Erinnerung an vergangene Hyperinflationen. Und nicht zuletzt besteht auch ein Zahlungsbilanzproblem, Die ZB kann ein eventuelles Ungleichgewicht kaum decken, da von den ausgewiesenen Reserven von über u$s 40 Mrd. bestenfalls u$s 5 Mrd. verfügbar sind, um auf dem Markt verkauft zu werden. Da Kapitalüberweisungen auf dem offiziellen Markt nur in wenigen Fällen zugelassen sind, drückt die erhöhte Dollarnachfrage auf den Schwarzmarkt und den legalen Markt, der sich über Kauf und Verkauf von Staatstiteln in Dollar abwickelt (“contado con liquidación”). Doch dabei steigt die Marge zum offiziellen Kurs, was Abwertungserwartungen erweckt und zunehmend störend auf den Ablauf der Wirtschaft wirkt.
Die ZB befürchtet, dass nach den hohen Deviseneinnahmen, die in den ersten Monaten eingetreten sind, eine stark Abnahme stattfindet, weil der Bestand aus der Ernte von Sojabohne, Mais u.a. Arten des Jahres 2020 schon exportiert wurde, und dann ein Rückgang des Exporterlöses eintritt. Auch bei einer Verschärfung der Importhemmung durch die ZB, kann es leicht zu einer Lage kommen, bei der der ZB nichts anderes übrig bleibt, als einen Abwertungssprung zuzulassen. Die ZB-Leitung, mit dem erfahrenen Miguel Angel Pesce als Präsident, verfolgt die Enwicklung auf dem Devisenmarkt sehr genau, und überlegt sich auch, welche Maßnahmen ihr zur Verfügung stehen, wenn eine kritische Lage eintritt. Aber das garantiert nicht, dass es doch zu einer Krise kommt, die sie nicht beherrschen kann.
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