Letzte Soldaten verlassen Afghanistan
Kabul/Washington (dpa/wvg) – Die USA haben den Abzug ihrer Truppen aus Afghanistan in der Nacht zum Dienstag (Ortszeit) abgeschlossen. Alle US-Truppen hätten das Land verlassen, verkündete General Kenneth McKenzie, der das US-Zentralkommando führt, am Montagnachmittag Washingtoner Zeit im Pentagon. Damit endete auch die militärisch gesicherte Evakuierung von US-Bürgern, Verbündeten und schutzbedürftigen Afghanen. Zurückgebliebene Amerikaner und andere Schutzsuchende wollen die USA nach Worten von Präsident Joe Biden mit diplomatischen Mitteln aber weiter aus dem Land holen.
Mit dem Abzug der letzten US-Soldaten aus Kabul überlässt der Westen das Land wieder jenen Islamisten, die er Ende 2001 entmachtet hatte. Die USA und ihre Verbündeten hatten teils mehr als 100.000 Soldaten dort im Einsatz. US-Präsident Joe Biden verteidigte seine umstrittene Abzugsentscheidung jedoch vehement. „Es war an der Zeit, diesen Krieg zu beenden“, sagte Biden am Dienstag bei einer Ansprache im Weißen Haus. Die Alternative wäre gewesen, Zehntausende weitere Soldaten in das Land zu schicken und den Konflikt zu eskalieren. Biden kündigte zudem Konsequenzen für künftige militärische Einsätze an. Künftige Einsätze müssten klare, erreichbare Ziele haben. Sie müssten sich außerdem „auf das grundlegende nationale Sicherheitsinteresse“ der USA konzentrieren, so der Präsident.
In einer gewaltigen Evakuierungsmission, die US-Präsident Biden als „größte Luftbrücke in der Geschichte der USA“ bezeichnete, hatten die Vereinigten Staaten und ihre Partner zuvor Landsleute sowie afghanische Schutzbedürftige ausgeflogen. Allein das US-Militär flog General McKenzie zufolge 79.000 Zivilisten aus Kabul aus. Nach seinen Worten brachten die USA und ihre Verbündeten gemeinsam mehr als 123.000 Menschen außer Landes.
Bei weiteren Evakuierungen sind westliche Staaten nach dem US-Abzug jetzt auf Zusammenarbeit mit den Taliban angewiesen. Die Vorstellung der neuen Führung der Taliban wird in Kürze erwartet. Deutschland will mehr als 40.000 Menschen bei der Ausreise unterstützen - auf dem Landweg oder direkt per Flugzeug aus Kabul. Derzeit kann der zivile Teil des beschädigten Flughafens allerdings keine Flüge abfertigen.
Der UN-Sicherheitsrat erhöhte am Montag den Druck auf die Taliban, die Menschenrechte zu wahren und Ausreisewillige ungehindert passieren zu lassen. UN-Resolutionen sind völkerrechtlich bindend. Eine UN-Sicherheitszone, die zuletzt Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ins Spiel gebracht hatte, erwähnt die Resolution aber nicht.
Die Taliban feierten unterdessen den Abzug der Amerikaner. „Die 20-jährige Besetzung Afghanistans durch die USA und die Nato endete heute Abend. Gott ist groß“, twitterte das hochrangige Taliban-Mitglied Anas Hakkani. Taliban-Sprecher Mudschahid sagte laut CNN, die Taliban wünschten sich gute Beziehungen mit den USA und der Welt. Man hoffe, dass Afghanistan nie wieder besetzt werde.
Seit der Machtübernahme der Taliban versucht die Bewegung, sich als gemäßigter darzustellen als zu ihrer Schreckensherrschaft zwischen 1996 und 2001. Die Islamisten haben versprochen, auch andere politische Kräfte in ihre neue Regierung einzubinden.
Maas auf Reisen
Doha (dpa/wvg) – Der deutsche Außenminister Heiko Maas (SPD) beendete am Mittwoch seine viertägige Reise in fünf Länder, die mit der Afghanistan-Krise zu tun haben. Neben der Türkei besuchte Maas Katar und drei der Nachbarländer Afghanistans: Usbekistan, Tadschikistan und Pakistan. Dort ging es um den Transfer der Menschen aus Afghanistan mit deutscher Aufnahmezusage, die auf dem Landweg das Land verlassen. Es geht um mehr als 40.000 Schutzsuchende.
Begonnen hatte Maas seine Reise in der Türkei, die sich gemeinsam mit Katar und den USA um den Weiterbetrieb des Flughafens in der afghanischen Hauptstadt Kabul bemüht.
Deutschland strebt auch nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan eine diplomatische Vertretung in der Hauptstadt Kabul an - aber nur unter bestimmten Bedingungen. „Wenn es politisch möglich wäre und wenn die Sicherheitslage es erlaubt, dann sollte auch Deutschland in Kabul wieder eine eigene Botschaft haben“, sagte der deutsche Außenminister Heiko Maas in Katar, der letzten Station der Reise. Maas betonte jedoch, dass eine diplomatische Vertretung keine Anerkennung einer Taliban-Regierung bedeute.
DEUTSCHLAND
SPD weiter vorne
Berlin (dpa/wvg) - Rund drei Wochen vor der deutschen Bundestagswahl haben die Sozialdemokraten Christdemokraten und Grüne in einer weiteren Umfrage abgehängt.
Wenn am kommenden Sonntag Bundestagswahl wäre, käme die SPD demnach auf 25 Prozent, die CDU/CSU auf 21 und die Grünen auf 19 Prozent. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Kantar im Auftrag des Nachrichtenmagazins „Focus“. Die SPD ist demnach im Vergleich zur Vorwoche weiter im Aufwind und gewinnt zwei Prozentpunkte hinzu, auch die Grünen legen mit einem Plus von einem Punkt wieder leicht zu. Die Union verliert zwei Punkte.
FDP und AfD lägen laut Kantar mit je 11 Prozent gleichauf, gefolgt von der Linkspartei mit 6 Prozent. Damit wäre eine Koalition aus SPD, Grünen und FDP genauso möglich wie ein Bündnis von Union, Grünen und FDP, eine Koalition aus Union, SPD und FDP sowie Rot-Grün-Rot.
Grundsätzlich spiegeln Wahlumfragen nur das Meinungsbild zum Zeitpunkt der Befragung wider und sind keine Prognosen auf den Wahlausgang. Sie sind außerdem immer mit Unsicherheiten behaftet. Die Sozialdemokraten lagen zuletzt jedoch auch in den Umfragen anderer Institute vor der Union.
Die SPD regiert derzeit als Juniorpartner der CDU/CSU in einer schwarz-roten Koalition. Bundeskanzlerin Angela Merkel wird bei der Wahl am 26. September nicht mehr für den Bundestag kandidieren und sich anschließend aus der aktiven Politik zurückziehen.
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