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„Unbesungene Heldin“

Biografin Erika Rosenberg zum 20. Todestag von Emilie Schindler

Emilie Schindler - Erika Rosenberg
Emilie Schindler (l.) mit Erika Rosenberg. (Foto: privat)

Buenos Aires (AT) - Auf der Fahrt von München nach Hof, erste Bahnfahrt seitdem wir hier in Deutschland sind, drehen sich im Kopf wie im Karussell viele Gedanken, Erinnerungen, Erlebnisse, Ereignisse. Wie ein Film läuft alles vor den Augen. Wie schnell verging die Zeit! Als ich vor ein paar Tagen in der Stadt war, sah ich ein Regal mit Lebkuchen, Spekulatius und dachte schon im September, jetzt schon Oktober, bald Weihnachten. . . Ja, ja das Leben vergeht wie im Nu, wie im Flug.

Es gibt vieles, das man vergisst, verdrängt, um sich nicht daran zu erinnern, es gibt aber Erlebnisse, die man niemals im Leben vergessen wird, wie der Tod lieber Menschen, die in uns tiefe Spuren hinterlassen haben. Das sind unsere Eltern, liebe Freunde, manche Lehrer, Dozenten und in meinem Fall als Autorin manche Persönlichkeiten, über die ich geschrieben habe.

1990 begegnete ich zum ersten Mal Emilie Schindler, noch drei Jahre bevor der Film Schindlers Liste in fast allen Kinos der Welt mit Tränen in den Augen gesehen wurde. Über sie erfuhr ich dank Dr. Peter Gorlinsky, dem ehemaligen Chefredakteur des Argentinischen Tageblatts in Buenos Aires.

Ich wollte mit ihr nur ein Interview für mein damaliges Projekt "Einwanderungen in Argentinien" durchführen, aber unser Schicksal spielt eine entscheidende Rolle im Leben. Der Mensch denkt und Gott lenkt! Ich brauchte viele Stunden meiner knappen Freizeit, um etwas Ordentliches zu verfassen. Sie mischte immer wieder viel Persönliches, sie sprach und erzählte über die vielen Katzen, die sie freiwillig zu Hause betreute, über ihre Hunde, über den Bäcker, Nachbarn, dann aber ganz zwischendurch antwortete sie auf meine Fragen, die mit meinem Werk zu tun hatten. Nach ca. drei Stunden Gespräch wurde sie immer müde und bat mich, am nächsten Samstag oder Sonntag zurückzukommen. Nach ein paar Monaten hatten wir uns schon angefreundet und waren per Du. Und ein paar Monate darauf sah ich ein, ich wollte ihre Geschichte zu Papier bringen, und das Projekt "Einwanderungen" könne noch warten.

Ich habe Emilie Schindler elf Jahre begleitet, habe mehrere Biografien über sie und ihren Mann Oskar und ihre Helfer verfasst. Ich war immer Zeugin der vielen Ungerechtigkeiten von Spielberg, Yad Vashem, usw., die Emilie von großen Einrichtungen erleiden musste. Über Spielberg, seinen Film, seine Anwälte, Yad Vashem könnte ich bestimmt große Kompendien verfassen, aber was hilft es ja, wenn sie nicht mehr am Leben ist? Spielberg wurde für den Film „Schindlers Liste“ mit einem Bundesverdienstkreuz Erster Klasse ausgezeichnet, hingegen Emilie, die mutige, unbeugsame Retterin mit einem Verdienstkreuz am Bande! Spielberg hat sie mit keinem Cent Tantiemen beteiligt, während er 370 Millionen U$D dadurch einspielte.

De Ungerechtigkeit in ihrem Leben wurde schließlich mit dem Thema Koffer gekrönt. Yad Vashem hat sich ihr Erbe an Dokumenten, Aufzeichnungen, Fotos, kompletten Schindler-Listen angeeignet, mit dem falschen Argument: "Alles, was mit Judentum zu tun hat, gehört Israel" - was sich anzweifeln lässt, denn Emilie war die Alleinerbin von Oskar Schindler.

Ihr letzter Wunsch mit 93 Jahren war es, den Lebensabend nach 50 Jahren in Argentinien in Deutschland zu verbringen. Sie bat mich flehend darum, nach Deutschland zu ziehen und mit der Deutschen Botschaft in Buenos Aires, und dank eines Attests von Dr. Alfredo May vom Deutschen Krankenhaus setzte ich ihren Wunsch sofort in die Tat um.

Am 5. Oktober vor 20 Jahren ist sie in Deutschland gestorben. Mir fehlen die Worte, ausgerechnet mir als Autorin, um auszudrücken, wie sehr sie mir noch fehlt. Emilie war die Oma, die ich nicht hatte, und ich war ihr Kind, das Kind, das sie auch nie hatte. Wir haben uns ergänzt. Bei mir in der Wohnstube unserer Münchner Wohnung brennt eine kleine Kerze in ihrem Gedenken und ich weiß, sie schützt mich von da aus, wo sie jetzt ist!

Emilie Schindler, die kleine betagte Dame mit der rauen Stimme, mit den glänzenden Augen, mit lebhaftem Blick, sie, die mutige, die resolute, zivilcouragierte „unbesungene“ Heldin.

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