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  • Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

„Transit ins Jenseits“ (1976)

Von Marcus Christoph

Tatort
Zwei Stars im Tatort: Marius Müller-Westernhagen (l.) und Götz George. (Foto: rbb)

Das gibt es nicht oft beim Tatort: Über 51 Minuten lang dauert es, ehe ein Mensch auf gewaltsame Weise ums Leben kommt und die Kriminalpolizei ihre Ermittlungen aufnimmt. Doch bei der Folge „Transit ins Jenseits“ war es so. Die 69. Tatort-Episode, die vom Sender Freies Berlin produziert und am 5. Dezember 1976 in der ARD erstausgestrahlt wurde, ist gleichwohl von Beginn an spannend und aus heutiger Sicht aus mehreren Gründen interessant:

Zum einen, weil sie den Zuschauer in die Zeit der deutschen Teilung zurückversetzt. Zum anderen sind mit Götz George und Marius Müller-Westernhagen zwei Akteure zu sehen, die es in den folgenden Jahren zu großer Bekanntheit bringen sollten. Ersterer, da er später selber als Duisburger Kommissar Schimanski Tatort-Geschichte schreiben sollte. Letzterer, weil er später nicht nur als Schauspieler („Theo gegen den Rest der Welt“), sondern auch als Sänger große Erfolge feierte.

Im vorliegenden Tatort bilden beide eine skrupellose Berliner Schleuserbande, die gegen Geld eine Frau aus der DDR in den Westen schmuggeln wollen. Der Plan ist, sie auf DDR-Gebiet gegen eine Doppelgängerin aus dem Westen auszutauschen, welche dann selbst im Kofferraum eines zweiten Autos wieder aus der DDR herauskommen soll.

Der von Müller-Westernhagen gespielte Horst Bremer findet in der Kellnerin Erika Marquart (Gisela Dreyer) ein perfektes Opfer. Die junge, verschuldete Frau verliebt sich in Bremer und erklärt sich gegen 5000 D-Mark bereit, mit Bremer per Transit durch die DDR zu fahren und sich während der Reise durch die fluchtwillige Gisela Osswald (Angelika Bender) austauschen zu lassen. Sie selbst sollte dann in den Kofferraum des Wagens von Martin Poll (George) steigen und auf diese Weise weiter über die Grenze nach Bayern gelangen.

Die Fahrt durch die DDR ist dann auch das eigentlich prägende dieser Tatort-Episode. Die Monotonie der Strecke, die langwierigen Kontrollen der Grenzbeamten und die auf der Strecke allgegenwärtigen Patrouillen der Volkspolizei lassen das mulmige Gefühl wieder aufkommen, dass man stets hatte, wenn man auf den Straßen des „Arbeiter- und Bauernstaates“ unterwegs war.

Eine Anweisung der Volkspolizei war es dann auch, die den ausgeklügelten Plan entscheidend durcheinanderbringt. Weil Bremer durch einen Polizisten dazu verdonnert wird, Pannenhilfe bei einem anderen Verkehrsteilnehmer zu leisten, scheitert der Austausch der beiden Frauen und Bremer hat auf einmal zwei Begleiterinnen in seinem Pkw. Am Ende bleibt auf DDR-Gebiet eine Leiche zurück, von der die ostdeutschen Behörden annehmen, das sie aus dem Westen stammt.

Sie informieren ihre Westkollegen, und der (West)-Berliner Kommissar Martin Schmidt (Martin Hirthe) und sein Assistent Hassert (Ulrich Faulhaber) nehmen ihre Ermittlungen auf. Aufgrund der Konstellation eigentlich eine fast unlösbare Aufgabe. Nur da Schmidt zu Beginn der Episode im Rahmen einer anderen Ermittlung in Polls Wohnung ein Foto der späteren Toten gesehen hatte, kommen sie dem Schmuggler-Duo auf die Schliche.

Die Rolle der Ermittler war weit weniger zentral als in heutigen Tatort-Folgen. Erst im letzten Drittel des 98 Minuten langen Streifens nehmen sie ihre eigentliche Untersuchung auf. Überhaupt war Kommissar Schmidt keine lange Tatort-Karriere beschieden. Nach drei Episoden war Schluss. Hassert wirkte noch unter anderen Kommissaren bis 1985 in insgesamt 14 Folgen als Assistent mit.

In der Schlussphase von „Transit ins Jenseits“ verlagert sich das Geschehen nach Bayern, wohin sich Poll, Bremer und die geschleuste Frau nach der Fahrt durch die DDR begaben. Dort leisten der Münchner Tatort-Kommissar Melchior Veigl (Gustl Bayrhammer) und dessen Assistent Ludwig Lenz (Helmut Fischer) den Berliner Kollegen Amtshilfe. Lenz sollte später auch Tatort-Kommissar werden.

Das Finale dieses Tatorts spielt dann schließlich in Mödlareuth, jenem als „Little Berlin“ bekannten Dorf, das durch eine Mauer in einen West- und einen Ostteil geteilt war. Auch hier begegnet einem noch einmal die absurde Brutalität der deutschen Spaltung, die in Beton gegossen für die Ewigkeit zementiert schien und dann in einer einzigen Nacht hinweggefegt wurde. Aber das war 1976 noch nicht vorstellbar.

„Transit ins Jenseits“ ist auf YouTube abrufbar:


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