Argentinien geschockt / Mindestens 22 Menschen gestorben
Hurlingham (dpa) - Nach dem Konsum von gepanschtem Kokain sind in Argentinien mindestens 22 Menschen gestorben. Mehr als 80 weitere Drogenkonsumenten seien mit zum Teil schweren Vergiftungserscheinungen ins Krankenhaus gebracht worden, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Télam gestern. Die Zahl der Toten könne noch steigen, hieß es aus Kreisen der Ermittler.
"So etwas haben wir noch nie erlebt", sagte ein Beamter der Zeitung "La Nación". "Die Zahl der Patienten nimmt ständig zu. Immer mehr Personen in einem ernsten Gesundheitszustand werden in die Krankenhäuser gebracht. Außerdem gibt es Hinweise, dass Menschen auf der Straße und zu Hause sterben, aber die Zahl ist noch nicht bekannt."
Viele Opfer hatten das Kokain offenbar beim selben Dealer in dem Armenviertel Puerta 8 nordwestlich von Buenos Aires gekauft. Die Polizei konnte Reste der Drogen in einer Tüte und an einem Geldschein sicherstellen. Die ersten Ermittlungen deuteten darauf hin, dass ein konkurrierender Rauschgifthändler die Drogen vergiftet hatte, um den Rivalen aus dem Geschäft zu drängen. Bei Razzien wurden acht Verdächtige festgenommen und 15.000 Dosen Kokain beschlagnahmt.
Der Sicherheitsminister der Provinz Buenos Aires, Sergio Berni, rief alle Konsumenten dazu auf, die in den vergangenen 24 Stunden gekauften Drogen nicht zu konsumieren. "Dem Kokain wurden Substanzen zugesetzt, um mehr Volumen zu schaffen und manchmal sind diese Substanzen sehr giftig", sagte Berni während eines Polizeieinsatzes.
Eine zweite Hypothese lautete, dass die Opfer statt Kokain das Opiat Fentanyl konsumiert hatten. Die Droge gilt als deutlich stärker als Heroin und kann schon in geringen Dosen tödlich wirken. Fentanyl ist ein Treiber der Opioid-Krise in den USA mit Zehntausenden Toten pro Jahr.
Das Gesundheitsministerium der Provinz Buenos Aires versetzte die Kliniken in mehreren Vororten der Hauptstadt wegen möglicher Opiat-Vergiftungen in Alarmbereitschaft. Zahlreiche Patienten seien mit Anzeichen von Schock, Atembeschwerden und psychomotorischen Problemen in die Krankenhäuser gebracht worden, hieß es.
Vor den Kliniken der Region spielten sich dramatische Szenen ab. Angehörige fuhren vor der Notaufnahme vor und schleppten einen kollabierten Mann in das Krankenhaus Bocalandro in der Ortschaft Tres de Febrero, wie im Fernsehen zu sehen war. 21 Patienten mussten nach offiziellen Angaben künstlich beatmet werden.
"Meinem Sohn geht es sehr schlecht - er ist auf der Intensivstation", sagte eine Frau im Fernsehen. "Ich fand ihn in der Küche, ich wollte das Licht ausmachen und da lag er auf dem Boden, er konnte nicht sprechen. Es war schrecklich, ich habe den Krankenwagen gerufen, aber es hat eine halbe Stunde gedauert, bis er kam."
Nach den Festnahmen mutmaßlicher Drogenhändler protestierten Angehörige vor dem Eingang zum Armenviertel Puerto 8. "Wir wissen alle, dass die Polizei hier jede Woche Schutzgeld von den Dealern kassiert", sagte eine Frau, deren Bruder und Neffe festgenommen worden waren, im Fernsehsender TN. Vor einem Krankenhaus in der Region griffen Jugendliche ein Polizeiauto an.
Sicherheitsminister Sergio Berni, räumte ein, dass auch Beamte in den Drogenhandel involviert sind. "Jeden Tag nehmen wir Polizisten wegen Verbindungen zum Drogenhandel fest", sagte er gestern in einem Radio-Interview.
Zwar leidet Argentinien im Vergleich zu anderen Ländern Lateinamerikas nicht unter massiven Auseinandersetzungen zwischen den großen Drogenkartellen. Lokale Clans ringen in den Armenvierteln im Umland der Metropolen aber durchaus mit harten Bandagen um Geschäftsfelder und Einflusszonen. Vor wenigen Tagen wurden in Rosario ein Ehepaar und seine einjährige Tochter nach einer Hochzeit im Drogenmilieu getötet. Die Angreifer stoppten das Fahrzeug der mutmaßlichen Dealer und gaben 20 Schüsse auf den Audi TT ab.
Flüssiges Kokain in Kokosnüssen
Cartagena de Indias (dpa) - Eine ungewöhnliche Fracht haben Anti-Drogenermittler in Kolumbien entdeckt: In rund 20.000 Kokosnüssen, die nach Europa geschickt werden sollten, fanden sie flüssiges Kokain. Dies ging aus einer Mitteilung der Staatsanwaltschaft des Landes vor wenigen Tagen hervor.
Demnach befanden sich die 19.780 für den Export bestimmten Kokosnüsse in einem Container mit 504 Leinensäcken, der den Hafen von Cartagena in Richtung Genua (Italien) verlassen sollte. Bei der Inspektion stellte sich heraus, dass das Kokoswasser durch flüssiges Kokain getauscht worden war. Ein Labor sollte die genaue Menge feststellen.
Kolumbien gilt vor Peru und Bolivien, wo die Kokapflanze ebenfalls angebaut wird, als bedeutendstes Herkunftsland von Kokain. Weder der Friedensvertrag mit der FARC-Guerrilla, die sich etwa mit Drogenhandel finanzierte, noch die Corona-Krise haben daran etwas ändern können. Ein Großteil wird in die USA geschmuggelt.
Alberto in Moskau
Moskau (dpa/mc) - Argentinien will sich aus seiner wirtschaftlichen Abhängigkeit von den USA und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) lösen. "Wir müssen uns gegenüber anderen Ländern öffnen und dabei kann Russland eine wichtige Rolle spielen", sagte Präsident Alberto Fernández gestern bei einem Gespräch mit dem russischen Staatsoberhaupt Wladimir Putin in Moskau. Er bot Putin zudem an, Russland beim Markteintritt in Lateinamerika zu unterstützen.
Argentinien ist beim IWF hoch verschuldet. Nach monatelangen Verhandlungen verständigte sich die Regierung in Buenos Aires zuletzt mit dem Fonds auf mehr Zeit zur Rückzahlung der Kredite in Höhe von rund 44 Milliarden US-Dollar. Das Verhältnis zwischen Argentinien und dem IWF ist schwierig. Viele Menschen in der zweitgrößten Volkswirtschaft Südamerikas machen den Fonds für die soziale Härte nach der Staatspleite Anfang der 2000er Jahre verantwortlich.
Bei dem Treffen in Moskau dankte Fernández seinem Amtskollegen Putin zudem für die Lieferung von Impfstoff während der Anfangszeit der Corona-Pandemie. Damals stützte sich die Impfkampagne hierzulande fast ausschließlich auf das russische Vakzin Sputnik V. "Wir sind sehr dankbar, dass ihr zur Stelle wart, als niemand sonst uns Impfstoff geben wollte", sagte Fernández. Rund 19 Millionen Argentinier sind mit dem russischen Vakzin geimpft.
Fernández und sein Tross reisten im Anschluss an den Besuch in Moskau weiter nach Peking, wo der argentinische Staatschef heute an der Eröffnungsfeier der Olympischen Winterspiele teilnehmen will. Auf dem Rückweg steht dann noch eine Visite auf der Karibikinsel Barbados an.
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