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Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Tabubrecher und Spiegel

Zum Film- und Lebenswerk von Juan Carlos Tabío

Von Catharina Luisa Deege

Tabio
Der Regisseur verstarb Montagmorgen in der kubanischen Hauptstadt. (Foto: dpa)

Buenos Aires (AT) - „Oft sind wir Opfer von Mustern, die wir uns selber machen“, erklärt Juan Carlos Tabío, als er von den Reaktionen des kubanischen Volks auf „Fresa y chocolate“ erzählt. Der Film, in dem Tabío auf Einladung des berühmten Regisseurs Tomás „Titón“ Gutiérrez Alea hin gemeinsam mit ihm Regie führte, wurde zum Tabubrecher. In „Fresa y chocolate“ (deutsch: Erdbeer und Schokolade) geht es um den homosexuellen Diego, der sich Ende der 70er Jahre an den jungen, systemtreuen Politikstudenten David heranpirscht. David ist sich sicher, in Diego einen Staatsfeind gefunden zu haben und macht gute Miene zu bösem Spiel. In Kuba galt Homosexualität noch bis zum Jahre 1979 als Delikt.

Der Langfilm wurde zum weltweiten Erfolg. Die Angst vor der Veröffentlichung, der Inhalt könnte aufgrund des gewagten Inhaltes an Toleranzgrenzen stoßen, verwandelte sich in strahlende Freude - besonders über die nationale Annahme und Begeisterung. Vergangenen Montagmorgen verstarb der kubanische Filmemacher in seiner Geburtsstadt Havanna, dort, wo auch ebender Film spielt, der ihm den Weg zu internationalem Ruhm ebnete. Juan Carlos Tabío entschied trotzdem, sich in seinen Werken hauptsächlich mit dem kommunistischen Inselstaat und seinen Bewohner*innen zu befassen.

An seinem Heimatland schätzte er die Diversität, Tiefgründigkeit und Geschichte. Seine filmischen Porträts spiegeln dies wider. Für das kubanische Volk sind sie Spiegel und Sprachrohr zugleich. Der 1943 geborene Tabío bewegte sich dabei in mehreren Genres. Gleich sein erster Film „Se permuta“, eine Komödie aus dem Jahre 1983, füllte die kubanischen Kinosäle. Die in New York geborene und lange Zeit aus dem kubanischen Kino ausgeschlossene Schauspielerin Rosita Fornés gab darin ihr Comeback.

„Fresa y chocolate“ (1994) wurde bei den Academy Awards sowie etlichen weiteren Filmfestivals nominiert. Das Drama gewann unter anderem den Silbernen Bären im Rahmen der Berlinale und als bester ausländischer Film in spanischer Sprache bei den Goyas. Doch nicht nur Titón und Tabío wurden für das mutige, künstlerische Zeitzeugnis geehrt. Auch Jorge Perugorría, der den intelektuellen Künstler Diego verkörperte, gewann als bester Schauspieler beim „Festival Internacional del Nuevo Cine Latinoamericano de La Habana“ sowie, gemeinsam mit seinem Schauspielkollegen Vladimir Cruz, beim brasilianischen Filmfest Gramado. Mirtha Ibarra, die die eigenartige und doch charmante Nachbarin des Homosexuellen David verkörperte, wurde für ihre Nebenrolle ebenfalls vom ICAIC (Instituto Cubano del Arte e Industria Cinematográficos) preisgekrönt.

Cruz - Perugorria
Vladimir Cruz (l.) und Jorge Perugorría in „Fresa y chocolate“. (Foto: Malba)

Für „Guantanamera“ (deutscher Titel: Eine Leiche auf Reisen) zog der kränkelnde Tomás Gutiérrez Alea den befreundeten Regisseur Juan Carlos Tabío ein weiteres Mal zu Hilfe. Etwa ein Jahr nach Premiere der romantischen Komödie verstarb Titón, Idol des neuen kubanischen Kinos. Tabío sagte über seinen verstorbenen Kollegen in einem Interview: „Zwischen Gutiérrez Alea und mir bestand eine jahrelange, sehr starke persönliche und berufliche Beziehung. Wir hatten sowohl bei seinen, als auch bei meinen Filmen immer einen sehr intensiven Austausch, vom Drehbuch über die Inszenierung bis zum Casting.“

Ein Film, der repräsentativ für die Prinzipien und Ideen des Juan Carlos Tabío ist, entstand Mitte der 2000er Jahre. „El cuerno de la abundancia” (deutsch: Das Füllhorn) ist eine der letzten Arbeiten des Schriftstellers und Filmemachers. In der Komödie werden die Bewohner*innen eines kubanischen Dorfs mit einem plötzlichen Millionenerbe gesegnet. Der scheinbare Glücksfall macht jedoch schnell die soziale Krise ersichtlich, in der die Bürger*innen stecken.

Das Ziel Tabíos war es stets, der kubanischen Aktualität und Realität einen Platz im Film zu geben. Dabei schreckte der am 18. Januar 2021 gestorbene Regisseur nicht vor polarisierenden Inhalten zurück und trug dazu bei, das lateinamerikanische Kino von seinem Konservativismus zu entstauben.

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