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Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Steinmeier in Kiew unerwünscht

Empörung über Ausladung des Präsidenten / Einladung für Scholz

Steinmeier
Frank-Walter Steinmeier gibt in Polen eine Erklärung zur Reiseabsage nach Kiew ab. (Foto: dpa)

Berlin/Kiew (dpa) - Die Absage der Ukraine an einen Besuch von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat in Deutschland parteiübergreifend für Empörung gesorgt. Der Vorgang wurde gestern als Affront gewertet. Der ukrainische Botschafter in Berlin, Andrij Melnyk, wiederholte eine Einladung für Kanzler Olaf Scholz und verknüpfte dies mit dem Wunsch, dass der Kanzler die Zusage für die Lieferung schwerer Waffen mitbringen werde. Der SPD-Politiker ließ eine Reise jedoch weiter offen. Er verwies in einem rbb-Interview gestern darauf, dass er früher schon in der Ukraine gewesen sei und jetzt regelmäßig mit Präsident Wolodymyr Selenskyj telefoniere.

Steinmeier wollte zusammen mit den Staatspräsidenten Polens, Lettlands, Litauens und Estlands nach Kiew fahren. Die Initiative hierfür war von Polens Präsident Andrzej Duda ausgegangen. Polen organisierte auch die bis zuletzt geheim gehaltene Fahrt. "Ich war dazu bereit. Aber offenbar - und ich muss zur Kenntnis nehmen - war das in Kiew nicht gewünscht", sagte Steinmeier am Dienstagabend in Warschau. Die vier anderen Staatsoberhäupter fuhren schließlich mit dem Zug allein nach Kiew, wo sie am Mittwoch eintrafen.

Scholz nannte die Entscheidung der Ukraine "etwas irritierend, um es höflich zu sagen". Er sagte im rbb: "Der Bundespräsident wäre gern gekommen." Er sei das gerade wiedergewählte Staatsoberhaupt. "Und deshalb wäre es auch gut gewesen, ihn zu empfangen." Außenministerin Annalena Baerbock bedauerte die Absage ebenfalls. Sie hätte die Reise Steinmeiers "für sinnvoll gehalten", sagte die Grünen-Politikerin am Rande eines Besuches in der malischen Hauptstadt Bamako.

Die faktische Ausladung Steinmeiers stieß in Deutschland auf teils scharfe Kritik. Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki schließt eine Fahrt von Kanzler Scholz nach Kiew vorerst aus. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Kanzler einer von der FDP mitgetragenen Regierung in ein Land reist, das das Staatsoberhaupt unseres Landes zur unerwünschten Person erklärt", sagte Kubicki der Deutschen Presse-Agentur. Er habe jedes Verständnis für die politische Führung der Ukraine. Das Land kämpfe um sein Überleben. "Aber alles hat auch Grenzen."

Der SPD-Außenpolitiker Nils Schmid sagte im Deutschlandfunk: "Kanzler gegen Bundespräsidenten auszuspielen, das geht überhaupt nicht." Er sehe keinen Grund, wieso Scholz "einfach so nach Kiew reisen" solle. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich nannte das Vorgehen der ukrainischen Seite "bedauerlich". Es werde den engen beiderseitigen Beziehungen nicht gerecht. "Gleichwohl werden wir darauf achten, dass dieser Vorgang unsere Zusammenarbeit nicht gefährden wird."

Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz sprach ebenso von einem "Affront" wie Linksfraktionschef Dietmar Bartsch. Merz sagte der "Rheinischen Post", er habe Verständnis für den emotionalen Ausnahmezustand des ukrainischen Präsidenten Selenskyj. "Aber Frank-Walter Steinmeier ist gewähltes Staatsoberhaupt eines demokratischen Landes, seine Ausladung ist ein diplomatischer Affront." Bartsch sagte dem Blatt: "Bundeskanzler Scholz darf diesen Affront nicht durch einen Besuch faktisch akzeptieren und sollte die Reise nach Kiew aufschieben."

Der ukrainische Präsidentenberater Olexeij Arestowytsch bat um Verständnis für die Absage. Er kenne die Gründe nicht, doch die Politik und die Entscheidungen von Selenskyj seien sehr ausgewogen, sagte er im ARD-"Morgenmagazin" laut Übersetzung. "Unser Präsident erwartet den Bundeskanzler, damit er unmittelbar praktische Entscheidungen treffen könnte auch inklusive die Lieferung der Waffen."

Der frühere Box-Weltmeister Wladimir Klitschko bedauerte die Absage und setzt auf eine spätere Reise des Bundespräsidenten. "Ich hoffe, dass der Besuch des Bundespräsidenten in Kiew nur aufgeschoben ist und in den kommenden Wochen nachgeholt werden kann", sagte der Bruder des Kiewer Bürgermeisters Vitali Klitschko der "Bild"-Zeitung. "Ich halte es für dringend erforderlich, dass wir als Ukraine weiterhin Brücken nach Deutschland bauen", betonte Klitschko.

 

Biden spricht von Völkermord

Washington (dpa) - US-Präsident Joe Biden hat Russlands Präsidenten Wladimir Putin angesichts der Gräueltaten in der Ukraine mit deutlichen Worten "Völkermord" vorgeworfen. "Ich habe es Völkermord genannt, denn es wird klarer und klarer, dass Putin einfach versucht, die Idee, überhaupt Ukrainer sein zu können, einfach auszuradieren", sagte Biden am Dienstag bei einem Besuch im US-Bundesstaat Iowa. Biden hatte am Nachmittag bereits im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg von Völkermord gesprochen - allerdings noch weniger deutlich.

Von mitreisenden Journalistinnen und Journalisten auf seine Aussage vom Nachmittag angesprochen, sagte Biden weiter: "Die Beweise häufen sich. Es sieht anders aus als letzte Woche. Es kommen buchstäblich immer mehr Beweise für die schrecklichen Dinge ans Licht, die die Russen in der Ukraine getan haben." Letztlich müssten Juristen auf internationaler Ebene entscheiden, ob es sich um Genozid handele oder nicht, aber für ihn sehe es ganz so aus, sagte Biden weiter. Derweil bereitet Putin nach Einschätzung der Ukraine und westlicher Regierungen eine Großoffensive im Osten der Ukraine vor.

 

Familienministerin tritt zurück

Berlin (dpa) - Die Koalitionsregierung in Berlin steht vor ihrer ersten Kabinettsumbildung: Familienministerin Anne Spiegel tritt nach eigenen Angaben vom Montag zurück. Hintergrund ist der Umgang der Grünen-Politikerin mit der Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz im Sommer 2021. "Ich habe mich heute aufgrund des politischen Drucks entschieden, das Amt der Bundesfamilienministerin zur Verfügung zu stellen. Ich tue dies, um Schaden vom Amt abzuwenden, das vor großen politischen Herausforderungen steht", sagte die 41-Jährige laut einer Mitteilung ihres Ministeriums.

Zuvor war bekanntgeworden, dass Spiegel als damalige Umweltministerin des Bundeslandes Rheinland-Pfalz zehn Tage nach der Flut zu einem vierwöchigen Familienurlaub nach Frankreich aufgebrochen war und diesen nur einmal für einen Ortstermin im Ahrtal unterbrochen hatte.

Bei einem emotionalen Auftritt hatte Spiegel den Urlaub am Sonntagabend als Fehler bezeichnet und sich dafür entschuldigt. Dabei räumte sie auch ein, dass sie sich - anders als ursprünglich mitgeteilt - nicht aus den Ferien zu den Kabinettssitzungen zugeschaltet hatte.

Bei der Flutkatastrophe Mitte Juli 2021 kamen in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen mehr als 180 Menschen ums Leben, davon 134 im Ahrtal. Rund 750 Menschen wurden in Rheinland-Pfalz verletzt und große Teile der Infrastruktur sowie Tausende Häuser zerstört. Viele Menschen leben noch immer in Not- oder Ausweichquartieren.

Der sozialdemokratische Kanzler Olaf Scholz hatte zuvor noch über eine Regierungssprecherin mitteilen lassen, er arbeite "eng und vertrauensvoll" mit Spiegel zusammen. Zu ihrem Amtsantritt als Familienministerin hatte sie im vergangenen Dezember den Kampf gegen Kinderarmut als vorrangiges politisches Ziel genannt. Wer Spiegels Amt übernehmen wird, blieb zunächst offen.



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