Von Juan E. Alemann
Die verschiedenen freien Wechselkurse, die neben dem offiziellen bestehen, der Schwarzkurs (genannt “blue”), der sogenannte Börsenkurs und der Kurs, der sich über Kauf und Verkauf von Staatstiteln in Dollar ergibt (“contado con liquidación”) sind nach längerem Stillstand in der Vorwoche wieder in Bewegung geraten. Der Schwarzkurs, der als Referenz für die anderen zwei genommen werden kann, hatte sich Januar bei $ 1,60 eingespielt, nachdem er im Oktober schon kurz $ 1,90 erreicht hatte. Ab Januar ging der Kurs zurück, bis auf $ 1,39 im April. Das wurde auf die Zahlung der Steuer auf hohe Vermögen zurückgeführt, die zum Verkauf von Dollar führte. Danach erholte sich der Kurs leicht, verblieb aber unter $ 1,40. Das wurde auch erreicht, weil die ZB einen Überschuss auf dem offiziellen Markt erwirtschaftete und einen Teil auf dem freien Markt einsetzte, der sich durch Kauf und Verkauf von Staatspapieren in Dollar ergibt, der völlig legal ist. Und das übertrug sich auf den Schwarzkurs. Die ZB kaufte Titel, und verkaufte sie nicht, womit sie gleichzeitig einen (geringen) Teil der Staatsschuld zu ca. einem Drittel des Nennwertes tilgte.
Der Überschuss auf dem offiziellen Markt war an erster Stelle eine Folge der hohen Weltmarktpreise für Sojabohne und Mais, sowie, in geringem Ausmaß auch für Weizen, Sonnenblume und auch anderer Exportcommodites, wie Gold, Kupfererz und Aluminium. Gleichzeitig wurden die Importe stark beschränkt, einmal bei Genehmigungen des Produktionsministeriums, und dann bei den Überweisungsgenehmigungen der ZB. Schließlich wirkte sich auch die restriktivere Geldpolitik aus, die durch den stark gesunkenen Geldbedarf des Schatzamtes herbeigeführt wurde.
Das unlängst abgeschlossene Abkommen mit dem Pariser Klub, durch das der Termin für die Zahlung einer Amortisationsquote von u$s 1,24 Mrd. auf Ende März hinausgeschoben wurde, wobei jetzt nur u$s 430 Mio. gezahlt wurden (ebenso viel wie an China für einen Kredit gezahlt worden war) hätte normalerweise die Beruhigung auf dem Devisenmarkt festigen sollen. Doch plötzlich kam es anders, und der Schwarzkurs stieg in der Vorwoche auf $ 1,75. Die Finanzwelt wurde dabei unruhig, und befürchtet, dass dies erst der Anfang ist. Die Wirtschaftsführung macht sich dabei Sorgen, weil die Differenz um offiziellen Kurs dabei auf über 70% gestiegen ist, und dies einen Anreiz darstellt, um bei Exporten niedrigere Preise als die effektiven und bei Importen höhere anzugeben, und die Differenz dann zum freien Kurs zu verrechnen. Das Geschäft ist dabei so groß geworden, dass viele Exporteure und Importeure zunehmend dazu neigen, das Risiko in Kauf zu nehmen, dass sie erwischt werden. Ohnehin gibt es dann oft noch eine Zwischenstufe, die in der Beteiligung der Kontrollbeamten am Geschäft besteht.
Abgesehen davon treibt der hohe freie Kurs auch die Inflation an. Denn einmal gilt der Dollar als Zweitwährung, und allerlei Preise von Gütern in Dienstleistungen werden in Dollar berechnet, auch wenn sie wenig mit dem Wechselkurs zu tun haben. Und dann lässt die hohe Differenz um offiziellen Kurs vermuten, dass dieser künstlich niedrig gehalten wird und gelegentlich eine größere Abwertung bevorsteht. Und das führt wiederum dazu, dass Importgüter sofort teurer werden, weil mit Wiederbeschaffungspreisen kalkuliert wird. Diese Woche hat die ZB, wie zu erwarten war, auf die Hausse des freien Dollarkurses reagiert und Dollar auf dem legalen freien Markt (“contado con liquidación”) verkauft, und den Kurs gedrückt. Das hatte jedoch einen bescheidenen Erfolg: der Schwarzkurs ging am Montag zunächst leicht zurück, erholte sich danach aber wieder. Auch auf dem offiziellen Markt hat sich die Lage geändert: der Überschuss, den die ZB abschöpfte, verschwand. Gleichzeitig stieg die Landesrisikorate am Montag auf 1587 Basispunkte. Die ZB hat in sechs Monaten 2021 die verfügbaren Reserven von u$s 3,4 Mrd. auf ca. u$s 8 Mrd. erhöhen können, Doch das reicht nicht aus, um den offiziellen Kurs verwalten zu können, wenn die Nachfrage das Angebot dauerhaft übersteigt, und gleichzeitig den freien Kurs zu drücken. Die ZB muss mit ihren freien Reserven vorsichtig umgehen, was bedeutet, dass die restriktive Importpolitik beibehalten wird. Die Umkehrung der Stimmung bezüglich Devisenmarkt hat mehrere konkrete Ursachen. Zunächst sind schon in den letzten Wochen Zweifel über die Dauer der Exportkonjunktur aufgetreten, nachdem der Export der Grobernte von 2020 und der Ernte von Weizen und Gerste des letzten Sommers in den kommenden Woche abflaut und somit weniger Devisen eingenommen werden. Auch wirkt jetzt der Rückgang beim Sojapreis. Und dann besteht im Hintergrund die Sorge über die Geldschöpfung, die Guzmán in diesem Jahr bisher eingedämmt hat, aber im Zuge der Wahlen wegen hoher Sozialausgaben, hoher Subventionen als Ausgleich von niedrigen Tarifen für Strom, Gas und Wasser, und ebenfalls stark erhöhter Staatsinvestitionen, bei gleichzeitig niedrigeren Einnahmen aus Exportzöllen, zu erwarten ist.
In der Vorwoche hat die niedrigere Benotung des Landes durch Morgan Stanley Capital International (MSCI) wie eine Bombe eingeschlagen. Diese Finanzanstalt der USA hat vier Kategorien: entwickelte Staaten, Schwellenländer, Grenzfälle und Unabhängige (“standalones”). Obwohl erwartet wurde, dass Argentinien auf die dritte Kategorie fallen würde, in der sich das Land schon zwischen 2009 und 2018 befand, wurde Argentinien in die vierte Kategorie eingestuft, in der sich nur drei Staaten des amerikanschen Kontinents befinden: Trinidad Tobago, Jamaika und Panama. Venezuela wird nicht einmal in dieser Kategorie aufgeführt. Weltweit schließt dies auch Bosnien und Herzegowina, Bulgarien, Malta, die Ukraine, Zimbabwe und Botswana ein. Argentinien ist somit auf sich selbst verlassen, und kann keine Hilfe von anderen erwarten.
Das Interessante dabei ist, dass dies mit den Hindernissen bei Kapitalüberweisungen begründet wird, nicht aber mit den Beschränkungen beim Import u.a. Auslandszahlungen. Das bedeutet, dass der Fall mit unserem Vorschlag gelöst werden könnte, der in der vollen Legalisierung des Schwarzkurses besteht, so dass es dann nur einen Kurs gibt, und die teurere Überweisung über den Kauf und Verkauf von Staatstiteln aufhört. Es gäbe dann einen offiziellen Markt für die Transaktionen, die sich auf die Leistungsbilanz beziehen, also Import und Export von Gütern und Dienstleistungen, der von der ZB verwaltet würde (wie jetzt) und einen freien Markt für Kapitaltransaktionen, Ausgaben von Touristen und Auslandsreisenden (ausländischen hier und argentinischen im Ausland), und unbestimmten Zahlungen. Dann könnte nicht mehr beanstandet werden, dass Gewinne und Dividenden nicht überwiesen werden können. Das faktisch bestehende Verbot von Überweisungen von Gewinnen und Dividenden wirkt von vornherein gegen Auslandsinvestitionen.
Allein, es verbleibt noch das Problem, dass der Kurs auf diesem freien Markt eventuell davonspringt, und dies ein üble Wirkung auf die Wirtschaft hat. Um das zu vermeiden, muss die Regierung ein höheres Angebot auf diesem Markt schaffen, damit er nicht strukturell unausgeglichen ist, also prinzipiell eine Nachfrage aufweist, die über dem Angebot liegt. Hier muss der Einsatz der hohen Dollarguthaben von Personen, die in Argentinien wohnhaft sind, (irgendwo zwischen u$s 50 und u$s 150 Mrd.) für Anlagen und Investitionen in Argentinien durch Weißwaschung gefördert werden. Als erstes müssen dabei Beträge, die für eine bestimmte Frist in lokalen Dollardepositen angelegt werden, als legalisiert gelten. Und dann müssen auch wieder Dollarkredite für Inlandsgeschäfte zugelassen werden, die Anfang 2002 verboten wurden. Wenn jetzt Kredite zugelassen sind, die auf Pesos lauten, aber mit dem offiziellen Dollarkurs indexiert werden, sollte kein Hindernis für direkte Dollarkredite bestehen, bei denen der freie Kurs gilt. Die Regierung und auch ein großer Teil des wirtschaftlichen Establishments und viele Ökonomen weisen auf das Bestehen eines bimonetären Systems hin, denken aber das Thema nicht zu Ende, womit sie bei unserem Vorschlag landen würden.
Wie dies jetzt weitergeht, lässt sich nicht sagen. Wenn die Regierung die Natur des Problems nicht begreift, Politik mit den Staatsfinanzen betreibt und weiter zu Notmaßnahmen greift, dann besteht effektiv die Gefahr, dass der freie Wechselkurs weiter steigt, um so mehr als zu erwarten ist, dass der Überschuss auf dem offiziellen Markt stark sinkt, und somit nicht mehr die Möglichkeit besteht, Mittel einzusetzen, um den freien Markt zu drücken, wie bisher. Indessen sollte das Bewusstsein dieser Gefahr, die die Wahlaussichten für die Regierungspartei noch mehr beeinträchtigt, die Regierung, also sowohl Alberto wie Cristina, dazu führen, sich den Fall gründlicher zu überlegen. Eventuell kämen sie dann zu unserem Schluss, und dann könnten sie das Problem lösen und die bevorstehende Katastrophe vermeiden. Sind wir zu optimistisch? Wahrscheinlich, aber nicht unbedingt.
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