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Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Schwarz-Rot-Gold sticht Schwarz-Weiß-Rot

Die deutschen Nationalfarben waren lange umkämpft

Von Marcus Christoph

Die Brüche der deutschen Geschichte spiegeln sich auch in den unterschiedlichen Fahnen wider, die das Land im Laufe der verschiedenen Epochen gehabt hat. Eine Zeitlang gab es heftige Auseinandersetzungen, ob Schwarz-Rot-Gold oder Schwarz-Weiß-Rot die deutschen Farben sind.

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Die deutsche Fahne beim Festakt der deutschen Einheit am 3. Oktober 1990 in Berlin. (Foto: dpa)

Buenos Aires (AT) - Schwarz-Rot-Gold kann auf eine Geschichte zurückblicken, die bis ins Mittelalter zurückreicht. So symbolisierte seit 1410 ein schwarzer doppelköpfiger Adler mit roten Schnabel und Klauen auf goldenem Grund das Kaiser- und Königtum des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Dies blieb bis 1806 so, als das alte Reich im Zuge der Napoleonischen Kriege unterging. Eine Nationalfahne im heutigen Sinne besaß das erste Reich der Deutschen jedoch nicht.

In den Befreiungskriegen gegen die französischen Besatzer tauchten die schwarz-rot-goldenen Farben wieder auf bei den Uniformen des Lützowschen Freikorps, einem Freiwilligenverband unter dem Befehl von Major Ludwig Adolf Wilhelm von Lützow, das sich aus Teilnehmern fast aller deutschen Einzelstaaten zusammensetzte. Die Uniformfarben - schwarzes Tuch, rote Stoffstreifen, goldene Knöpfe - waren stilbildend.

1815 gründeten Studenten, die in dem überregionalen Freikorps gekämpft hatten, in Jena mit weiteren national und republikanisch gesinnten Kommilitonen die „Urburschenschaft“, deren Farben Schwarz-Rot-Gold wurden. Zwei Jahre später führten sie ihre Farben mit zum Wartburgfest, das am vierten Jahrestag der Völkerschlacht gegen Napoleon stattfand. Die Versammlung am historischen Zufluchtsort Martin Luthers war eine Protestkundgebung gegen reaktionäre Politik und Kleinstaaterei und für einen Nationalstaat mit einer eigenen Verfassung. Forderungen, die sich ergaben, als nach der Niederlage Napoleons in Europa die Macht der Fürsten restauriert wurde.


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Eine schwarz-rot-goldene Fahne beim Hambacher Fest 1832. (Foto: dpa)

Waren auf der Wartburg noch rund 500 Teilnehmer gewesen, geriet das Hambacher Fest 15 Jahre später mit rund 30.000 Menschen zu einer Großveranstaltung. Bei dem Treffen bei dem Schloss bei Neustadt an der Weinstraße ging es um freiheitliche Ziele und die Forderung nach einem deutschen Nationalstaat. Sie wurden im Zeichen schwarz-rot-goldener Fahnen vorgetragen.

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Kämpfe in Berlin am 18. März 1848. (Foto: Verlag Winckelmann)

Die Farben spielten auch eine Rolle bei der Revolution von 1848/49. Die Revolutionäre führten sie als ihre Fahne. Der Ort der Nationalversammlung, die Frankfurter Paulskirche, war geziert durch ein Gemälde der Germania in Schwarz-Rot-Gold. Die Versammlung beschloss ein Gesetz, nachdem Schwarz-Rot-Gold auch die Fahne der Reichsflotte werden sollte. Nach der Niederschlagung der Revolution behielt der Deutsche Bund, der 1848 die Trikolore offiziell angenommen hat, die Farben bei. Allerdings wurden sie kaum noch öffentlich verwendet.

Die deutsche Einheit kam schließlich nicht durch eine Revolution „von unten“, sondern durch Otto von Bismarcks preußische Machtpolitik „von oben“ zustande. Das nach drei Einigungskriegen 1871 entstandene Deutsche Reich setzte mit Schwarz-Weiß-Rot auf andere Farben. Diese Kombination hatte es bereits seit 1867 bei der Fahne des Norddeutschen Bundes gegeben. Schwarz und Weiß sind die preußischen Farben. Rot und Weiß stehen für die Hansestädte. Zudem war die Kombination für den preußischen König und späteren deutschen Kaiser Wilhelm I. annehmbar, da Rot und Weiß auch die Farben der Mark Brandenburg sind.

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Gemälde "Aufhissen der schwarz-weiß-roten Fahne auf Fort Vanves vor Paris am 29. Januar 1871" von Eugen Adam. (Foto: dhm)

Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg und dem Untergang des Kaisertums gab es eine Rückbesinnung auf Schwarz-Rot-Gold, was in der Verfassung der Weimarer Republik festgelegt wurde. Die Trikolore der Nationalbewegung des 19. Jahrhunderts wurde 1919 zum ersten Mal offiziell zur deutschen Flagge. Die Entscheidung sollte den republikanischen Neuanfang markieren und einen Gegensatz zu Monarchie, Untertanengeist und Militarismus darstellen.

Doch ganz verabschieden wollten sich die Gründungsmütter und -väter der Weimarer Republik von den Farben des Kaiserreichs dann doch noch nicht. So war die Handelsflagge der Republik weiterhin in Schwarz-Weiß-Rot gehalten. Nur die Gösch, das linksseitige Obereck der Flagge, war in Schwarz-Rot-Gold. Einen ähnlichen Kompromiss gab es bei der Reichskriegsflagge. Überhaupt sollte der Streit darüber, was die eigentlichen deutschen Farben sind, während der gesamten Weimarer Zeit nie ganz verstummen.

Die politische Rechte setzte auf Restauration, was im Bekenntnis zu Schwarz-Weiß-Rot zum Ausdruck kam. Für sie war Schwarz-Rot-Gold Symbol für ein als „undeutsch“ empfundenes System, das Deutschland von den Siegermächten des Ersten Weltkriegs aufgezwungen worden sei. Die extreme Linke setzte hingegen auf ganz rote Fahnen als Symbol der kommunistischen Weltrevolution.

1926 zerbrach gar die bürgerliche Regierung des parteilosen Reichskanzlers Hans Luther an der Frage, welche Fahnen vor konsularischen Behörden des Reichs außerhalb Europas eingesetzt werden sollten. Schwarz-Rot-Gold oder Schwarz-Weiß-Rot - es war zu einer Frage der Weltanschauung geworden. Eindeutig für die Farben der Republik bezogen die Sozialdemokraten Position. Die nannten ihren politischen Wehrverband demonstrativ „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“.

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Von 1935 bis 1945 war die Hakenkreuzfahne die alleinige Nationalfahne. (Foto: WDR)

Die Machtergreifung der Nazis 1933 änderte die Situation erneut. Die neuen Machthaber setzten Schwarz-Rot-Gold umgehend ab. Stattdessen führten sie zunächst die schwarz-weiß-rote Fahne aus der Kaiserzeit wieder ein und stellten an deren Seite recht bald die Hakenkreuzfahne der NS-Bewegung. Im März 1933 verfügte der greise und im Grunde seines Herzens monarchistisch gesinnte Reichspräsident Paul von Hindenburg, dass beide Fahnen „bis zu einer endgültigen Regelung“ gemeinsam zu hissen seien.

Die Entscheidung wurde dann 1935, ein Jahr nach Hindenburgs Tod, zugunsten der Hakenkreuzfahne getroffen. Sie galt fortan als alleinige Reichsfahne. Die Reichsfarben konnten Schwarz-Weiß-Rot bleiben, da sich auch die NS-Fahne aus diesen Farben zusammensetzte: Auf rotem Grund ein weißer Kreis, in dessen Mitte das Hakenkreuz zu sehen war.

Dieses uralte, in Indien weitverbreitete Symbol stellt eigentlich ein Sonnenrad dar. Zur Jahrhundertwende entwickelte es sich in Deutschland aber immer mehr zum Zeichen für Germanentum und Antisemitismus. Hitler griff dies auf und machte es zum Zeichen seiner Bewegung. Das Hakenkreuz stehe für schaffende Arbeit“ sowie den „Sieg des arischen Menschen“, wie er in seiner Bekenntnisschrift „Mein Kampf“ schrieb. Das Rot der NS-Flagge symbolisiere „die Farbe der eisernen sozialen Gerechtigkeit, das Weiß, unsere heilige nationale Begeisterung“.

Die verheerende Kriegsniederlage und die unvorstellbaren Verbrechen des NS-Regimes führten nach 1945 dazu, dass die Siegermächte die vorherigen Nationalfahnen verboten. Ab 1946 hatten deutsche Schiffe einen farblich an die Landesfahne von Costa Rica erinnernden Doppelstander in Blau, Weiß und Rot zu führen, was den Farben der Alliierten entsprach.

In der Gründungsphase der Bundesrepublik (1949) plädierten die Sozialdemokraten für ein Revival der schwarz-rot-goldenen Fahne der Weimarer Republik. In der neugegründeten CDU setzte man zunächst auf dieselben Farben, wollte sie jedoch anders gestalten. Zur Diskussion stand vor allem eine Kreuzflagge, die von der Gestaltung an skandinavische Vorbilder - aber auch an die alte kaiserliche Kriegsflagge - erinnerte. Sie war von Josel Wirmer, einem Widerstandskämpfer des 20. Juli 1944, für die Zeit nach Hitler entworfen worden. Heute wird die Fahne gelegentlich von rechten Gruppierungen wie Pegida oder auch den Reichsbürgern verwendet.

Schließlich entschieden sich die Staatsgründer 1949 für die Version, die bereits 1919 gewählt wurde. Ausschlaggebendes Argument war der Wunsch, den Anspruch der jungen Bundesrepublik auf Rechtskontinuität mit dem Deutschen Reich sichtbar zu machen.

Auch in der DDR, die ebenfalls 1949 gegründet wurde, setzte man auf die tradierten republikanischen Farben in waagerechter Anordnung. Dies hatte zur Folge, dass die beiden konkurrierenden deutschen Staaten im ersten Jahrzehnt ihres Bestehens die gleichen Fahnen hatten.

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Die Fahnen der beiden deutschen Staaten zu Zeiten der Teilung. (Foto: dpa)

Erst zehn Jahre später, 1959, fügten die kommunistischen Machthaber in Ost-Berlin ein Symbol aus Hammer, Zirkel und Ährenkranz in der Mitte der Flagge hinzu. Dadurch sollte ganz im Zeichen der herrschenden Ideologie das Bündnis der Arbeiterklasse (Hammer) mit den Bauern (Ährenkranz) und der Intelligenz (Zirkel) zum Ausdruck gebracht werden. Im Westen wurde die DDR-Fahne abfällig als „Spalterflagge“ bezeichnet.

Mit dem Untergang der DDR im Jahr 1990 verschwanden auch deren Symbole und wurden durch jene der Bundesrepublik ersetzt. Die Fahne des wiedervereinigten Deutschlands ist somit Schwarz-Rot-Gold - ohne Wappen in der Mitte. Das vereinte Land knüpft somit optisch an die republikanischen Traditionen an, die sich bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts zurückverfolgen lassen. Es sind die Farben, die für die demokratischen Anläufe der Jahre 1848 und 1919 sowie die westdeutsche Erfolgsgeschichte nach 1949 stehen.

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Deutsches Fahnenmeer während der Fußball-WM 2006. (Foto: dpa)

Die Bundesbürger setzten ihre Fahne viele Jahr eher zurückhaltend ein. Erst bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 im eigenen Land entwickelte sich eine Begeisterung in Schwarz-Rot-Gold. Die Fahnen waren auf vielen Fanmeilen und in den Stadien zu sehen. Seitdem hat sich ein lockerer Umgang mit den Farben des Landes entwickelt.

Schwarz-Weiß-Rot ist dennoch nicht ganz verschwunden. Man sieht diese Farben bei Aufmärschen von Rechts oder Rechtsaußen, aber auch bei manchen Protesten gegen die Corona-Maßnahmen der Regierung. Die Übergänge sind gelegentlich fließend. Doch diejenigen, die schwarz-weiß-rote Fahnen schwenken, stellen eine Minderheit dar.

Dass es in den vergangenen gut 150 Jahren insgesamt vier verschiedene Nationalfahnen gegeben hat, stellt im Vergleich zu anderen Ländern einen Sonderfall dar. Die Flaggenfrage dürfte nun seit 1990 aber endgültig entschieden sein.



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