Soirée anlässlich der Verleihung von Staatsbürgerschaften
Von Marcus Christoph
Buenos Aires (AT) - „Das Projekt ist ein weiterer Schritt der Versöhnung.“ Mit diesen Worten beschrieb der österreichische Botschafter Andreas Melán die historische Dimension der Neuerung, die Nachkommen österreichischer NS-Opfer einen erleichterten Zugang zur Staatsbürgerschaft der Alpenrepublik ermöglichen soll. Diese trat im Oktober 2020 in Kraft (wir berichteten). Vor wenigen Tagen hatte Melán in seine Residenz im Buenos-Aires-Stadtteil Belgrano geladen, um mit 120 Neu-Österreichern zu feiern, die im Zuge der neuen Möglichkeit eingebürgert wurden.
Weitere Veranstaltungen dieser Art könnten folgen, denn insgesamt haben schon rund 1000 Personen in Argentinien entsprechendes Interesse bekundet, wie der Botschafter in seiner Rede darlegte. 862 haben demnach bis zum Dienstag der vorigen Woche einen konkreten Antrag gestellt. Damit ist die hiesige österreichische Auslandsvertretung nach den Botschaften bzw. Generalkonsulaten in Israel, New York und Los Angeles der Standort mit den viertmeisten Anträgen. In rund 450 Fällen habe man bereits die Staatsbürgerschaft ausstellen können, so Melán.
Die Bewilligungen erfolgten großzügig und so wenig bürokratisch wie möglich, erläuterte der Botschafter. Zwar seien einige Dokumente als Nachweis der Herkunft notwendig. Doch in Abstimmung mit den in österreichischen Archiven tätigen Historikern sei eine zügige und unkomplizierte Bearbeitung möglich.
Wie Melán darstellte, betrachte man diejenigen, die von der beschriebenen Möglichkeit Gebrauch machen, nicht als Antragssteller. Viel eher handele es sich um ein Annehmen eines Angebots, das die Republik Österreich den Betroffenen gemacht habe. Der Botschafter führte aus, dass man mit den Einbürgerungen diejenigen Personen würdige, die in Österreich misshandelt und verfolgt wurden: Die von einem mörderischen Regime, dem viele österreichische Bürger aktiv zuarbeiteten, gezwungen wurden, das Land zu verlassen.
Die Zeremonie in der österreichischen Residenz sei somit auch als „Geste der Entschuldigung“ gegenüber den damals Verfolgten und ihren Familien zu verstehen. „Ein weiterer, wenn auch später Akt, um die Geschichte unseres Landes anzunehmen“, so Melán.
In seiner Rede wies Melán die Anwesenden auf das „Literaturhaus Wien“ hin, wo die österreichische Exilbibliothek ansässig ist. Dort werden Nachlässe von und Informationen über Künstler und Schriftsteller gesammelt, die während des austrofaschistischen Regimes (1933/34 bis 1938) oder während des anschließenden nationalsozialistischen Regimes ins Exil flüchten mussten.
Des Weiteren kündigte der Botschafter den derzeit noch in Arbeit befindlichen Dokumentarfilm „El Exilio de los Músicos“ (Das Exil der Musiker) von Silvia Glocer und Iván Cherjovsky an. An diesem beteiligte sich auch der österreichische Nationalfonds für NS-Opfer. Die in dem Film auftretende Sängerin Betina Ruth Ehrenhaus gab während der Soirée in der österreichischen Residenz einige Tango-Stücke mit Texten von Homero Manzi und Lito Bayarrdo zum Besten. Dabei wurde sie von den Gitarristen Pablo Covacevich und Ignacio Peralta begleitet. Ihr Bruder Nicolás Ehrenhaus spielte zudem am Piano Werke von Gustavo Cuchi Leguizamón.
2019 hatten sich alle im österreichischen Nationalrat vertretenen Parteien darauf verständigt, den Zugang zur Staatsbürgerschaft auf die Nachfahren jener Opfer zu erweitern, die Österreich bis zum 15. Mai 1955 verlassen haben. Der neue § 58c Abs. 1a StbG ermöglicht den Nachkommen von Opfern des NS-Regimes, die österreichische Staatsbürgerschaft zu erhalten, ohne dafür ihre bisherige Staatsangehörigkeit aufgeben zu müssen.
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