Ton im Rennen um Johnson-Nachfolge wird schärfer
London (dpa) - Der Ton im Rennen um die Nachfolge des scheidenden britischen Premiers Boris Johnson hat am Mittwoch an Schärfe zugenommen. Zum Ziel von verbalen Angriffen wurde vor allem der als Favorit geltende Ex-Finanzminister Rishi Sunak.
Bei einer ersten Abstimmungsrunde erreichten sechs Kandidatinnen und Kandidaten die nächste Runde. Neben Sunak sind das Handels-Staatssekretärin Penny Mordaunt, Außenministerin Liz Truss, die Abgeordnete Kemi Badenoch, der Chef des Auswärtigen Ausschusses Tom Tugendhat und Chefjustiziarin Suella Braverman. Nicht über die Hürde von mindestens 30 Stimmen schafften es hingegen Ex-Gesundheitsminister Jeremy Hunt und Finanzminister Nadhim Zahawi. Die Abstimmungen in der konservativen Fraktion sollen in den kommenden Tagen so lange fortgesetzt werden, bis nur noch zwei Kandidaten übrig sind. Diese sollen sich dann einer Stichwahl der Parteimitglieder über den Sommer stellen. Ein Johnson-Nachfolger soll am 5. September gekürt werden.
Kulturministerin Nadine Dorries bezichtigte das Team um Sunak „schmutziger Tricks“, um sich einen Vorteil zu verschaffen. Sunak-Unterstützer hätten Hunt anfangs Stimmen geliehen, um einen leicht zu schlagenden Kandidaten in die Endrunde zu bringen, so der Vorwurf.
Brexit-Staatssekretär Jacob Rees-Mogg griff Sunak ebenfalls an. Der Ex-Finanzminister habe der Wirtschaft schädliche Steuererhöhungen durchgesetzt, sagte Rees-Mogg dem Sender Sky News. Sunaks Steuerpolitik hatte er zuvor sogar mit Sozialismus verglichen - einem Schimpfwort unter britischen Konservativen. Sowohl Dorries als auch Rees-Mogg gelten als treue Johnson-Anhänger. Beide sprachen sich für Außenministerin Liz Truss als dessen Nachfolgerin aus.
Sunak wird vorgeworfen, Johnson in seiner Zeit als Finanzminister in den Rücken gefallen zu sein. Medien spekulierten, Johnson-Getreue arbeiteten daher daran, den bisherigen Favoriten zu Fall zu bringen.
Mordaunt gilt als Liebling der Parteibasis. Wie eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov am Mittwoch nahelegte, dürfte sie sich bei einer Stichwahl unter den Parteimitgliedern durchsetzen, sollte sie nicht vorher aus dem Rennen ausscheiden.
Johnson gab sich bei der wöchentlichen Fragestunde am Mittwoch unterdessen trotzig. „Es ist wahr, dass ich nicht zum Zeitpunkt meiner Wahl gehe“, sagte Johnson. Er sei aber stolz auf die Teamarbeit und die Führung seiner Amtszeit und fügte hinzu: „Ich werde bald erhobenen Hauptes gehen.“ Zu Beginn der Sitzung spielten sich kurzzeitig chaotische Szenen ab. Zwei Abgeordnete der schottischen Alba-Partei forderten lautstark ein Unabhängigkeitsreferendum für ihren Landesteil, ohne dass ihnen das Wort erteilt worden war. Parlamentspräsident Lindsay Hoyle war sichtlich aufgebracht und rief „Ordnung!“ sowie „Halten Sie die Klappe oder verschwinden Sie!“, bevor er die beiden Abgeordneten aus dem Plenarsaal verwies und hinausführen ließ.
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