Lichtverschmutzung wird für Tiere zur Qual
Genf (dpa/wvg) - Wer zu später Stunde über den Río de la Plata fährt, sieht die Lichter von Buenos Aires bereits von weitem am Nachthimmel scheinen. Doch der Trend zu nächtlicher Dauerbeleuchtung ist für viele Tiere eine Qual. Zwar feierte die UN-Kulturorganisation Unesco am Montag den internationalen Tag des Lichts (16. Mai). Aber Licht hat auch Schattenseiten.
„Lichtverschmutzung ist wahrscheinlich eine Hauptursache des globalen Artensterbens“, sagt Chronobiologin Stefanie Monecke. Beispiel Straßenlaterne, wo man oft dichte Insektenschwärme sehen kann: „Das Licht zieht abertausende Insekten an, die um die Lichtquelle surren, ermüden oder verbrennen. Die ganze Nahrungskette gerät damit durcheinander: Die Tiere, die Insekten im Dunkeln jagen, finden weniger Nahrung.“
Viele Fledermausarten sind lichtempfindlich, meiden Lichtquellen und haben deshalb immer kleinere Jagdgebiete, berichtet die Schweizer Naturschutzorganisation Bird Life. Rotkehlchen, die eigentlich früh in der Dämmerung singen, sängen bei heller Beleuchtung manchmal die ganze Nacht. Selbst Jogger, sagt Monecke, könnten Wildtiere mit lichtstarken Stirnlampen aus dem Konzept bringen.
Aber nicht nur das: Künstliches Licht bringe die innere Uhr vieler Tiere durcheinander. Feldhamster etwa nähmen die kürzer werdenden Tage wahr und stellten so Mitte Juli ihre biologische Jahresuhr, die Anfang und Ende des Winterschlafs bestimme, sagt Monecke, Gastwissenschaftlerin an der Ludwig-Maximilian-Universität München.
Wenn sie dabei durch die Lichtglocke einer Stadt oder Autolichter auf einer Straße gestört werden, sei die Gefahr groß, dass ihre Uhr aus dem Takt gerate. Dann kämen sie im Frühjahr weder rechtzeitig aus dem Winterschlaf noch seien sie gleichzeitig paarungsbereit. „Die Reproduktion der Feldhamster startet heute schon bis zu zweieinhalb Monate später als in den 80er Jahren“, sagt Monecke. „Anstatt 20 bis 25 Jungtiere im Jahr zieht ein Feldhamsterweibchen heute nur noch fünf groß.“
Auch Menschen richten ihre innere Uhr am Hell-Dunkel-Rhythmus aus, sagt Chronobiologe Achim Kramer von der Berliner Universitätsklinik Charité. Zellen im Auge leiten Impulse von Licht weiter, die die innere Uhr „stellen“ und dafür sorgen, dass Menschen, wenn es nachts draußen dunkel ist, schlafen und am hellen Tag aktiv sind. „Wenn man bei Mäusen die innere Uhr abschaltet, werden sie dick und krank“, sagt Kramer. Auch, wer im Schichtdienst ständig gegen die innere Uhr lebe, habe ein höheres Risiko von Herz-Kreislauf-, Stoffwechsel- oder Krebserkrankungen und Depressionen als Menschen mit intaktem Tag-Nacht-Rhythmus. Gegen zu starke Beleuchtung abends und nachts draußen können sich Menschen allerdings - anders als Tiere - durch Vorhänge schützen.
Deshalb ist Abhilfe für die Not der Tiere eigentlich einfach: weniger Außenbeleuchtung. Damit ließe sich auch enorm Energie sparen. Dem Naturschutzbund Deutschland (Nabu) zufolge haben manche Städte ihren Energieverbrauch durch intelligente Beleuchtung, unter anderem mit Bewegungsmeldern, bereits um 50 Prozent reduziert.
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