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„Samenkorn für neues jüdisches Leben“

Zentralrat feiert 70-jähriges Bestehen mit gemischten Gefühlen

Angela Merkel
Angela Merkel spricht während des Festakts. (Foto: dpa)

Berlin (dpa/mc) - Ein Geburtstag mit gemischten Gefühlen: 70 Jahre nach seiner Gründung sieht der Zentralrat der Juden die Zukunft jüdischen Lebens in Deutschland vorsichtig optimistisch, warnt aber gleichzeitig vor wachsendem Antisemitismus. Das Vertrauen der Juden werde immer wieder von Anschlägen und Ausgrenzung erschüttert, sagte Zentralratspräsident Josef Schuster am Dienstag bei einer Feierstunde im Centrum Judaicum in Berlin.

Der am 19. Juli 1950 gegründete Zentralrat der Juden in Deutschland sei eine "fest verankerte Institution" und "bedeutende Stimme", sagte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in ihrer Festrede. Dass nach 1945 wieder jüdisches Leben in Deutschland entstanden sei, sei alles andere als selbstverständlich. Später fügte Merkel hinzu: "Es ist eine Schande und beschämt mich zutiefst, wie sich Rassismus und Antisemitismus in unserem Land in diesen Zeiten äußern."

Beleidigungen, Drohungen oder Verschwörungstheorien richteten sich offen gegen jüdische Bürgerinnen und Bürger. "In den sozialen Medien triefen viele Äußerungen geradezu vor Hass und Hetze. Dazu dürfen wir niemals schweigen", unterstrich Merkel. Schnell könnten Worte zu Taten werden, wie der Anschlag auf die Synagoge in Halle im vergangenen Jahr auf "besonders schrecklicher Weise" gezeigt habe. "Der Antisemitismus ist ein Angriff auf Menschen."

Der Angriff richte sich gegen die Würde des einzelnen Menschen. Dies müsse entschieden bekämpft werden, sagte die Kanzlerin. Erziehung und Bildung seien wie die Bereitschaft zum Dialog die wichtigste Vorbeugung gegen Vorurteile, Rassismus und Antisemitismus. "Doch wo Bildung und Aufklärung nicht ausreichen, da ist der Rechtsstaat mit der ganzen Konsequenz unseres Strafrechts gefordert", betonte Merkel.

Die Gründer des Zentralrats hätten das Samenkorn für neues jüdisches Leben nach dem Holocaust gelegt und damit dem Land einen riesigen Vertrauensvorschuss gegeben, sagte Schuster in seiner Rede. In die jüdische Gemeinschaft habe sich aber inzwischen auch ein Unbehagen eingeschlichen. Dies führe dazu, etwa den Davidstern an der Halskette unter dem Pullover verschwinden zu lassen oder dass eine Mutter ihrem Sohn rate, ein Israel-T-Shirt besser nicht in der Schule anzuziehen.

"Leise stellt sich die Frage, wie sicher wir in diesem Land noch leben können", sagte der Zentralratspräsident. Im vergangenen Jahr habe die Polizei mehr als 2000 antisemitische Straftaten registriert - ein Rekordzahl der vergangenen 20 Jahre. Die aktuellen Corona-Demonstrationen wirkten wie ein Katalysator für antisemitische Verschwörungsmythen. Schuster sprach von "unsäglicher Symbolik", wenn etwa Demonstranten sich als Verfolgte stilisierten und sich den gelben "Judenstern" der Nazis ans Revers hefteten.

Schuster beklagte, dass antisemitische Vorurteile - ob bewusst oder unbewusst - über Generationen weitergegeben würden. „Sie finden sich heute in vielen Milieus und unterschiedlichen Formen in unserer Gesellschaft wieder. Stets schwingt mit, dass Juden als etwas gesehen werden, das nicht dazu gehört.“ Diese Vorurteile würden heutzutage besonders gern auf Israel übertragen beziehungsweise müsse Israel dafür herhalten, diese Vorurteile weiter zu pflegen, beklagte der Zentralratspräsident

Gleichwohl blicke man trotz allem auch mit einem gewissen Stolz auf die vergangenen Jahrzehnte zurück, meinte Schuster. So wies er darauf hin, dass in jüngster Zeit in Düsseldorf, München und Frankfurt jüdische Schulen eröffnet beziehungsweise erweitert wurden. In Konstanz, Koblenz und Dessau wurden und werden neue Synagogen gebaut. „Heute, 75 Jahre nach der Schoa, ist die jüdische Gemeinschaft erneut bereit, Deutschland, unserem Zuhause, einen Vertrauensvorschuss zu geben.“


Dachorganisation

Berlin (dpa/mc) - Der Zentralrat der Juden in Deutschland wurde am 19. Juli 1950 in Frankfurt am Main gegründet. Zur konstituierenden Sitzung waren Delegierte der wiedererstandenen jüdischen Gemeinden in den vier Besatzungszonen gekommen, die unter US-amerikanischer, britischer, französischer und sowjetischer Verwaltung standen. Es sollte zunächst eine Interessenvertretung während der Übergangszeit bis zur endgültigen Ausreise sein.

Zum damaligen Zeitpunkt lebten im Nachkriegsdeutschland rund 15.000 Juden. Zu den Überlebenden stießen in den ersten Nachkriegsjahren die Remigranten, die aus dem Exil in ihre alte Heimat zurückgekehrt waren - eine Entscheidung, die in der internationalen jüdischen Gemeinschaft damals äußerst umstritten war.

Heute vertritt der Zentralrat als Dachorganisation die politischen und gesellschaftlichen Interessen von 23 Landesverbänden und 105 jüdischen Gemeinden mit rund 100.000 Mitgliedern. Er hat seit 1999 seinen Sitz in Berlin.

 

DEUTSCHLAND / GRIECHENLAND

Aufnahme von Flüchtlingen

Berlin/Athen (dpa) - Deutschland will 1553 zusätzliche Flüchtlinge von fünf griechischen Inseln aufnehmen. Darauf haben sich Union und SPD am Dienstag verständigt, wie Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) am Dienstag in Berlin mitteilte. Es handelt sich dabei um 408 Familien mit Kindern, die in Griechenland bereits als schutzbedürftig anerkannt wurden.

Dies soll der zweite Schritt sein, nachdem Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) bereits am Freitag mitgeteilt hatte, Deutschland werde von insgesamt 400 unbegleiteten Minderjährigen bis zu 150 Jugendliche aufnehmen. Die 400 Minderjährigen sollen auf europäische Länder verteilt werden.

In einem dritten Schritt sollten gegebenenfalls weitere Menschen aufgenommen werden, wenn es dazu Vereinbarungen mit weiteren europäischen Staaten gebe. Die SPD hatte die Aufnahme eines maßgeblichen Anteils an Betroffenen gefordert.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Seehofer hatten bereits vereinbart, dass rund 1500 weitere Migranten von den griechischen Inseln in Deutschland aufgenommen werden sollten. Nach dpa-Informationen ist der Vorschlag mit der griechischen Regierung bereits besprochen worden. Der CSU-Vorsitzende Markus Söder nannte den Vorschlag einen "sehr guten Kompromiss". Grünen und Linkspartei geht die Einigung der Koalition indes nicht weit genug.

EU-Ratspräsident Charles Michel betonte bei einem Besuch in Athen die Notwendigkeit einer Reform des europäischen Asylsystems. "Wir müssen eine gerechte und starke Antwort zur Bekämpfung der Schleuser und ein neues Asylsystem entwickeln", erklärte er nach einem Treffen mit dem griechischen Regierungschef Kyriakos Mitsotakis. Gastgeber Mitsotakis kündigte ein neues Lager auf der Insel Lesbos an, das unter gemeinsamer Führung der EU und Griechenlands entstehen solle.

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