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„Romantik, Riesling und Ruhe“

Im Mittleren Rheintal sucht man den Neuanfang nach Corona

Von Bernd Meier, dpa

Das Mittelrheintal lebte lange vom Massentourismus. Romantik, Riesling, Rhein - diese Kombination zog Gäste magisch an. Dann kam Corona. Nun ist es Zeit für einen Neuanfang.

Schloss Johannisberg
Schloss Johannisberg bei Geisenheim ist von Riesling-Weinbergen umgeben. (Foto: dpa-tmn)

Sankt Goar - Auf der Terrasse von Burg Rheinfels zückt Sara Renzler ihr Smartphone. Schnell ist ein Foto von der kreisrunden Bronzeplatte gemacht und dessen QR-Code gescannt. Das Handy zeigt daraufhin das Aquarell von William Turner aus dem Jahr 1817 und die Bildbeschreibung: "Blick von Burg Rheinfels über Sankt Goar".

Die Bodenplatte am Schlossberg zählt zu den 26 Stationen der Turner-Route, die seit 2016 zwischen Koblenz-Ehrenbreitstein und Bingen nach und nach entsteht. Alle Platten tragen QR-Codes mit den Beschreibungen der Werke Turners. "Der Londoner Maler war einer der Künstler, die im 19. Jahrhundert das Mittelrheintal mit seinen Burgen und felsigen Bergen entdeckten. Turner hielt die Szenen auf dem Skizzenblock fest, er schuf die Aquarelle später in seinem Atelier", erklärt Sara Renzler, Projektleiterin der Turner-Route beim Zweckverband Welterbe Oberes Mittelrheintal.

Peter Bahles
Der Winzer Peter Bahles gehört zu den Gründern der Mittelrhein-Riesling-Charta, einer Gemeinschaft von mehr als 20 Weinerzeugern. (Foto: dpa-tmn)

Gut 200 Jahre später folgen die Reisenden unserer Tage den Spuren von William Turner. Nicht mit Zeichenstiften und Skizzenblock, sondern mit dem Smartphone. Die Fotos der romantischen Landschaft - kurviger Rhein, steile Weinberge, uralte Burgen - landen in den sozialen Netzwerken. Facebook und Instagram zeigen Rheinromantik 2.0.


Wie sich die große Dichte an Burgen erklärt

Die Burgen und Schlösser am Oberen Mittelrhein beeindrucken heute wie früher - 40 historische Bauwerke auf 60 Kilometern. "Wahrscheinlich sogar 60, manche sind als Ruinen kaum mehr wahrnehmbar", sagt Gerhard Wagner, scheidender Geschäftsführer der Deutschen Burgenvereinigung auf der Marksburg in Braubach. Die Region am Rhein hat damit die wohl größte Burgendichte weltweit.

Die Marksburg in Braubach
Die Marksburg in Braubach gilt als die einzige nie zerstörte Höhenburg am Mittelrhein. (Foto: dpa-tmn)

Die wehrhaften Bauten entstanden ab dem 12. Jahrhundert zur Sicherung regionaler Territorien. "In Braubach stießen einst vier Besitztümer zusammen, von den Fürstbischöfen Köln, Trier und Mainz sowie das Land des Pfalzgrafen bei Rhein", erklärt Wagner. Schützenswert waren auch Wälder, Weinberge und die Bodenschätze Silber und Schiefer. Die Landesfürsten kassierten außerdem Zoll von den Schiffern.

Die Kombination aus frühmittelalterlichen Bauwerken, malerischen Stadtbildern, steilen Weinbergen und dem kurvigen Flusslauf ist einzigartig. Daher wurde das Obere Mittelrheintal 2002 als erste deutsche Kulturlandschaft zum Unesco-Welterbe ernannt.


Viele Optionen für Wanderer und Radfahrer

Die Burg Stahleck bei Bacharach
Die Burg Stahleck bei Bacharach ist heute eine Jugendherberge. (Foto: dpa-tmn)

Radler entdecken die Vielfalt des Flussabschnittes auf der gut gekennzeichneten Route ab Bingen über Bacharach, Oberwesel, Boppard und Koblenz. Wanderer sind rechtsrheinisch auf dem anspruchsvollen Rheinsteig unterwegs, der über 320 Kilometer von Wiesbaden nach Bonn führt. Wegen der zahlreichen Auf- und Abstiege bei der Querung der Seitentäler kommen 11 700 Höhenmeter zusammen. Linksrheinisch lockt der Rheinburgenweg, 200 Kilometer zwischen Bingen und Rolandseck. Bei Urbar am Rastplatz Maria Ruh wartet die spektakuläre Sicht auf den 132 Meter hohen Loreleyfelsen: Nahezu halbkreisförmig windet sich der Rhein um das schroffe Gestein.


Die ausländischen Gäste bleiben aus

Mehr und mehr Radler und Wanderer, darunter auch jüngere Gäste, bereisten in den letzten Jahren das Obere Mittelrheintal. Durch Corona wird der Trend zum Urlaub im eigenen Land noch verstärkt. Auslandstouristen? Im Juni noch Fehlanzeige.

Auf der Marksburg zählten sie vor der Pandemie bis zu 190 000 Besucher jährlich. Etwa die Hälfte kam von Flusskreuzfahrtschiffen, darunter viele Japaner, Amerikaner, Chinesen, Koreaner und Australier. Wann diese Gäste wiederkommen, scheint derzeit unklar.

Der Rhein bei Oberwesel
Der Rhein bei Oberwesel: Die Martinskirche (vorne) bildet mit der Liebfrauenkirche und dem höher gelegenen Schönberg ein ansehnliches Ensemble. (Foto: dpa-tmn)

Auch Volker Ochs wartet in Kaub auf Gäste, die er mit dem Fährboot "Rheinland" zur Festung Pfalzgrafenstein übersetzt. Die kurze Überfahrt führt zu einer im 14. Jahrhundert errichteten Zollstation, die auf einer Insel im Rhein liegt wie ein gestrandetes Schiff.

Behutsam öffnen Gasthäuser und Hotels wieder nach der monatelangen Zwangspause. Der Massentourismus früherer Jahre, als schlechter Wein Kopfweh bei den Reisenden hinterließ, scheint Vergangenheit zu sein.

Qualität statt Quantität, Klasse statt Masse: Das ist das Motto der Weinbauer. So haben sich über 20 Winzer zur Gemeinschaft Mittelrhein Riesling Charta zusammengeschlossen.


Modernisierung gegen die Krise

In Trechtingshausen auf der Burg Rheinstein wartet Burgherr Markus Hecher: "Eher Knecht als Burgherr, denn eine Burg verpflichtet zum Bewahren und Erhalten", sagt der Eigentümer. Von Vater Hermann hat die Familie das zinnengeschmückte Bauwerk übernommen, 1975 hatte der Opernsänger die arg heruntergekommenen Mauern gekauft. Seitdem wurde mit Millionenaufwand renoviert und restauriert. Knappen- und Rittersaal entführen museal ins Mittelalter.

Der Mäuseturm bei Bingen
Der Mäuseturm bei Bingen erinnert an die Zeit, als auf dem Rhein von den Schiffern noch Zölle erhoben wurden. (Foto: dpa-tmn)

Auf der Schönburg oberhalb von Oberwesel trotzen die Brüder Hermann und Johann Hüttl der Corona-Krise und schwankenden Gästezahlen. Gerade erweitern sie ihr Hotel um weitere Zimmer. "Romantik, Riesling und Ruhe, das schätzen unsere Gäste", sagen die Hoteliers.

Burg Reichenstein in Trechtingshausen wurde von einem Investor als Hotel und Restaurant auf den Stand der Zeit gebracht. Burg Gutenfels oberhalb von Kaub soll nach den Vorstellungen des Eigentümers zu einem kleinen, feinen Garnihotel werden.

Am Fluss flattern schon die blauen Fahnen der Buga 2029. Die Bundesgartenschau soll in acht Jahren im gesamten Oberen Mittelrheintal stattfinden. Digitale Rhein-Romantik 2.0 inklusive.

Befremdlich erscheinen da noch die Christmas-Shops, die in einigen Orten weihnachtliche Dekorationsartikel rund ums Jahr feilbieten. Und die angeblich größte freihängende Kuckucksuhr der Welt im Cuckoo Clock Center von Sankt Goar? Sie scheint wie aus der Zeit gefallen. (dpa/tmn)

INFO:

Romantischer Rhein Tourismus

An der Königsbach 8

56075 Koblenz

Tel.: 0049 261/97 38 47 0

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